Blick ins BuchDer Kredit gilt gemeinhin als neutrale Transaktion, die dazu dient, ökonomische Akteure möglichst effizient und profitabel miteinander zu vernetzen. In der realistischen Erzählliteratur des 19. Jahrhunderts zeichnet sich jedoch ein ganz anderes Bild ab: Kreditfiktionen von Autorinnen und Autoren wie Honoré de Balzac, Gustave Flaubert, George Eliot, Gottfried Keller oder Herman Melville präsentieren den Kredit als volatile und ruinöse Fiktion, die soziale Reibungen und Konflikte erzeugt und die Realität selbst in ein verkäufliches Gut ummünzt. So kristallisiert sich in Texten des Realismus ein wildes Wissen über die ontologischen, epistemologischen und gesellschaftlichen Verwerfungen der Schuldenwirtschaft heraus.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Lothar Müller liest Philippe Roepstorff-Robianos Dissertation über das Thema Schulden und Kredit in der Literatur auch als Hintergrundinfo zum Wirecard-Skandal. Das laut Müller "glänzend" verfasste Buch führt ihn aber vor allem durch Werke von Balzac, Keller, Melville und Zola, um zu zeigen, wie die Finanzwelt und ihre komplexen Operationen jeweils ästhetisch umgesetzt werden. Wenn der Dandy im Roman sein Eis schlürft, denkt Müller fortan darüber nach, wie er das finanziert, und in Madame Bovary erkennt er die "ideale Schuldnerin". Für diese Erweiterung des Blicks ist Müller dem Autor dankbar.
© Perlentaucher Medien GmbH
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