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Eine Gruppe von Reservisten wird nachts zu einer einsamen Schranke im Wald gebracht und dort alleingelassen. Keiner von ihnen weiß, was und wen sie an dem Kontrollpunkt beobachten, gegen wen und warum sie kämpfen sollen. Die namenlosen Soldaten wissen nicht einmal, ob der Krieg überhaupt noch andauert. Ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt sind sie allein ihrem Kommandanten unterstellt. In dieser kafkaesken Situation kommt es zu merkwürdigen Begegnungen mit Flüchtlingen, mit einer Meute von Kriegsberichterstattern, Orgien und Massenvergewaltigungen sowie zu mysteriösen Morden. Am Ende bleibt…mehr

Produktbeschreibung
Eine Gruppe von Reservisten wird nachts zu einer einsamen Schranke im Wald gebracht und dort alleingelassen. Keiner von ihnen weiß, was und wen sie an dem Kontrollpunkt beobachten, gegen wen und warum sie kämpfen sollen. Die namenlosen Soldaten wissen nicht einmal, ob der Krieg überhaupt noch andauert. Ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt sind sie allein ihrem Kommandanten unterstellt. In dieser kafkaesken Situation kommt es zu merkwürdigen Begegnungen mit Flüchtlingen, mit einer Meute von Kriegsberichterstattern, Orgien und Massenvergewaltigungen sowie zu mysteriösen Morden. Am Ende bleibt nur der Kommandant übrig. Doch nachdem er eben noch in einer Baumkrone ausgeharrt hat, findet er sich plötzlich in seiner Wohnung wieder, wo er über den Bildschirm in ein Gesprächmit der Moderatorin einer Reality Show verwickelt wird. Eindringlicher als reale Berichte über Kriegsgräuel vermittelt Kontrollpunkt auf schaurig-komische Weise ein Gefühl von der Sinnlosigkeit des Krieges, der Verlorenheit des Einzelnen und der Entmenschlichung der Gesellschaft.
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Autorenporträt
David Albahari wurde 1948 in Pec im heutigen Kosovo geboren und war einer der renommiertesten Schriftsteller Serbiens. Er studierte Englische Literatur in Belgrad und hat Vladimir Nabokov und John Updike ins Serbische übersetzt. 1973 erschien sein erster Erzählungsband, zahlreiche weitere Romane und Erzählungen folgten. Sein Werk ist vielfach ausgezeichnet worden, z. B. mit dem NIN-Preis und dem Ivo Andric-Preis. Sein Roman »Heute ist Mittwoch« wird mit dem Aleksandar Tisma International Literary Prize (2022) ausgezeichnet.David Albahari lebte in Calgary und Belgrad. Er verstarb am 30. Juli 2023 in Belgrad.

Mirjana und Klaus Wittmann leben in Bonn und übersetzen aus dem Serbischen, Kroatischen und Bosnischen. Die Übersetzungen des Duos verstehen sich als Gemeinschaftswerke und entstehen im Tandemprinzip. 2006 erhielten sie für die Übersetzung von David Albaharis Mutterland den Brücke-Berlin-Preis, 2011 wurden sie für ihr übersetzerisches Gesamtwerk mit dem Paul-Celan-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das erste, was einem an David Albaharis Romanen auffällt, ist, dass ihnen die Absätze abgehen, weiß Lothar Müller. Die Absatzlosigkeit ist bei Albahari aber kein Anzeichen für Wortschwälle und atemlose Unmittelbarkeit, sondern steht im harten Kontrast zur bewussten Künstlichkeit, sie macht auf den Text als Schrift aufmerksam, erklärt der Rezensent. Auch Albaharis neuer Roman "Kontrollpunkt" ist deutlich inszeniert, so Müller: eine Gruppe Soldaten wacht über einen Schlagbaum an einer unbekannten Grenze, vielleicht ist schon Krieg, vielleicht noch nicht; in einfacher, klarer Sprache, die sich dem Befehlston der Soldaten andient, schildert Albahari aus der Perspektive eines diffusen Wir den leerlaufenden Alltag der Truppe, in dem auch Tote bloß teil des Protokolls sind, fasst der Rezensent zusammen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2013

Warten auf die Barbaren
Europa zerfällt: David Albaharis Anti-Kriegsroman

Kafkaesk ist gar kein Ausdruck für das, was in diesem Roman vor sich geht: Ein namenloser Trupp von Rekruten soll auf einer Anhöhe einen Kontrollpunkt bewachen. Doch die Soldaten wissen nicht, was sie dort sollen: Welche Grenze wird bewacht? Wer ist der Feind? Ist überhaupt noch Krieg? Man hat keinen Kontakt mehr zur Zentrale; niemand kommt, den man überprüfen könnte. Dennoch besteht der Kommandant darauf, den Posten zu halten. Die absurde Ausgangssituation, die der 1994 aus Belgrad nach Kanada ausgewanderte Erzähler David Albahari in "Kontrollpunkt" schildert, führt auf knapp 180 Seiten in immer wilderer Ausschweifung vor Augen, wie Krieg entsteht, wenn man nur mit ihm rechnet und sich dafür gerüstet hält.

