"Wieder in seinem Apartment, ging er in Gedanken alle Gesichter durch, die er im Treppenhaus gesehen hatte. Da musste der eine oder andere Mann dabei gewesen sein. Nein - oder? Und dieser Schwarm von Teenagern gestern, der sich vor ihm teilte und nach ihm wieder schloss, sodass er einen Augenblick mittendrin stand? Nein, kein einziger Junge. Im dritten Stock bogen die Mädchen in den Korridor ein. Ein unbestimmter Duft hing ihm so lange unter der Nase, bis er das Haus verließ. Lange stritt er die Erkenntnis ab, doch mit einem Mal ließ er sie zu: Ja, nur Frauen. Warum war ihm das nicht früher aufgefallen?"Anton, ein früherer deutscher Soldat, kehrt nach gut fünfzehn Jahren nach Kosovo zurück, wo er 1999 mit der Nato eingerückt war. Er hatte damals vor einer serbischen Kirche Wache gehalten, da Racheakte seitens der Albaner befürchtet wurden. Hier suchte ihn täglich ein albanisches Mädchen auf, das er nun wiederzufinden hofft. An einer schweren Krankheit leidend, hat er sich in denKopf gesetzt, eine verpasste Chance nachzuholen. In der Hauptstadt Prishtina mietet Anton ein Apartment. Erst nach und nach fällt ihm auf, dass in seinem Wohnblock ausschließlich Frauen wohnen. Hier erfährt er von einer feministischen Bewegung, die sich gegen die zählebigen patriarchalen Traditionen richtet. Aus Sicht der rebellierenden Frauen ist die junge, programmatisch diffuse Partei V.! wie gemacht für das Einsickern feministischer Kräfte.Antons Nachbarin ist die attraktive Sunita, die alle paar Tage Besuch von einem älteren Herrn bekommt, einem Franzosen, der für die "Internationalen" arbeitet. Anton lernt auch die ältere Eli kennen, die als Präsidentin der Bewegung bezeichnet wird. Nach leidvollen Erfahrungen im Krieg hat sie eine NGO für Konfliktmanagement gegründet. Die zunehmende Radikalisierung der jüngeren Frauen bereitet ihr Sorgen. Und da ist die intellektuelle Veprore, die von den vereinigten Frauen des Balkan träumt. Plötzlich taucht in den Straßen ein modisches Accessoire auf: Immer mehr Frauen tragen einen Dolch am Gürtel. Die Stichwaffe schmückt, wirkt aber auch bedrohlich. Bei einem von V.! veranstalteten Volksfest kommt es in Prishtina schließlich zum Eklat ...
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Dorothea Marcus findet Ralph Hammerthalers Roman mindestens ungewöhnlich. Über eine feministische Bewegung in Pristina zu schreiben, traut sich nicht jeder. Gut gefällt ihr, dass der Autor nicht als Kenner eines wenig bekannten Landes und seiner weiblichen Freiheitskämpfe auftritt, sondern seinen Erzähler eher naiv beobachtend einer weiblichen Utopie nachspüren lässt. Am besten ist das Buch laut Marcus in seinen atmosphärischen Dialogen und Beobachtungen, weniger überzeugend findet sie es, wenn der Autor sich in historischen Erklärungen versucht. Ach ja, ein bisschen wie eine "melancholische Männerfantasie" erscheint der Roman der Rezensentin schon auch.
© Perlentaucher Medien GmbH
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