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Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die alte polnische Königsstadt eine literarische Hochburg. Sie ist es bis heute geblieben und nach wie vor die schönste Stadt Polens. Marta Kijowska erzählt die geistige und kulturelle Geschichte ihrer Heimatstadt.
Schriftsteller und ihre Werke hatten in der Geschichte Polens wie in vielen unterdrückten Ländern eine ganz besondere Bedeutung. Sie sind die Stimme des Volkes, sie sind der Kern der Opposition, sie werden geliebt und verehrt wie Könige. Die meisten von ihnen haben in Krakau gelebt oder leben noch dort - Nobelpreisträger, Nationaldichter,…mehr

Produktbeschreibung
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die alte polnische Königsstadt eine literarische Hochburg. Sie ist es bis heute geblieben und nach wie vor die schönste Stadt Polens. Marta Kijowska erzählt die geistige und kulturelle Geschichte ihrer Heimatstadt.

Schriftsteller und ihre Werke hatten in der Geschichte Polens wie in vielen unterdrückten Ländern eine ganz besondere Bedeutung. Sie sind die Stimme des Volkes, sie sind der Kern der Opposition, sie werden geliebt und verehrt wie Könige. Die meisten von ihnen haben in Krakau gelebt oder leben noch dort - Nobelpreisträger, Nationaldichter, das junge intellektuelle Polen, Kulturschaffende aller Couleur.

Sie haben sich gegen das Diktat der Ideologie gewehrt, sie wehren sich gegen das Diktat der Ökonomie. Sie tun es mit Humor und Esprit. Das hat eine enorme kulturelle Vielfalt zur Folge, von der sich die vielen Gäste aus Deutschland ebenso bezaubern lassen wie von der Schönheit der Stadt: »In Krakau könnte ich mich auf den Markt setzen, zwei Kirchtürme ansehen, ein Stück warmes Brot essen, und vergessen, dass es überhaupt noch etwas anderes gibt als Krakau.« Rolf Schneider
Autorenporträt
Kijowska, Marta
Marta Kijowska, geboren 1955 in Krakau, ist Journalistin, Publizistin, Übersetzerin aus dem Polnischen und Buchautorin. Sie lebt seit Langem in Deutschland und ist oft in Polen. Sie wurde mehrfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Zahlreiche Beiträge in großen Zeitungen, für Hörfunk und Fernsehen zur polnischen Literatur, Kultur und Geschichte sowie Sachbücher und Literaturübersetzungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2006

Zu Besuch bei den Widdern
Wortglaube: Mit Marta Kijowska durch Krakaus Literaturgeschichte

Ein Wort sagt mehr als tausend Bilder. Versuchen Sie's mal hiermit: "przybyszewszczyzna". Mit dieser für ungeschmeidige deutsche Zungen geradezu unaussprechlichen Formel bezeichnet man in Polen das, was andernorts umständlich als düster-morbide Atmosphäre des Fin de siècle umschrieben wird. Das Konsonantenmonstrum geht auf den polnischen Dichter Stanislaw Przybyszewski zurück, der wie kein zweiter in seinen Werken die dämonisch-dekadenten Gemütszustände und den morbiden Zauber der Jahrhundertwende einfing.

Die spektakuläre Ankunft dieses literarischen Fürsten der Finsternis in Krakau 1898 ist der Ausgangspunkt für Marta Kijowskas Spaziergang durch die alte Königsstadt, aus deren verwinkelten Gassen, schummrigen Kellerkabaretten und bürgerlichen Dichterwohnungen seit über hundert Jahren ein einzigartiges literarisches Fluidum strömt, das Besucher wie Bewohner gleichermaßen umfängt. Nirgends, weiß die Autorin, lebt man so sehr von der Einbildungskraft und so wenig von der Realität wie in Krakau.

Auf ihrem literarischen Streifzug sehen wir den kokainsüchtigen Georg Trakl auf einem Bett im Krakauer Garnisonsspital delirieren und Alfred Döblin voller Faszination durch das alte Judenviertel Kazimierz streifen, wir begegnen alten Bekannten wie Czeslaw Milosz und Andrzej Szczypiorski, erleben, wie Wyslawa Szymborska mit ihrem Gedichtband "Rufe an Yeti" erste Erfolge feiert, und lauschen dem Krakauer Kardinal Wojtyla, der vor den Toren Krakaus auf freiem Felde die Weihnachtsmesse zelebriert.

