Verschiedene Branchen befinden sich heute in einem tiefgreifenden Wandel. Die festzustellenden Marktveränderungen sind vielfältig determiniert. Deregulierungen und Liberalisierungen, Globalisierung bzw. Internationalisierung und die zunehmende Konzentration und Verflechtung von Unternehmen führen ebenso zu grundlegenden strukturellen Veränderungen wie der Technologiewandel, Veränderungen in den Vertriebsstrukturen und demographische Entwicklungen. Auf der Kundenseite sehen sich die Unternehmen neben einem Wertewandel und der abnehmenden Bereitschaft, Kundenbindungen einzugehen, immer aufgeklärteren Nachfragern gegenüber. Im Bereich der Kundenanforderungen müssen sich Unternehmen auf eine fortschreitende Individualisierung der Nachfrage und die Erwartung an immer effizientere Leistungsprozesse einstellen. Call Center können in einer strategischen Kundenorientierung eine besondere Rolle spielen. Durch eine entsprechende Gestaltung von Kundeninteraktionsprozessen kann ein Unternehmen sicherstellen, dass ein Kunde ausreichend informiert wird, geeignete Lösungsvorschläge für seine individuellen Problemstellungen erhält oder trotz einer berechtigten Reklamation zufriedengestellt werden kann. Ist die Professionalität gegeben und sind die Kunden mit den Leistungen zufrieden, dann kann das Call Center darüber hinaus gewinnbringend für das Unternehmen genutzt werden. Anders als im Inbound, bei dem das Unternehmen von außen kontaktiert wird, oder dem Outbound, bei dem Kunden oder Interessenten aktiv angerufen werden (was zunehmend u.a. durch gesetzliche Reglementierungen eingeschränkt wird), stellt der inbound-induzierte Vertrieb die intelligente Verknüpfung aus In- und Outbound dar. Das Konzept des inbound-induzierten Vertriebs geht von eingeschränkten Interaktionsmöglichkeiten der Unternehmen mit ihren Kunden aus. Inbound-Prozesse sind weitestgehend extern determiniert und unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen und der Intimsphäre der Nachfrager kommt dem Unternehmen respektive dem Call Center insofern eine passive Rolle zu: es ist auf das durch einen Anrufer herangetragene Anliegen zu reagieren. Call Center sind folglich meist serviceorientiert und nach Kostengesichtspunkten organisiert, wenngleich eine Verknüpfung mit vertrieblichen Funktionen naheliegend wäre. Denn mit einem Inbound-Kontakt wird etwas erreicht, wovon jeder Vertrieb nur träumt: ein so genannter "warmer Kontakt". Ein Kunde ruft an, er hat ein Anliegen, es kommt zu einem Gespräch, die Atmosphäre ist in der Regel entspannt und es entsteht in gewissem Maße ein Vertrauensverhältnis und damit eine optimale Ausgangssituation für ein potenzielles Cross oder Up Selling. Der konzeptionelle Ansatz besteht in der Nutzung eines Inbound-Prozesses für einen oder mehrere generische Vertriebsprozesse. In einem einfachen Fall kann auf einen Originären Verkaufsprozess ein Sekundärer Verkaufsprozess folgen. Nachdem das dem Anruf zugrundeliegende Anliegen im Gespräch befriedigt ist, kann der Agent versuchen, dem Kunden andere Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Voraussetzung hierfür sind eine entsprechende Kompetenz, rhetorische Fähigkeiten und das Vorhandensein von Arbeitszufriedenheitsfaktoren sowie Informationssysteme, die ein vollständiges Kundenprofil liefern. Die Erweiterung des Ansatzes der Sekundären Verkaufshandlung besteht darin, dass nicht zwingend während des Erstgesprächs ein zusätzlicher Verkauf von Produkten und Leistungen erfolgt, sondern dieser sich an die Nachbearbeitung anschließen kann. Der Verfasser zeigt auf, wie Unternehmen differenziert und unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte Vertriebsprozesse planen können, die auf Inbound-Prozesse der Kunden zurückzuführen sind. In einer Zeit gesättigter Absatzmärkte, immer schwieriger zu erreichender Kunden und eines zunehmenden Wettbewerbsdruck kann der Inbound-induzierte Vertrieb für Unternehmen eine interessante Erweiterung des Marketing-Mix darstellen.