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"Kopf unter Wasser" ist ein Liebesroman der besonderen Art und das Porträt einer Generation, der nach dem Ende der Illusionen nur noch die Ironie bleibt.
Die Hoffnung, dass es wieder aufwärts gehen würde, hatte Henry aufgegeben. Vorbei waren die Zeiten mit den Abendessen im kleinen Kreis, in den weitläufigen Berliner Altbauwohnungen bei Weißwein und Stoffservietten in Silberreifen. Dass sein Geld weg war, interessierte Henry dabei noch am wenigsten. Beunruhigender war die Situation mit Birte. Seit ihrem unschönen Auszug, bei dem sie ihre Tochter Johanna mitgenommen hatte, konnte er auch vor…mehr

Produktbeschreibung
"Kopf unter Wasser" ist ein Liebesroman der besonderen Art und das Porträt einer Generation, der nach dem Ende der Illusionen nur noch die Ironie bleibt.
Die Hoffnung, dass es wieder aufwärts gehen würde, hatte Henry aufgegeben. Vorbei waren die Zeiten mit den Abendessen im kleinen Kreis, in den weitläufigen Berliner Altbauwohnungen bei Weißwein und Stoffservietten in Silberreifen. Dass sein Geld weg war, interessierte Henry dabei noch am wenigsten. Beunruhigender war die Situation mit Birte. Seit ihrem unschönen Auszug, bei dem sie ihre Tochter Johanna mitgenommen hatte, konnte er auch vor sich selbst seine Verlorenheit nicht mehr als Freiheit kaschieren. Und nun dachte Henry darüber nach, was Cynthia ihm soeben am Telefon gesagt hatte: Peter, sein bester Freund, war letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Nach einem Streit hatte Henry ihn niedergeschlagen und einfach liegen gelassen.
Autorenporträt
Andre Kubiczek, geb. 1969 in Potsdam, lebt er heute nach seinem Studium der Germanistik in Leipzig und Bonn als freier Autor in Berlin. 1997 erhielt er das Arbeitsstipendium Brandenburg, 1998 das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2009

Holt die Städte zurück in die Wälder

Lang lebe die LPG: André Kubiczek will in seinem neuen Roman partout vom neuen Berlin reden, kann aber von der alten DDR nicht schweigen.

Von Edo Reents

Lange Zeit unterschied man zwischen zwei oder, wenn man einen Sonderfall noch dazurechnete, drei Arten von Ironie: der sokratischen, der romantischen und der Thomas Manns - bis die sogenannte Berliner Republik kam, da waren's vier. Die späten neunziger Jahre brachten eine Geisteshaltung hervor, die im Grunde nicht mehr war als eine mit lässig-eingeweihter Attitüde vertretene Standpunktlosigkeit, die aber von einem lifestyleorientierten Milieu zu einer literarischen Kategorie geadelt wurde: der Ironie eben, die vor allem in der Popliteratur eine Rolle spielte, mit der sich alles behaupten, aber auch alles abstreiten ließ und die so diffus war wie die "Berliner Republik".

Man hat lange nichts mehr davon gehört. André Kubiczek versetzt ihr nun einen schmerzhaften Tritt. Zeitlich und räumlich präzise plaziert - in Berlin im Sommer 1999 -, erzählt sein Roman "Kopf unter Wasser" die Liebes- und vor allem Trennungsgeschichten von Henry, der, aus der Uckermark stammend, zum Angehörigen einer Ironie-Generation wird, die im damaligen Kulturjournalismus tonangebend war. Das Volontariat bekommt dieser moderne Taugenichts hauptsächlich deswegen, weil er zum Vorstellungsgespräch im schmal geschnittenen Anzug und krawattenlosen Button-down-Hemd erscheint; seine Kolumnen handeln von "unfreundlichen Supermarktkassiererinnen und schroffen Taxifahrern, von störenden Bettlern in der S-Bahn, von der falschen Fassadenfarbe frisch renovierter Häuser, von kitschigen Fensterdekorationen in den Armenvierteln in der Adventszeit" - Dingen also, die einem eigentlich egal sein könnten.

