Am 6. April 1453 lässt Sultan Mehmet II. seine Truppen vor Konstantinopel aufmarschieren. Was zu diesem historischen Augenblick führte und was danach folgte, ist das Thema dieser packenden Erzählung, die den Leser mitten ins dramatische Geschehen führt. Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Sieben Wochen lang bieten 7000 Verteidiger dem riesigen türkischen Heer erbittert Paroli. Am Dienstag, den 29. Mai, schließlich bricht das Unheil über sie herein. Roger Crowleys bewegende Chronik ist eine Geschichte von menschlichem Mut und Grausamkeit, von technischem Erfindungsgeist, Glück und Feigheit, von Kriegstaktiken und religiösem Fanatismus. Mit der Niederlage gegen das osmanische Heer endete das Byzantinische Reich. Das einstige Zentrum der Christenheit wurde islamisch. Wenige Jahre später stehen die Türken vor Wien, im Herzen Europas.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2008Schlachtgestammel
Man liest immer gern mit Schaudern vom Untergang großer Reiche, besonders, wenn man selbst gerade die Füße im Warmen hat. Die Belagerung und Erstürmung Konstantinopels durch die Osmanen im Frühjahr 1453 ist so etwas wie der Stein von Koh-i-Noor in diesem Düstergenre, weil in ihr alles zusammentrifft: das lange Siechtum und der rasche Tod; das Weltende hier, der große Anfang dort; die unbezwingbaren Mauern der Antike und die Kanonen der Moderne; die beiden Fraktionen der Christenheit, in Hass gespalten und doch Seite an Seite gegen die Ungläubigen kämpfend. Steven Runciman hat vor vierzig Jahren das abschließende und bis heute gültige Buch zum Thema geschrieben, aber die Geschichtsmühlen müssen natürlich weitermahlen, und so erzählt jetzt Runcimans Landsmann Roger Crowley die "Letzte Schlacht" noch einmal von vorn. Crowley ist überall da gut, wo es um die technische Seite der Belagerung geht, er weiß viel über die Feuerrohre des ungarischen Kanonengießers Urban und die Palisaden des Genuesen Giustiniani, und auch den Transport der Flotte Mehmets II. über Land vom Bosporus zum Goldenen Horn kann er anschaulich schildern. Aber die Vorgeschichte der Belagerung ist ihm kein genaueres Nachdenken wert, und darin liegt der eigentliche Pferdefuß dieses süffigen Buches. Es ist das alte Problem der Ereignisgeschichte: Weil sie nur das Ereignis sieht, versteht sie auch von ihm nicht genug. Auch ein Lektorat, etwa bei den Jahreszahlen - bei Crowley wird Konstantinopel 432 gegründet -, hätte dem Band gutgetan. Und selbst das wunderbare Zitat des persischen Dichters Sa'adi, das Mehmet II. nach dem Fall der Stadt gesprochen haben soll, fehlt in der letzten Schlacht: "Die Spinne webt die Vorhänge im Palast der Cäsaren, / die Eule ruft von Afrasiabs Türmen die Stunden aus." Es ist wahrhaftig ein Jammer. (Roger Crowley: "Konstantinopel 1453". Die letzte Schlacht. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2008, 284 S., br., 22,90 [Euro].) kil
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Man liest immer gern mit Schaudern vom Untergang großer Reiche, besonders, wenn man selbst gerade die Füße im Warmen hat. Die Belagerung und Erstürmung Konstantinopels durch die Osmanen im Frühjahr 1453 ist so etwas wie der Stein von Koh-i-Noor in diesem Düstergenre, weil in ihr alles zusammentrifft: das lange Siechtum und der rasche Tod; das Weltende hier, der große Anfang dort; die unbezwingbaren Mauern der Antike und die Kanonen der Moderne; die beiden Fraktionen der Christenheit, in Hass gespalten und doch Seite an Seite gegen die Ungläubigen kämpfend. Steven Runciman hat vor vierzig Jahren das abschließende und bis heute gültige Buch zum Thema geschrieben, aber die Geschichtsmühlen müssen natürlich weitermahlen, und so erzählt jetzt Runcimans Landsmann Roger Crowley die "Letzte Schlacht" noch einmal von vorn. Crowley ist überall da gut, wo es um die technische Seite der Belagerung geht, er weiß viel über die Feuerrohre des ungarischen Kanonengießers Urban und die Palisaden des Genuesen Giustiniani, und auch den Transport der Flotte Mehmets II. über Land vom Bosporus zum Goldenen Horn kann er anschaulich schildern. Aber die Vorgeschichte der Belagerung ist ihm kein genaueres Nachdenken wert, und darin liegt der eigentliche Pferdefuß dieses süffigen Buches. Es ist das alte Problem der Ereignisgeschichte: Weil sie nur das Ereignis sieht, versteht sie auch von ihm nicht genug. Auch ein Lektorat, etwa bei den Jahreszahlen - bei Crowley wird Konstantinopel 432 gegründet -, hätte dem Band gutgetan. Und selbst das wunderbare Zitat des persischen Dichters Sa'adi, das Mehmet II. nach dem Fall der Stadt gesprochen haben soll, fehlt in der letzten Schlacht: "Die Spinne webt die Vorhänge im Palast der Cäsaren, / die Eule ruft von Afrasiabs Türmen die Stunden aus." Es ist wahrhaftig ein Jammer. (Roger Crowley: "Konstantinopel 1453". Die letzte Schlacht. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2008, 284 S., br., 22,90 [Euro].) kil
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