Wie viele Geheimnisse verträgt ein Leben?
Nach Kriegsende werden der vierzehnjährige Nathaniel und seine Schwester von den Eltern in London zurückgelassen. Der geheimnisvolle »Falter« und dessen zwielichtige Freunde kümmern sich fortan fürsorglich um sie. Wer aber sind diese Menschen wirklich? Als die Mutter wie aus dem Nichts wieder zurückkehrt, sagt sie nur: »Meine Sünden sind vielfältig.« Mehr gibt sie nicht preis. Als er erwachsen ist, beginnt Nathaniel die geheime Vergangenheit seiner Mutter Rose alias Violet aufzuspüren - einer Spionin im Kalten Krieg.
Nach Kriegsende werden der vierzehnjährige Nathaniel und seine Schwester von den Eltern in London zurückgelassen. Der geheimnisvolle »Falter« und dessen zwielichtige Freunde kümmern sich fortan fürsorglich um sie. Wer aber sind diese Menschen wirklich? Als die Mutter wie aus dem Nichts wieder zurückkehrt, sagt sie nur: »Meine Sünden sind vielfältig.« Mehr gibt sie nicht preis. Als er erwachsen ist, beginnt Nathaniel die geheime Vergangenheit seiner Mutter Rose alias Violet aufzuspüren - einer Spionin im Kalten Krieg.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2018Genuss für die Freunde feiner Filetarbeiten
Ein Künstler schafft die subtilsten Textgewebe: Michael Ondaatjes neuer Roman "Kriegslicht" bietet all das, was diesen Autor so faszinierend macht.
Der Romantitel klingt nach Sparmaßnahme, Notration oder Verdunkelung. Kriegslicht kann man sich nicht hell und klar vorstellen. Tatsächlich spielt Beleuchtungstechnik eine starke Rolle und folgt, wie sich bald erweist, einer subtilen Lichtregie: von der "submarinen Beleuchtung" eines Restaurants über das schwarzweiße Flackern der Gesichter eines Kinopublikums oder den Widerschein von Gewitterblitzen auf der Haut beim jugendlichen Sex bis hin zum Schein der Kerze, mit dem Jahre später der Erzähler seinen Versuch beschreibt, das Erlebte, aber kaum Begriffene, aus dem Dunkel der Vergangenheit zu holen: "als schriebe ich bei Kerzenlicht. Als könnte ich nicht sehen, was im Dunkel jenseits der Bewegung dieses Stifts geschieht. Als wären es Momente ohne Zusammenhang."
Doch mit den Titeln hat es bei Michael Ondaatje eine Bewandtnis, man muss sie überdenken und, je mehr man von der Geschichte erfährt, neu verstehen lernen. So trägt etwa der Titelheld seines Welterfolgs "Der englische Patient" die nationale Bezeichnung nicht etwa, weil er Engländer ist, sondern weil er sich vorübergehend in englischer Pflege befindet - eine Zuschreibung von außen also, die seine wahre Identität lange Zeit verdeckt. "Der englische Patient" erschien vor 25 Jahren und hat kürzlich, nach öffentlichem Votum einer internationalen Leserschaft, die Sonderauszeichnung als bester der in fünfzig Jahren mit dem Booker-Preis geehrten Romane erhalten. In seiner Dankesrede erklärte der Autor, dass er sein Erfolgsbuch seit Erscheinen selbst nicht mehr gelesen habe. Mit "Kriegslicht" aber knüpft er unverkennbar daran an, als wollte er dessen packende Geschichte aus verschobener Perspektive noch einmal erkunden - eine Rückkehr in die vierziger Jahre, in eine Nachkriegswelt von offenen Wunden, voller Minen und Ruinen, Spione und Schmuggler, Rächer und Missionen. Ein erzählerischer Glücksfall. Ein Triumph.