Henry lernt Bettina kennen, der ihr Künstlertum wichtiger ist als die Beziehung, was ihm ganz recht ist. Eine Lesereise führt ihn bis nach Seoul, wo er die Goethe-Instituts-Praktikantin Birte trifft, mit der er schließlich eine Tochter hat. Der Abstieg kommt rasch: Trennung von Birte, Schulden, Wohnungskündigung - und ein Mord, mit dem der Roman schon begonnen hatte. Das Opfer ist ein Bekannter, den Henry in einer Kneipe niedergeschlagen und einfach liegengelassen hatte.

Erkennbar zielt Kubiczek auf, wie es der Verlag ausdrückt, "das Porträt einer Generation, der nach dem Ende der Illusionen nur noch die Ironie bleibt". Die Ausleuchtung dieser von reichlich Alkohol eher gedämpften als befeuerten Autorenexistenz und der Kreise um sie herum gerät klischeehaft und blutleer. Fast pflichtschuldig werden die Vernissagen, Sektempfänge und Verlagspartys abgehandelt; die Details, die jedem, der den Kulturbetrieb einigermaßen kennt, vertraut sind, ermüden bald. Hinzu kommen Gestelztheiten, Stilbrüche und Ungenauigkeiten: Da wird ein Lächeln "geschenkt", eine "Traurigkeit dargeboten", und weibliche Augen "funkelten im Kerzenlicht".

Aber das ist gewissermaßen nur die Papierform, an der man einen Schriftsteller wie Kubiczek ausnahmsweise nicht messen sollte. Spürbar ist es ihm auch mit seinem vierten Roman um etwas anderes zu tun: die Konfrontation unterschiedlicher Milieus. In der Schilderung des ländlichen, noch ganz der DDR verhafteten Elternhauses ist er in seinem Element. Es ist anrührend, wie Henry sich davon immer wieder einnehmen lässt; und es ist schmerzlich, wie Birte, wahrhaft eine höhere Tochter, mit grobschlächtigen Gepflogenheiten wie Schweineschlachten und Schnapstrinken konfrontiert wird. Bei Bratkartoffeln, Buletten und Bier singt Henrys Mutter plötzlich das Loblied auf LPG und sozialistische Kinderbetreuung und verhöhnt die westlichen Fetische "Reisen und Konsum".

Hier, in der unvermittelt nachgereichten Reflexion auf deutsch-deutsche Wendemanöver, gewinnt der Roman erheblich schärfere Kontur als in den Liebes- und Karriere-Passagen typisch Berliner Prägung. Der überraschende Schluss bringt nicht nur den Mord wieder ins Spiel, den man schon fast vergessen hatte, sondern auch das geheime Anliegen dieses raffiniert gebauten, allerdings mit Konstruktionsschwächen behafteten Romans: Die Kritik an modern-heutigen Paarbeziehungsgeflechten, als die das Buch über weite Strecken gelesen werden kann und die man auch anderswo schon gehört hat, mündet in eine Abrechnung mit der Zivilisation als solcher, die Robin-Hood-hafte Züge trägt. In einer vermutlich nur geträumten Szene gerät Henry an einen weiblichen Guerrilla-Trupp, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, "die Städte zurück in die Wälder zu holen", und dabei nicht zimperlich ist. ",Wir verhelfen der Geschichte zu einem glücklichen Ausgang', sagte die Frau, ,du wirst sehen: Alles fügt sich.'" Es fügt sich dann auch, aber der Ausgang ist alles andere als glücklich.

André Kubiczek: "Kopf unter Wasser". Liebesroman. Piper Verlag, München/Zürich 2009. 238 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2009

Blasiert in Berlin
Einigermaßen verheddert: André Kubiczeks neuer Roman „Kopf unter Wasser”
Henry heißt er, der Held von André Kubiczeks neuem Roman, einfach nur Henry, wie so viele Trunkenbolde vor und hinter den Berliner Tresen. Von Frau, Kind und allen guten Geistern verlassen, geht der Bauernsohn aus der Uckermark seinem Untergang entgegen. Dabei hatte der studierte Historiker, zuletzt wohnhaft im Szenequartier Prenzlauer Berg, für lange Zeit einen recht guten Stand: Als Seiteneinsteiger brillierte er im Feuilleton einer überregionalen Tageszeitung und schrieb dort für das Ressort „Lifestyle & Art”, das ihm sogar eine feste, allwöchentlich erscheinende Kolumne einräumte.
Mit seinen lockeren Causerien und fortlaufenden Kommentaren zum Zeitgeist brachte es Henry bald zu einer gewissen Prominenz und scharte eine ansehnliche Lesergemeinde um sich. Damit sollte er sich dann auch zum potentiell erfolgreichen Sachbuchautor qualifizieren. So sah es jedenfalls der Verlag, der Henry angeworben und, wie sich zeigte, auf das richtige Pferd gesetzt hatte: Das Buch, das ähnliche Beobachtungen zum Zeitgeist wie Henrys Artikel versammelte, zog gleich bei seinem Erscheinen die Aufmerksamkeit der Kritik auf sich; ein skandalöser Verriss in einer Wochenzeitung hatte sogar eine veritable Feuilletondebatte zur Folge.
Solche Publizität fand ihren Niederschlag endlich auch im Honorarfluss, was Henry dazu bewog, sich mit seinen neuerworbenen Pfründen schnurstracks und arglos dem Anlagenberater seiner Bank anzuvertrauen. Schließlich bedankte sich der Verlag bei seinem frischgebackenen Autor auch sogleich mit einem neuen Vertrag und einem stattlichen Vorschuss, von dem der beneidenswerte Henry befand, dass er davon bequem ein ganzes Jahr würde leben können – auch ohne die Zeitung, die ihre „Berliner Seiten” nämlich gerade einstellte.
Demnach schreiben wir noch lange nicht das Krisenjahr 2009, sondern vorerst nur dasjenige von 2002, als die große IT-Blase platzte und mit ihr auch die Berlin-Hausse der Nachwendezeit. Aber Berlin ist stets und in jeder Lage eine neue Blase wert, genährt von einem lokalen Sozialisationstypus, der äußerst wichtig tut, stolz und selbstbewusst einem moderaten Autismus frönt, dabei immerzu bei sich bleibt und tunlichst nur in endogamen Kreisen verkehrt, in der Gesellschaft von Ärzten und Anwälten, von Unileuten und Medienfuzzis und der übrigen Kulturschickeria.
Auf deren Partys, Vernissagen und Dinners treffen wir auch Henry in seinen besseren Zeiten. Nur hat sich sein Wirkungsradius unterdessen ausgedehnt, weshalb er auf Einladung des dortigen Goethe-Instituts zu Lesungen auch einmal in Seoul weilt. Dort bahnt sich dann die künftig schicksalhafte Begegnung mit der zu seiner Betreuung eigens abgestellten Praktikantin des Hauses, der Deutsch-Koreanerin Birte Aschenbach, an. Und kaum ist sie Henry nach Berlin nachgezogen, ist sie auch schon in der frohen Erwartung eines Kindes.
Schales Leben, zum Weglaufen
