Das Bauen von Bergen, Grotten und künstlichen Wasserfällen war zwischen dem späten 18. und dem beginnenden 20. Jahrhundert eine der Hauptaufgaben der Gartenkunst; künstliche Felsenlandschaften sind zentrale Motive landschaftlicher Gärten. Die Planung und Konstruktion gebauter Naturformen wurde beeinflusst von geologischen Kenntnissen und der Entwicklung neuer Baumaterialien wie Rabitz und Portlandzementen. Schon früh wurden konstruierte Bergerlebnisse sogar mit unterschiedlichen Ton- und Lichteffekten perfektioniert - ein Fortleben der Naturinszenierungen findet sich in den Vergnügungsparks um 1900, dort wurden künstliche Berge in Grotten- und Gebirgsszeneriebahnen befahrbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2016Effektvoll: Die Illusion der Berge
In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts kam die europäische Bergwelt in Mode. 1729 erschien Albrecht von Hallers großes Lehrgedicht "Die Alpen". Nicht ganz hundert Jahre später entstand vermutlich der Druck, den unsere Abbildung zeigt. Das ausgefallene Format ist nicht vorweggenommener Japonismus, sondern verdankt sich dem Umstand, dass man es mit einer Tapetenbahn zu tun hat. Mit dreißig solcher Bilderstreifen ließen sich "Schweizer Landschaften" auf die Wände bringen, samt Genreszenen wie hier auf der Teufelsbrücke über der Reuss in der Schöllenenschlucht.
Beispiele solcher Bildertapeten, die Manufakturnachfolger der Dekorationsmalerei, findet man in einem exzellent illustrierten stattlichen Band, der verschiedenen Techniken nachspürt, Betrachtern Berg und Fels im Illusionsformat nahezubringen (Uta Hassler, Julia Berger, Kilian Kost: "Konstruierte Bergerlebnisse". Wasserfälle, Alpenszenarien, illuminierte Natur. Hirmer Verlag, München 2015. 367 S., geb., 49,90 [Euro]). Der Schwerpunkt liegt auf dem langen neunzehnten Jahrhundert, das Spektrum der präsentierten Techniken ist weit und das Bild üblichen Zuschnitts nur ein Spezialfall. Es geht also um Gartendekorationen, Bühnenausstattungen, Panoramen, Dioramen (Guckkasten-Darstellungen), Wildparks, Zoogehege, und nicht zuletzt um die Berge im Vergnügungspark oder auf Weltausstellungen, nämlich um "Gebirgsszeneriebahnen".
Man erfährt nicht nur, welche Effekte die inszenierten Berge und Felsen hervorbringen sollten, sondern vor allem auch einiges darüber, wie und mit welchen Materialien die künstlichen Szenarien konkret entworfen und gebaut wurden. Auch die Wissenschaft spielt herein, denn die Kunstfelsen sollten, zumindest in ihrer anspruchsvoll auf Naturwahrheit zielenden Form, dem einschlägigen geologischen Wissen genügen. Die realen Berge erschloss derweil der Tourismus. (hmay)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts kam die europäische Bergwelt in Mode. 1729 erschien Albrecht von Hallers großes Lehrgedicht "Die Alpen". Nicht ganz hundert Jahre später entstand vermutlich der Druck, den unsere Abbildung zeigt. Das ausgefallene Format ist nicht vorweggenommener Japonismus, sondern verdankt sich dem Umstand, dass man es mit einer Tapetenbahn zu tun hat. Mit dreißig solcher Bilderstreifen ließen sich "Schweizer Landschaften" auf die Wände bringen, samt Genreszenen wie hier auf der Teufelsbrücke über der Reuss in der Schöllenenschlucht.
Beispiele solcher Bildertapeten, die Manufakturnachfolger der Dekorationsmalerei, findet man in einem exzellent illustrierten stattlichen Band, der verschiedenen Techniken nachspürt, Betrachtern Berg und Fels im Illusionsformat nahezubringen (Uta Hassler, Julia Berger, Kilian Kost: "Konstruierte Bergerlebnisse". Wasserfälle, Alpenszenarien, illuminierte Natur. Hirmer Verlag, München 2015. 367 S., geb., 49,90 [Euro]). Der Schwerpunkt liegt auf dem langen neunzehnten Jahrhundert, das Spektrum der präsentierten Techniken ist weit und das Bild üblichen Zuschnitts nur ein Spezialfall. Es geht also um Gartendekorationen, Bühnenausstattungen, Panoramen, Dioramen (Guckkasten-Darstellungen), Wildparks, Zoogehege, und nicht zuletzt um die Berge im Vergnügungspark oder auf Weltausstellungen, nämlich um "Gebirgsszeneriebahnen".
Man erfährt nicht nur, welche Effekte die inszenierten Berge und Felsen hervorbringen sollten, sondern vor allem auch einiges darüber, wie und mit welchen Materialien die künstlichen Szenarien konkret entworfen und gebaut wurden. Auch die Wissenschaft spielt herein, denn die Kunstfelsen sollten, zumindest in ihrer anspruchsvoll auf Naturwahrheit zielenden Form, dem einschlägigen geologischen Wissen genügen. Die realen Berge erschloss derweil der Tourismus. (hmay)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main