Er beginnt mit einem Aufbruch. Im Sommer 1945 erklären die Eltern, dass sie beruflich für ein Jahr nach Singapur müssen und ihre beiden Teenager in London für diese Zeit in die Obhut eines "Kollegen" (wie sie ihn vertrauensstiftend nennen) übergeben wollen. Der vierzehnjährige Nathaniel und seine etwas ältere Schwester fügen sich anfänglich in ihr Schicksal, auch wenn sie dem "Kollegen", der binnen kurzem eine ganze Schar zweideutiger Gestalten ins Haus bringt, allerhand Verbindungen in die Halb- und Unterwelt zutrauen. Doch dann mehren sich die Zeichen, dass ihnen etwas vorgemacht werden soll. Im Keller findet sich der Überseekoffer, der für die angebliche Fernostreise gepackt worden war; vom Vater gibt es künftig keine Lebenszeichen, doch die Mutter taucht, wie es scheint, hin und wieder flüchtig auf, auch wenn es Nathaniel nie gelingt, sie sicher zu erkennen oder anzusprechen.
Er ist mit seiner Pubertät beschäftigt, mit Schulproblemen, Jobs als Liftboy, Küchenjunge oder Schmuggelhelfer und vor allem mit seiner ersten Liebe. Erst durch eine dramatische Zuspitzung zeigt sich plötzlich, in welch tödlicher Gefahr er die ganze Zeit gelebt hat und wie sehr sich seine Mutter zu Recht um die Kinder sorgen musste. Vierzehn Jahre später, als die Mutter nicht mehr lebt, der Vater längst verschollen und der Kontakt zur Schwester abgerissen ist, beginnt Nathaniel, den Spuren der verlorenen Familie nachzugehen und aus Archiven, Fotos, Tonbändern oder Erinnerungen Stück für Stück zu sammeln, was ihm helfen mag, das Vorgefallene zu begreifen und die düsteren Nachkriegswirren, in die er seinerzeit geraten ist, allmählich zu entwirren.
So setzt der Roman nach einem guten Drittel abermals an und wandelt sich von einer Adoleszenzgeschichte zu einer melancholischen Spionageerzählung, die allerdings mit jeder Wendung, statt das Dunkle zu erhellen, nur immer weitere Düsternisse freilegt. Wie sich herausstellt, war die Mutter jahrelang im Auftrag des britischen Geheimdiensts tätig, musste in Italien und andernorts heikle Missionen übernehmen, die womöglich nicht durchgehend moralischer Bewertung standhalten, und hat den Rückzug ins Privatleben, nach dem sie sich so sehnte, nie mehr richtig vollziehen können. Ihr Deckname lautet "Viola", vielleicht nach einer Shakespeare-Heldin, deren verzweifelter Stoßseufzer in diesem Roman vielfach widerhallt: "O Zeit, du selbst entwirre dies, nicht ich. / Ein zu verschlungener Knoten ist's für mich."
Uns Lesern wird das ständige Entwirren und neuerliche Verknoten bald zur größten Lust. Denn zunehmend geraten wir in die Funktion dieses Erzählers, aus verstreuten Bruchstücken etwas zu formen und die ganze Wahrheit, die sich stets entzieht, versuchsweise zusammenzusetzen. Und wie bei Nathaniel das Erinnern fast unmerklich ins Erzählen übergeht, bis der Spurensucher zum Erfinder der Geschichte wird, die er doch lediglich rekonstruieren wollte, so geraten auch wir unversehens ins Fabulieren und stellen uns nur zu gern vor, dass und wie die losen Enden, die beim episodischen Erzählen bleiben, sich verknüpfen könnten.