Aber nicht das Wiedererkennen allein macht den Reiz dieses Buches aus, da ist auch das Unbekannte und Exotische, auf das die Autorin mit kundigem Wink unsere Blicke lenkt. Wir besichtigen das Haus, in dem die "berühmteste Hochzeit der polnischen Literatur gefeiert wurde" (in Stanislaw Wyspianskis Drama "Hochzeit" nämlich), und werfen einen Blick in den "Grünen Luftballon", das erste polnische Künstlerkabarett, dessen Ausstattung sich bis heute kaum verändert hat. Marta Kijowska stellt uns die Krakauer Formisten vor, die in den zwanziger Jahren durch spektakuläre öffentliche Aktionen die einheimische Bürgerschaft provozierten, und wir lernen die früh verstorbene Lyrikerin Halina Poswiatowska kennen, die ständigen Krankenhausaufenthalten und Therapien ein lebenshungriges und kompromißloses dichterisches Werk abtrotzte.

Kijowska berichtet vom Spielberg-Tourismus, der seit dem Film "Schindlers Liste" im alten Judenviertel Kazimierz floriert, und erzählt die ergreifende Geschichte von Tadeusz Pankiewicz' "arischer Apotheke", die zur Anlaufstelle für Hilfesuchende und zum gesellschaftlichen Mittelpunkt des jüdischen Ghettos wird. Der Hoffnung auf die befreiende Macht der Literatur konnten auch die düstersten Kapitel der Krakauer Geschichte, die Judenverfolgung im Dritten Reich und die bleierne Zeit des Kommunismus, nichts anhaben, im Gegenteil. "Ich hatte den Glauben an das Wort verloren", schrieb der Schriftsteller Stanislaw Jerzy Lec einmal, "die Zensur gab ihn mir wieder." Das mag erklären, warum in dieser Stadt vom dichterischen Wort ein geradezu mystischer Reiz ausgeht, der im Vergleich zur abgeklärten Geschäftigkeit des westlichen Literaturbetriebs altmodisch erscheinen mag.

Es ist ein Zauber, dem sich auch die Krakau besuchende amerikanische Journalistin Martha Gellhorn nicht entziehen konnte, als sie eines Abends im berühmten "Keller zu den Widdern" einer Kabarettaufführung beiwohnte: "Ich verstand kein Wort", schrieb Gellhorn später, "und doch erschien mir alles ungewöhnlich, zauberhaft, witzig. Wie ein Wunder! Es war Winter, sie hatten schlechte Kleidung und kein Geld, doch sie waren so heiter, so lebhaft, so voller Humor."

MALTE HERWIG

Marta Kijowska: "Krakau". Spaziergang durch eine Dichterstadt. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005. 240 S., br., 15,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Geradezu schwärmerisch referiert Rezensent Malte Herwig seine Lesereise durch das Krakau der Schriftsteller, wie es Marta Kijowska in ihrem literarischen Reiseführer ausmalt. In wohl keiner anderen Stadt, schwärmt der Rezensent, habe das "dichterische Wort" einen solch "mystischen Reiz" wie in Krakau. Als Belege verweist er auf den Fin-de-Siecle-Autor Stanislaw Przybyszewski, dessen Name für deutsche Zungen so rätselhaft sei wie seine Bücher dämonisch; oder auf Stanislaw Jerzy Lec, der der kommunistischen Zensur die Wiederauferstehung seines Glaubens an das Wort verdanke. Überhaupt der Glaube, er spukt, glaubt man Rezensent und Autorin, durch alle Gassen Krakaus, mal in Gestalt des Kardinals Wojtyla oder dank eines Alfred Döblin, der in den zwanziger Jahren "voller Faszination" das alte Judenviertel Kazimierz erkundet habe. Das heute seine traurige Renaissance dank eines weltweiten "Spielberg-Tourismus" auf den Spuren des Films "Schindlers Liste" erlebe. Viele Dichternamen, so der Rezensent, seien alte Bekannte, aber noch mehr gebe es zu entdecken. Als glaubhaften Beweis von Krakaus literarischem "Zauber" zitiert er eine amerikanische Journalistin, die ihre Eindrücke als eine Art "Wunder" verstehe, ohne ein einziges polnisches Wort zu verstehen.

© Perlentaucher Medien GmbH