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»Ein furioser Roman über das Erwachsenwerden im toten Winkel der Gesellschaft und eine kalte Dusche für lauwarmes Erzählen.« Arno Frank.
Eine Punkband in der Pfälzischen Provinz der Neunzigerjahre - was kann da schon schiefgehen? In seinem unverwechselbaren Ton schreibt Tijan Sila einen humorvoll wilden, zarten Roman über die identitätsstiftende Kraft von Subkulturen. 1998, inmitten der Baseballschlägerjahre, gründet der 18-jährige Gansi mit seinen Freunden in der Kleinstadt Calvusberg die Punkband Pur Jus. Während es seinen Eltern, die vor vielen Jahren aus Bosnien nach Deutschland…mehr

Produktbeschreibung
»Ein furioser Roman über das Erwachsenwerden im toten Winkel der Gesellschaft und eine kalte Dusche für lauwarmes Erzählen.« Arno Frank.

Eine Punkband in der Pfälzischen Provinz der Neunzigerjahre - was kann da schon schiefgehen? In seinem unverwechselbaren Ton schreibt Tijan Sila einen humorvoll wilden, zarten Roman über die identitätsstiftende Kraft von Subkulturen. 1998, inmitten der Baseballschlägerjahre, gründet der 18-jährige Gansi mit seinen Freunden in der Kleinstadt Calvusberg die Punkband Pur Jus. Während es seinen Eltern, die vor vielen Jahren aus Bosnien nach Deutschland gekommen sind, lieber wäre, würde er wie sein älterer Bruder Predrag Chirurg werden und in eine Villa am Heidelberger Neckarufer ziehen, veranstaltet er Radau im heimischen Club Fiasko, tourt durch das tief gespaltene Land vom blitzsauberen Jugendzentrum in Freiburg zum besetzten Haus in Heidenau, lässt sich von einem Fascho die Lippe spalten und von der finsteren Gitarristin Ursel das Herzbrechen. Dann trifft er Katja, die in »Texas« lebt, einem Viertel in Calvusberg, das sogar die Punks fürchten. Sie lernt fürs Abi, ist sehr für gewaltfreie Konfliktlösung und hört lieber Madonna statt Buzzcocks. Gansi ist bis zur geföhnten und blondierten Haartolle verliebt in sie. Alles scheint perfekt - doch bald sind es nicht mehr nur die omnipräsenten Nazis, die für Pur Jus zur Gefahr werden. Tijan Sila führt die Leser_innen ins Herz einer Szene, die er sehr gut kennt: Er zog in den Neunzigerjahren selbst mit seiner Punkband Atlas Lanze durch Deutschland und hat gerade mit seiner neuen Band Korrekte Drinks eine Single aufgenommen.

Autorenporträt
Tijan Sila kam 1981 in Sarajevo zur Welt und emigrierte 1994 mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Germanistik und Anglistik in Heidelberg. Heute lebt er in Kaiserslautern, wo er als Lehrer an einer Berufsschule arbeitet. Im Frühjahr 2017 erschien sein Debütroman 'Tierchen unlimited' bei Kiepenheuer & Witsch, 2018 folgte 'Die Fahne der Wünsche'. Er hört Punkrock, seitdem er als Kind das Video zu dem Ramones-Lied 'I wanna be sedated' gesehen hat und ist Gitarrist der Punkband Korrekte Drinks.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Kevin Hanschke kommt ganz nah ran an die Punkszene der späten 90er in einem pfälzischen Kaff mit Tijan Silas Roman. Aus der eigenen Biografie schöpfend, erzählt der Autor laut Hanschke von der westdeutschen Punksozialisation eines aus Bosnien stammenden Jugendlichen. Hanschke warnt: Da wird gesoffen und geprügelt, was das Zeug hält, aber auch geliebt. Die selbstkritische, selbstironische Erzählhaltung gefällt dem Rezensenten gut. Das Buch findet er authentisch, da Milieubeschreibungen, Slang und Sound stimmen. Und wenn es hart hergeht, findet Sila dafür mitunter sogar einen poetischen Ton, schwärmt Hanschke.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.08.2021

Fast alle deutschen Punks waren Milchbrötchen

In jedem Kapitel eine Prügelei: Tijan Sila lässt in seinem Roman "Krach" die Punk-Kultur der Neunziger zwischen Pfälzerwald und kommunistischer Steppe drastisch wieder aufleben. Der Held ist aber eine zarte Figur.

Gansi ist ein Punk, wie er im Buche steht - Röhrenjeans, blondierte Haare, geschnürte Half-Caps, geföhnte Haartolle, T-Shirts mit Aufnähern, von Bands, die "Kotze, Brot oder Kot" heißen. Wenn er mit "Pur Jus" auf der Bühne steht, ist sein Körper voller Adrenalin. Er singt, nein schreit die Musik heraus. Bassklänge und Gitarrenriffs schrammeln durch den Saal. Das Publikum trinkt billiges Bier. Doch plötzlich gibt es eine blutige Prügelei. Hooligans wollen die Punks "aufmischen". Das Konzert wird gestört.

Gansi ist achtzehn Jahre alt, heißt eigentlich Sabahudin und ist der Ich-Erzähler des Buches "Krach", des dritten Romans von Tijan Sila. Darin schildert der in Bosnien geborene Autor, teilweise fiktional, teilweise autobiographisch, seine eigene Punkerjugend in der westdeutschen Provinz.

Gansi, der aus einer Familie mit bosnischem Migrationshintergrund stammt, lebt in der pfälzischen Kleinstadt Calvusberg. Fast jeden Tag hängt er mit seinen Bandkollegen ab - dem Schlagzeuger Beppo, den er bei einer Schulhofschlägerei kennengelernt hat, als Abiturienten einen Flüchtlingsjungen verprügeln, mit Ursel, Beppos Schwester und Königin der Punkszene, und dem stillen Bassisten Pimrin. Ursel ist die geheimnisvolle Gitarristin und heimliche Leiterin der Gruppe, wird von den anderen scherzhaft "der Band-Hitler" genannt und ist die große Liebe von Gansi. Die Heimspielstätte ist das heruntergerockte "Fiasko". Kein großer, glamouröser Club, sondern ein Untergrund-Szeneladen: "brechend voll, verraucht und laut, der Boden klebrig wie Fliegenpapier".

Friedlich ist das Buch von Sila nicht. In jedem der einundzwanzig Kapitel gibt es mindestens eine Prügelei, ein blaues Auge, eine Wunde mit Naht, Blut. Er erzählt eine Geschichte aus den neunziger Jahren, besser gesagt: dem Baseballschlägerjahr 1998, in denen sich Punks und Nazis jedes Wochenende vor Diskotheken und Jugendzentren Schlägereien lieferten. Dabei zeichnet er den Weg von Gansi zum Erwachsenen nach, erzählt von Liebe, Musik und der Suche nach Anerkennung.

Die Punkband "Pur Jus", die das Buch über einen Zeitraum von einem Jahr durch besetzte Häuser, Ramschkneipen und Abrisspartys begleitet, ist eine Größe in der lokalen Punkszene. Man kennt die vier Mitglieder in der Stadt, und oft treten sie woanders auf, auch in den neuen Bundesländern, wo die Handlung zum Teil spielt. Zunächst haben die vier Vorurteile gegenüber den "Ossis", doch die wandeln sich im Buch zu versöhnlicher Solidarität. "Wie in Calvusberg hatte die geografische Isolation (uns umgab der Pfälzer Wald, sie die kommunistische Steppe) für Skills gesorgt." In den besetzten Häusern von Potsdam, Aue und Gera zeigt sich das "reale Punkerleben". Bei jedem Konzert schwingt die Angst mit, von den örtlichen Nazis oder der Polizei entdeckt zu werden. Dabei ist Silas Buch auch selbstkritisch: "Fast alle westdeutschen Punks waren Milchbrötchen - Gymnasiasten, deren Härte nur Schau war. Das galt umso mehr, wenn sie aus Großstädten kamen."

Gansis Eltern unterstützen ihn, obwohl es ihnen lieber gewesen wäre, dass er wie sein Bruder Predrag Medizin studiert und als Chirurg eine Villa am Heidelberger Neckarufer besitzt. Manchmal hadert er mit seiner migrantischen Herkunft und dem Ehrgeiz seiner Familie, doch eigentlich rebelliert er kaum gegen die familiären Verhältnisse: "Meine Eltern besaßen halt jenen unermüdlichen Fleiß, den man sich nur im Kommunismus aneignen konnte."

Sila hat ähnlich wie sein Protagonist seine Wurzeln in Bosnien-Herzegowina. Er kam 1981 in Sarajevo zur Welt und emigrierte 1994 mit seiner Familie nach Deutschland. In Heidelberg studierte er Germanistik und Anglistik. Heute lebt er in Kaiserslautern, wo er als Lehrer an einer Berufsschule mit Jugendlichen arbeitet. 2017 erschien sein Debütroman "Tierchen unlimited", 2018 folgte "Die Fahne der Wünsche". Zum Punkrock habe er seit seiner Kindheit ein enges Verhältnis. Als er das Video zu dem Ramones-Lied "I Wanna Be Sedated" erstmals sah, sei das für ihn ein "Erweckungsmoment" gewesen. Seitdem hat er selbst in Bands gespielt und kennt die Szene, über die er schreibt. Als er so alt wie sein Protagonist Gansi war, tourte er mit der Band "Atlas Lanze" durch Deutschland. Aktuell ist er Gitarrist bei "Korrekte Drinks". Das macht den Roman so authentisch, genauso wie die Sprache, mit der Sila spielt.

Die Gruppe mit ihren liebevoll nachgezeichneten Charakteren spricht einen Slang aus Pfälzisch, Anglizismen und Punk-Begriffen, und immer wieder macht der Autor sich mittels dieser Sprache auch über seine eigene Herkunft lustig. Andere Jugendliche, die ihnen nicht passen, werden von den Punks als "Tschukkekahler" beschimpft. Die verhassten französischen Punks von der anderen Seite der Grenze nennen die Calvusberger "Wackes". Selbst Prügeleien beschreibt er poetisch. "Das Blut tropft von seinem Kinn, von der Nasenspitze, selbst von seinen Ohrläppchen: Schwarze Punkte auf dem Schnee." Politisch korrekt waren die Punks der neunziger Jahre nicht. Doch Gansi wandelt sich im Laufe des Buches. Er verliebt sich in Katja, Tochter eines Franzosen und einer Sinteza, und hat keine Lust mehr auf Prügeleien. Ohnehin ist Gansi eine sehr zarte Männerfigur. Er denkt sehr viel über sich selbst nach und geht offen mit seinen Gefühlen um. Er hasst die Gewalt, aber genießt auch die Schlägereien, weil sie wie ein Rausch für ihn sind. Auch den Sinn in seinem Leben findet er zumindest am Ende des Buches ein "bissl", wie es im pfälzischen Dialekt heißt und auf fast jeder Seite vorkommt. Die rasante Sprache macht das Buch unglaublich lustig, fast slapstickhaft, aber auch melancholisch. Die Punkszene wirkt darin manchmal wie ein Museumsgegenstand.

Sila beschreibt auch detailreich die sozialen Milieus seiner Figuren und wie die unterschiedlichen Subkulturen der Neunzigerjahre in Familien explosiv aufeinandertrafen. Beispielsweise anhand von Ursel, die aus einfachsten Verhältnissen stammt und die "die Schlauste in der Klasse war", aber nicht studieren konnte und eine Ausbildung zur Friseurin macht. Sie hat einen Bruder, der ein gewaltbereiter Nazi ist, aber von dem sie sich dennoch nicht abwendet. Gansi wiederum hasst Studenten und Abiturienten - "verbiesterte Wichser aus guten Elternhäusern, die gerne Schwächere demütigten" -, obwohl er selbst einer ist. Doch mit den bürgerlichen Konventionen seiner Mitschüler will er nichts zu tun haben. Identität findet er in seiner Punk-Peer-Group. Silas Buch beschreibt hier die Seele von Punk - die Überwindung der sozialen Barrieren, von Klassen-und Schichtzugehörigkeiten. Es ist eine Ode an die Subkultur, die gemeinsame Suche nach Identität und den Zusammenhalt, der über die Musik entstehen kann. KEVIN HANSCHKE.

Tijan Sila: "Krach". Roman.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021. 270 S., geb., 20,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Aufs Maul, aber zärtlich: Wunderbarer Punk-Roman aus der Provinz.« Jochen Overbeck musikexpress 20210601