So gewinnt bald auch der Titel einen anderen Sinn. Alle kriegsbedingte Verdunkelung ist nicht einfach Taktik oder Tarnung, sondern produktive Kraft und Antrieb zum Erzählen: "Wir ordnen unser Leben dank kaum näher ausgeführter Geschichten. Als hätten wir uns in einer verwirrenden Umgebung verlaufen und sammelten nun, was unsichtbar und unausgesprochen war", erklärt Nathaniel zum Ende. Durchweg erscheint er als akribischer Erzähler, der sich redlich müht, jeden Fetzen des Vergangenen, den er zu fassen bekommt, festzuhalten und mit den anderen, die er schon gesammelt hat, zu einem größeren Zusammenhang zu fügen, buchstäblich zu vernähen, um sich mit dieser Patchwork-Technik allmählich dem Gesamtbild anzunähern. "Stitch" lautet daher schon der Kosename, den seine Mutter ihm verleiht und der auf diese Tätigkeit vorausweist. Doch wie so oft bei Ondaatje, gewinnt seine Geschichte ihre magisch-suggestive Macht aus dem, was sich gerade nicht zusammenbringen oder vernähen lässt, was sie verbirgt oder verschweigt und allenfalls zwischen den Zeilen - oder Stichen - zu verstehen gibt. Die Stärke seines Werks ist hier wie stets das Flickwerk.
"Kriegslicht" ist Ondaatjes siebter Roman in mehr als fünf Jahrzehnten literarischer Arbeit, die mit Gedichtveröffentlichungen begann. Bei der Lektüre gewinnt man abermals den Eindruck, dass der kanadische Autor weiterhin lyrische Texte schreibt, da er dem erzählerischen Gestus, durch Worte einen großen Weltentwurf zu schaffen, misstraut und durch Aussparungen, Andeutungen und Nuancen bleibende Wirkung erzeugt. Das gilt zumal - und das ist deutschsprachigen Lesern ein zusätzlicher Lustgewinn - für Anna Leubes Übersetzung, die mit herrlichem Registerreichtum und Gespür arbeitet, viele schöne, rare Wörter findet - "Fender", "Priel", "vernestelte Beziehungen" - und dennoch niemals auftrumpft; dabei gelingt es ihr bisweilen sogar, lyrische Akzente zu setzen, wo der Ausgangstext eher prosaisch daherkommt, etwa wenn sie für das unbestimmte Morgengrauen - im Englischen steht "unrecorded hour" - die wunderbare Formulierung "die Stunde zwischen Tau und Tag" bietet.
Denn solche Zwischenstufen sind es, Grautöne, unmerkliche Übergänge sowie feinste Abschattierungen, die "Kriegslicht" derart faszinierend anreichern, dass man die Dämmerungsszenarien, die hier entstehen, schier nicht mehr aus dem Sinn bekommt. Wer also von Ondaatje vor allem opulente Bilder aus Anthony Minghellas Filmversion des "Englischen Patienten" im Gedächtnis hat, der sollte diesen Roman unbedingt lesen; alle anderen wissen ohnehin, dass der wahre Triumph dieses Autors dort entsteht, wo andere nur tristes Dunkel jenseits der Beleuchtung finden. Wenn sich die Königlich Schwedische Akademie in nächster Zeit wieder auf ihre Arbeit konzentrieren und die Entscheidungsfindung für den Literaturnobelpreis in seriöse Bahnen lenken sollte, wird sie an Ondaatjes Werk schwer vorbei können.
TOBIAS DÖRING
Michael Ondaatje:
"Kriegslicht". Roman.
Aus dem Englischen von Anna Leube. Hanser Verlag, München 2018.
320 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Künstler schafft die subtilsten Textgewebe: Michael Ondaatjes neuer Roman "Kriegslicht" bietet all das, was diesen Autor so faszinierend macht.
Der Romantitel klingt nach Sparmaßnahme, Notration oder Verdunkelung. Kriegslicht kann man sich nicht hell und klar vorstellen. Tatsächlich spielt Beleuchtungstechnik eine starke Rolle und folgt, wie sich bald erweist, einer subtilen Lichtregie: von der "submarinen Beleuchtung" eines Restaurants über das schwarzweiße Flackern der Gesichter eines Kinopublikums oder den Widerschein von Gewitterblitzen auf der Haut beim jugendlichen Sex bis hin zum Schein der Kerze, mit dem Jahre später der Erzähler seinen Versuch beschreibt, das Erlebte, aber kaum Begriffene, aus dem Dunkel der Vergangenheit zu holen: "als schriebe ich bei Kerzenlicht. Als könnte ich nicht sehen, was im Dunkel jenseits der Bewegung dieses Stifts geschieht. Als wären es Momente ohne Zusammenhang."
Doch mit den Titeln hat es bei Michael Ondaatje eine Bewandtnis, man muss sie überdenken und, je mehr man von der Geschichte erfährt, neu verstehen lernen. So trägt etwa der Titelheld seines Welterfolgs "Der englische Patient" die nationale Bezeichnung nicht etwa, weil er Engländer ist, sondern weil er sich vorübergehend in englischer Pflege befindet - eine Zuschreibung von außen also, die seine wahre Identität lange Zeit verdeckt. "Der englische Patient" erschien vor 25 Jahren und hat kürzlich, nach öffentlichem Votum einer internationalen Leserschaft, die Sonderauszeichnung als bester der in fünfzig Jahren mit dem Booker-Preis geehrten Romane erhalten. In seiner Dankesrede erklärte der Autor, dass er sein Erfolgsbuch seit Erscheinen selbst nicht mehr gelesen habe. Mit "Kriegslicht" aber knüpft er unverkennbar daran an, als wollte er dessen packende Geschichte aus verschobener Perspektive noch einmal erkunden - eine Rückkehr in die vierziger Jahre, in eine Nachkriegswelt von offenen Wunden, voller Minen und Ruinen, Spione und Schmuggler, Rächer und Missionen. Ein erzählerischer Glücksfall. Ein Triumph.
Er beginnt mit einem Aufbruch. Im Sommer 1945 erklären die Eltern, dass sie beruflich für ein Jahr nach Singapur müssen und ihre beiden Teenager in London für diese Zeit in die Obhut eines "Kollegen" (wie sie ihn vertrauensstiftend nennen) übergeben wollen. Der vierzehnjährige Nathaniel und seine etwas ältere Schwester fügen sich anfänglich in ihr Schicksal, auch wenn sie dem "Kollegen", der binnen kurzem eine ganze Schar zweideutiger Gestalten ins Haus bringt, allerhand Verbindungen in die Halb- und Unterwelt zutrauen. Doch dann mehren sich die Zeichen, dass ihnen etwas vorgemacht werden soll. Im Keller findet sich der Überseekoffer, der für die angebliche Fernostreise gepackt worden war; vom Vater gibt es künftig keine Lebenszeichen, doch die Mutter taucht, wie es scheint, hin und wieder flüchtig auf, auch wenn es Nathaniel nie gelingt, sie sicher zu erkennen oder anzusprechen.
Er ist mit seiner Pubertät beschäftigt, mit Schulproblemen, Jobs als Liftboy, Küchenjunge oder Schmuggelhelfer und vor allem mit seiner ersten Liebe. Erst durch eine dramatische Zuspitzung zeigt sich plötzlich, in welch tödlicher Gefahr er die ganze Zeit gelebt hat und wie sehr sich seine Mutter zu Recht um die Kinder sorgen musste. Vierzehn Jahre später, als die Mutter nicht mehr lebt, der Vater längst verschollen und der Kontakt zur Schwester abgerissen ist, beginnt Nathaniel, den Spuren der verlorenen Familie nachzugehen und aus Archiven, Fotos, Tonbändern oder Erinnerungen Stück für Stück zu sammeln, was ihm helfen mag, das Vorgefallene zu begreifen und die düsteren Nachkriegswirren, in die er seinerzeit geraten ist, allmählich zu entwirren.
