Kartographie der Psyche
Nach eigener Aussage versucht Stanislav Grof seine philosophischen und spirituellen Einsichten aus vierzig Jahren beruflicher und persönlicher Erfahrung in diesem Buch zusammenzufassen. Er hat sich insbesondere mit außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen
beschäftigt.
Nach seinen Ausführungen sind nicht bei allen Bewusstseinsveränderungen geistige Störungen zu…mehrKartographie der Psyche
Nach eigener Aussage versucht Stanislav Grof seine philosophischen und spirituellen Einsichten aus vierzig Jahren beruflicher und persönlicher Erfahrung in diesem Buch zusammenzufassen. Er hat sich insbesondere mit außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen beschäftigt.
Nach seinen Ausführungen sind nicht bei allen Bewusstseinsveränderungen geistige Störungen zu diagnostizieren. Er klammert eine besondere Art veränderter Bewusstseinszustände aus. Diese bezeichnet er als holotrop („auf Ganzheit ausgerichtet“). Diese Zustände sind verbunden mit Veränderungen aller sinnlichen Wahrnehmungen, heftigen und ungewöhnlichen Emotionen sowie tiefgehenden Änderungen in den Denkprozessen. Die Beschreibungen erinnern stark an mystische Erfahrungen, die es zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte und in allen Teilen der Welt gegeben hat. Wie entstehen holotrope Zustände? Sie können spontan auftreten oder durch rituelle Handlungen hervorgerufen werden. Gezielt eingesetzte Techniken gehören in die Hände erfahrener Therapeuten, da die Wirkungen auf die Psyche nicht zu unterschätzen sind. Menschen, die holotrope Erfahrungen gemacht haben, werden spirituell. Dies ist zur Sinnstiftung im Leben unentbehrlich. Die Naturwissenschaft kann genau dies nicht leisten. Grof sieht in einer einseitigen Weltsicht, dem materialistischen Monismus, die Ursache für die derzeitigen globalen Probleme der Menschheit begründet. Grofs Erfahrungen stehen im Widerspruch zu fundamentalen Thesen der materialistischen Wissenschaft. Danach ist Bewusstsein ein Produkt des Gehirns und kein primäres Seinsprinzip. Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Dualismus tot, da dieser gegen das Prinzip des universellen Wirkungszusammenhangs aller Dinge und Zustände verstößt. Wie kann der immaterielle Geist auf die physikalische Welt einwirken? Die Auffassung der Wissenschaft ist Stanislav Grof bekannt. Er bewegt sich mit seinen Erklärungsansätzen nicht nur in einer Grauzone zwischen Wissenschaft und Religion, sondern er weicht auch von der modernen Psychiatrie ab, die mystische Erfahrungen eher der Kategorie Geisteskrankheit zuordnet. Im Kern beruft er sich nicht auf im wissenschaftlichen Sinne verifizierbare Erkenntnisse, sondern auf Erfahrungen. Diese dienen neben der wissenschaftlichen Forschung als alternativer Weg der Erkenntnis und sie überzeugen jeden, so Grof, der entsprechende Erfahrungen gemacht hat.
Das Buch ist leicht verständlich und eröffnet interessante Perspektiven. Nicht behandelt wurden mögliche Nebenwirkungen ganzheitlicher Erfahrungen. Sehr aufschlussreich sind die Ausführungen zu den Begriffen „Wissenschaft“, „Spiritualität“ und „Religion“. Es wird deutlich, dass der Autor über ein umfangreiches Wissen verfügt und das auch vermitteln kann.