Soweit die Klischees, die in Kubiczeks Roman ganz so abgestanden wirken, wie nur die schnöde Realität zu sein vermag. Deren schaler Wiedergabe hat sich dieser bislang vielversprechende und zweifellos talentierte Autor in seinem nunmehr vierten Berlin-Roman mit einem ästhetischem Minimalaufwand verschrieben, der schier zum Weglaufen ist. Zum Weglaufen, und beileibe nicht nur für seine Frauen, ist allerdings auch der Held, der selbst im zweiten Teil des Romans, da ihn tatsächlich eine gewisse Tragik ereilt, auf kein Mitgefühl von Seiten des Lesers rechnen kann. „Eine sardonische Abrechnung mit der Berliner Republik”, mehr noch „das Porträt einer Generation, der nach dem Ende der Illusionen nicht einmal mehr die Ironie bleibt” – womit offenbar der schlichte Unernst gemeint ist –, verspricht das Buch dagegen im Klappentext und enttäuscht dafür um so mehr.
In solchen Ansprüchen scheint aber auch das ganze Problem dieses gescheiterten Romans zu liegen: Allzu bereitwillig hat sich der 1969 in Potsdam geborene André Kubiczek das Zwangsmäntelchen eines bitterbösen Chronisten der Nachwendezeit und der Berliner Republik aufschwatzen lassen.
Das ging gut in seinem ersten Roman „Junge Talente” (2002); es fand sein von der Kritik, die darüber wie aus dem Häuschen war, als wahres Meisterwerk einer Pop-und-Pulp-Fiction bejubeltes Glanzstück im zweiten Roman „Das Gute und das Böse” (2003); es ging mit einiger Nachsicht gerade noch gut im dritten Roman „Oben leuchten die Sterne” (2006) – doch schon da konnte der Autor sich eigentlich nur noch selbst unterbieten, denn der Vorgänger hatte als Kolportageroman so dick und so schrill aufgetragen, das alle Luft damit schon draußen war.
Im Untertitel erklärt das Buch sich selbst zum „Liebesroman”, und auch dies ist wohl als Sarkasmus zu verstehen. Dabei gehört die Geschichte der Begegnung und Reibungen eines recht blasierten und völlig leidenschaftslosen deutschen Intellektuellen mit einer jungen Frau, die zwei ganz unterschiedliche Kulturen in sich vereinigte, noch zu den gelungensten Passagen dieses Romans.
Aber entweder wollte Kubiczek mehr narrative Stränge und Erzählebenen – auch noch ein völlig ungereimtes und unglaubwürdiges Kapitalverbrechen und als Dessert eine geballte Portion Surrealismus – miteinander koordinieren, als ein Roman eher schmaleren Umfangs überhaupt verträgt; oder der Autor hat beim Schreiben irgendwann die Lust an seinem drögen Stoff und seinen eigenen ungereimten Konstruktionen verloren und den Roman nur noch als belanglose Pflichtübung zu einem notdürftigen, aber wenig überzeugenden Ende gebracht.
Wie dem auch sei und was auch immer in diesen klugen und erzählfreudigen Autor gefahren ist, nach vier Berlin-Romanen möchte man André Kubiczek dringend zu einem Ortswechsel raten. Kopf hoch!VOLKER BREIDECKER
ANDRÉ KUBICZEK: Kopf unter Wasser. Liebesroman. Piper Verlag, München 2009. 239 Seiten, 18 Euro.
Probebühne für aus Asien zurückgekehrte Stadtstreuner: Im Hof des Admirals-Palasts in Berlin Foto: Regina Schmeken
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den Auftakt des vierten Romans von Andre Kubiczek würde Edo Reents gerne zur Revision an den Autor zurücksenden. Über die Gepflogenheiten junger Paare in der Berliner ironischen Republik hat man ja lange nichts gelesen - warum auch, meint Reents. Warum auch, wenn es so klischeeschwer und blutleer daherkommt wie hier. Stilbrüche und Ungenauigkeiten gehen dem Rezensenten zusätzlich auf die Nerven. Doch dann entdeckt Reents das eigentliche Sujet des Buches: die Konfrontation von Milieus, hier: der Uckermärkischen Bier- und Schlachtefeste mit der Berliner Kulturschickeria, in der Kubiczeks Held volontiert. Und siehe da: in der Reflexion "deutsch-deutscher Wendemanöver" gewinnt der Text für Reents erheblich an Kontur. Ein Mord kommt ins Spiel und zivilationskritische Töne, wie sie Reents nicht erwartet hat.

© Perlentaucher Medien GmbH