So setzt der Roman nach einem guten Drittel abermals an und wandelt sich von einer Adoleszenzgeschichte zu einer melancholischen Spionageerzählung, die allerdings mit jeder Wendung, statt das Dunkle zu erhellen, nur immer weitere Düsternisse freilegt. Wie sich herausstellt, war die Mutter jahrelang im Auftrag des britischen Geheimdiensts tätig, musste in Italien und andernorts heikle Missionen übernehmen, die womöglich nicht durchgehend moralischer Bewertung standhalten, und hat den Rückzug ins Privatleben, nach dem sie sich so sehnte, nie mehr richtig vollziehen können. Ihr Deckname lautet "Viola", vielleicht nach einer Shakespeare-Heldin, deren verzweifelter Stoßseufzer in diesem Roman vielfach widerhallt: "O Zeit, du selbst entwirre dies, nicht ich. / Ein zu verschlungener Knoten ist's für mich."
Uns Lesern wird das ständige Entwirren und neuerliche Verknoten bald zur größten Lust. Denn zunehmend geraten wir in die Funktion dieses Erzählers, aus verstreuten Bruchstücken etwas zu formen und die ganze Wahrheit, die sich stets entzieht, versuchsweise zusammenzusetzen. Und wie bei Nathaniel das Erinnern fast unmerklich ins Erzählen übergeht, bis der Spurensucher zum Erfinder der Geschichte wird, die er doch lediglich rekonstruieren wollte, so geraten auch wir unversehens ins Fabulieren und stellen uns nur zu gern vor, dass und wie die losen Enden, die beim episodischen Erzählen bleiben, sich verknüpfen könnten.
So gewinnt bald auch der Titel einen anderen Sinn. Alle kriegsbedingte Verdunkelung ist nicht einfach Taktik oder Tarnung, sondern produktive Kraft und Antrieb zum Erzählen: "Wir ordnen unser Leben dank kaum näher ausgeführter Geschichten. Als hätten wir uns in einer verwirrenden Umgebung verlaufen und sammelten nun, was unsichtbar und unausgesprochen war", erklärt Nathaniel zum Ende. Durchweg erscheint er als akribischer Erzähler, der sich redlich müht, jeden Fetzen des Vergangenen, den er zu fassen bekommt, festzuhalten und mit den anderen, die er schon gesammelt hat, zu einem größeren Zusammenhang zu fügen, buchstäblich zu vernähen, um sich mit dieser Patchwork-Technik allmählich dem Gesamtbild anzunähern. "Stitch" lautet daher schon der Kosename, den seine Mutter ihm verleiht und der auf diese Tätigkeit vorausweist. Doch wie so oft bei Ondaatje, gewinnt seine Geschichte ihre magisch-suggestive Macht aus dem, was sich gerade nicht zusammenbringen oder vernähen lässt, was sie verbirgt oder verschweigt und allenfalls zwischen den Zeilen - oder Stichen - zu verstehen gibt. Die Stärke seines Werks ist hier wie stets das Flickwerk.
"Kriegslicht" ist Ondaatjes siebter Roman in mehr als fünf Jahrzehnten literarischer Arbeit, die mit Gedichtveröffentlichungen begann. Bei der Lektüre gewinnt man abermals den Eindruck, dass der kanadische Autor weiterhin lyrische Texte schreibt, da er dem erzählerischen Gestus, durch Worte einen großen Weltentwurf zu schaffen, misstraut und durch Aussparungen, Andeutungen und Nuancen bleibende Wirkung erzeugt. Das gilt zumal - und das ist deutschsprachigen Lesern ein zusätzlicher Lustgewinn - für Anna Leubes Übersetzung, die mit herrlichem Registerreichtum und Gespür arbeitet, viele schöne, rare Wörter findet - "Fender", "Priel", "vernestelte Beziehungen" - und dennoch niemals auftrumpft; dabei gelingt es ihr bisweilen sogar, lyrische Akzente zu setzen, wo der Ausgangstext eher prosaisch daherkommt, etwa wenn sie für das unbestimmte Morgengrauen - im Englischen steht "unrecorded hour" - die wunderbare Formulierung "die Stunde zwischen Tau und Tag" bietet.