Auf ihrer Anhöhe wird die demoralisierte Truppe vom ebenso rat- wie ahnungslosen Kommandanten zunächst mit sinnlosen Reglements und der Organisation der Kloake auf Trab gehalten. Dann setzt plötzlich eine Spirale der Gewalt ein: Ein Soldat nach dem anderen wird umgebracht, ein ausgesandter Späher findet in einem Bauernhaus verstümmelte Zivilisten. Wer sind die Täter? Waren es die Soldaten selbst? Die Situation eskaliert, als ein Flüchtlingstreck eintrifft.

Nichts ist hier gewiss: Weder ist das Terrain zutreffend kartographiert, noch ist man sich über die Zeitebene im Klaren. Wo Bauernhäuser stehen, sollte angeblich seit Jahrzehnten ein Staudamm sein. Es wird geraunt, Eingeborene trieben mit Pfeil und Bogen ihr Unwesen. Realitäten überlagern sich; jeder will etwas anderes wahrgenommen haben, und jeder geht augenzwinkernd nonchalant mit den eigenen Untaten um. Zwischen der kollektiven Erzählstimme der Rekruten, einem unbestimmten "Wir", und der phantastisch überdrehenden Erzählperspektive des Kommandanten löst sich jegliche Verantwortung in Luft auf.

Parallel dazu wird die Realität des Romans immer brüchiger. Die einzige Figur, die einen Eigennamen trägt, stirbt und feiert Wiederauferstehung. Journalisten und Kindersoldaten tauchen plötzlich auf. Die Schlusspointe kommt dennoch überraschend.

Albahari bietet einiges an Mitteln auf, um der Obszönität des Krieges künstlerisch habhaft zu werden. In den atemlosen verschachtelten Sätzen des Romans verschmelzen Traum und Trauma, Parodie und Paradoxie, Gewalt und Groteske in einer Weise, die an Kafka, Musil, Benn oder Beckett erinnert. Chaplins "Großer Diktator" mag für die Figur des Kommandanten Pate gestanden haben, eines Mannes, der unter anderem bei den UN-Blauhelmen war und von seinen Untergebenen für einen Soldaten alter Schule gehalten wird. Den Rekruten gegenüber unnachgiebig, erweist er sich als wehleidig und paranoid, geriert sich als Schöngeist und Künstler. Mit wohligem Schauer denkt er an pädophile Erlebnisse in den Bordellen der Krisengebiete zurück.

Albahari ist ein grandioser Erzähler: scharfsinnig und hochironisch. Dennoch überzeugt sein Roman nicht ganz. Aus der nicht enden wollenden Eskalation, die er anzettelt, findet der Text nicht mehr heraus. Die angehäuften Grässlichkeiten erscheinen im Einzelnen beliebig. Merkwürdig anachronistisch wirkt dieser Antikriegsroman. Ob es an der parabelhaften Form liegt?

Die eigentliche Provokation von "Kontrollpunkt" könnte jedoch darin liegen, dass das Buch über den rein jugoslawischen Kontext hinausgeht, den die Herkunft des Autors nahelegt. Denn sein Kommandant macht ein auseinanderbrechendes Europa als künftiges Kriegsgebiet aus: "Wenn es zum Zerfall des vereinten Europa und in einigen Staaten zu Auseinandersetzungen und folglich zu Aufspaltungen in proeuropäische und antieuropäische Kräfte gekommen war, dann durfte man annehmen, dass es Dutzende von möglichen und tatsächlichen Gegnern gab."

JUDITH LEISTER

David Albahari: "Kontrollpunkt". Roman.

Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann.

Verlag Schöffling & Co., Frankfurt 2013. 184 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Eine grosse Kakofonie, die auf grotesk-komische Weise alles vereinigt, was Literatur an Lächerlichem und Erhabenem, an Schönem und Schrecklichem, an Subtilem und Exaltiertem birgt.«Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung