Im Mittelpunkt des vierten Bandes der Edition Emil Kraepelin (1856-1926) steht sein Wirken als Ordinarius für Psychiatrie in Dorpat (Tartu, Estland) von 1886 bis 1891. Die einzige deutschsprachige Universität des russischen Kaiserreichs bot in den 1880er Jahren ein anregendes, aber zugleich bewegtes akademisches Umfeld. Die geographische Lage am Rande der deutschsprachigen Gelehrtenkultur, die heterogene ethnische Zusammensetzung der Studentenschaft, die seit 1889 einsetzende 'Russifizierung' des Bildungswesens und die dadurch hervorgerufene Spaltung des Lehrkörpers machten die Universität zum Schauplatz wachsender Spannungen.Der Briefwechsel und wenig bekannte Publikationen Kraepelins aus seiner Zeit in Dorpat spiegeln nicht nur diese wechselvolle politische und akademische Situation wider, sondern auch die Entstehung seiner wissenschaftlichen Leitideen. Ihre wesentlichen Elemente wurden bereits in Kraepelins Antrittsvorlesung von 1886, aber auch in seinen experimentalpsychologischen Studien deutlich. Darüber hinaus gewähren die Quellen Einblicke in Kraepelins organisatorische und fachliche Arbeit als Direktor der psychiatrischen Universitätsklinik. Dieses - bislang zum größten Teil unveröffentlichte - Material zeigt, dass Kraepelins Tätigkeit in Dorpat als richtungsweisender Abschnitt seiner beruflichen und wissenschaftlichen Entwicklung zu betrachten ist.
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