Denn solche Zwischenstufen sind es, Grautöne, unmerkliche Übergänge sowie feinste Abschattierungen, die "Kriegslicht" derart faszinierend anreichern, dass man die Dämmerungsszenarien, die hier entstehen, schier nicht mehr aus dem Sinn bekommt. Wer also von Ondaatje vor allem opulente Bilder aus Anthony Minghellas Filmversion des "Englischen Patienten" im Gedächtnis hat, der sollte diesen Roman unbedingt lesen; alle anderen wissen ohnehin, dass der wahre Triumph dieses Autors dort entsteht, wo andere nur tristes Dunkel jenseits der Beleuchtung finden. Wenn sich die Königlich Schwedische Akademie in nächster Zeit wieder auf ihre Arbeit konzentrieren und die Entscheidungsfindung für den Literaturnobelpreis in seriöse Bahnen lenken sollte, wird sie an Ondaatjes Werk schwer vorbei können.
TOBIAS DÖRING
Michael Ondaatje:
"Kriegslicht". Roman.
Aus dem Englischen von Anna Leube. Hanser Verlag, München 2018.
320 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Eltern verschwinden, zwei Geschwister sind in London auf sich zurückgeworfen. Behutsam erzählt, aus Sicht der Kinder." Susanne Mayer, Die Zeit, 22.11.18
"Ein poetischer Agentenroman voller Spannung und überraschender Wendungen, erzählt von einem absoluten Könner." Zeit Literatur, 41/2018
"Das ist eine wirkliche literarische Tat ... Sehr, sehr empfehlenswert." Denis Scheck, ARD Druckfrisch, 07.10.18
"Ondaatje beschreibt atmosphärisch so dicht, dass man gerne mit ihm nach den Bruchstücken welcher Wahrheit auch immer sucht. Der kanadische Schriftsteller ist eben ein Großmeister seiner Zunft". Antje Weber, Süddeutsche Zeitung, 08.09.18
"Bereits Ondaatjes erster Satz packt den Leser und wird ihn 300 Seiten lang nicht mehr loslassen: 'Im Jahr 1945 gingen unsere Eltern fort und ließen uns in der Obhut zweier Männer zurück, die möglicherwiese Kriminelle waren.'" Sigrid Löffler, Ö1 Ex libris, 02.09.18
"Ondaatjes Roman liest sich wie eine verspätete, fabelhafte B-Seite des 'englischen Patienten': Wieder ist es eine große Erzählung über das Trauma des Krieges und die Träume danach." Christoph Farkas, Stern, 30.08.18
"Die Ondaatje-Atmosphäre nimmt einen in 'Kriegslicht' erneut gefangen." Sacha Verna, NZZ am Sonntag, 26.08.18
"Ein packender Roman von der ersten bis zur letzten Seite." Sigrid Löffler, Deutschlandfunk Kultur, 23.08.18
"Ein atmosphärisch starkes Buch, das auch von den unausgesprochenen Traumata des Krieges erzählt." Christoph Schröder, Deutschlandfunk, 20.08.18
"Es sind Zwischenstufen, Grautöne, unmerkliche Übergänge sowie feinste Abschattierungen, die 'Kriegslicht' derart faszinierend anreichern." Tobias Döring, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.18
"Sensationell. Ein richtig aufregendes Thema." Thea Dorn, ZDF Literarisches Quartett, 10.08.18
"'Kriegslicht' ist ein Roman großer literarischer Könnerschaft, mit der Routine eines brillanten Autors geschrieben." Thomas E. Schmidt, Die Zeit, 09.08.18
"Michael Ondaatje fühlt sich als Autor wohl im Dunkel, dort wo unter der Oberfläche des für alle Sichtbaren eine zweite Welt existiert, in der sich seine Figuren bewegen ... Wir haben es mit Agenten zu tun. Mit Menschen, die verschlüsselte Botschaften senden ... Wenn Ondaatje loserzählt, wachsen seinem Roman Flügel." Verena Lueken, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.08.18
"Je länger Sie ihn lesen, desto wacher werden Sie es tun. Es sind so viele Schönheiten in diesen Text eingewoben ... Ein Glücksgefühl." Arno Widmann, Frankfurter Rundschau, 11.08.18
"Der Roman hat nur gut 300 Seiten, aber wirkt erfüllend wie ein Epos, der das Wesen einer Ära einfängt."Anne Haeming, Spiegel Online, 11.08.18
"Ein poetischer Agentenroman voller Spannung und überraschender Wendungen, erzählt von einem absoluten Könner." Zeit Literatur, 41/2018
"Das ist eine wirkliche literarische Tat ... Sehr, sehr empfehlenswert." Denis Scheck, ARD Druckfrisch, 07.10.18
"Ondaatje beschreibt atmosphärisch so dicht, dass man gerne mit ihm nach den Bruchstücken welcher Wahrheit auch immer sucht. Der kanadische Schriftsteller ist eben ein Großmeister seiner Zunft". Antje Weber, Süddeutsche Zeitung, 08.09.18
"Bereits Ondaatjes erster Satz packt den Leser und wird ihn 300 Seiten lang nicht mehr loslassen: 'Im Jahr 1945 gingen unsere Eltern fort und ließen uns in der Obhut zweier Männer zurück, die möglicherwiese Kriminelle waren.'" Sigrid Löffler, Ö1 Ex libris, 02.09.18
"Ondaatjes Roman liest sich wie eine verspätete, fabelhafte B-Seite des 'englischen Patienten': Wieder ist es eine große Erzählung über das Trauma des Krieges und die Träume danach." Christoph Farkas, Stern, 30.08.18
"Die Ondaatje-Atmosphäre nimmt einen in 'Kriegslicht' erneut gefangen." Sacha Verna, NZZ am Sonntag, 26.08.18
"Ein packender Roman von der ersten bis zur letzten Seite." Sigrid Löffler, Deutschlandfunk Kultur, 23.08.18
"Ein atmosphärisch starkes Buch, das auch von den unausgesprochenen Traumata des Krieges erzählt." Christoph Schröder, Deutschlandfunk, 20.08.18
"Es sind Zwischenstufen, Grautöne, unmerkliche Übergänge sowie feinste Abschattierungen, die 'Kriegslicht' derart faszinierend anreichern." Tobias Döring, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.18
"Sensationell. Ein richtig aufregendes Thema." Thea Dorn, ZDF Literarisches Quartett, 10.08.18
"'Kriegslicht' ist ein Roman großer literarischer Könnerschaft, mit der Routine eines brillanten Autors geschrieben." Thomas E. Schmidt, Die Zeit, 09.08.18
"Michael Ondaatje fühlt sich als Autor wohl im Dunkel, dort wo unter der Oberfläche des für alle Sichtbaren eine zweite Welt existiert, in der sich seine Figuren bewegen ... Wir haben es mit Agenten zu tun. Mit Menschen, die verschlüsselte Botschaften senden ... Wenn Ondaatje loserzählt, wachsen seinem Roman Flügel." Verena Lueken, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.08.18
"Je länger Sie ihn lesen, desto wacher werden Sie es tun. Es sind so viele Schönheiten in diesen Text eingewoben ... Ein Glücksgefühl." Arno Widmann, Frankfurter Rundschau, 11.08.18
"Der Roman hat nur gut 300 Seiten, aber wirkt erfüllend wie ein Epos, der das Wesen einer Ära einfängt."Anne Haeming, Spiegel Online, 11.08.18
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
In Michael Ondaatjes Roman "Kriegslicht" geht es laut Rezensent Arno Widmann um den Sohn einer Geheimdienstagentin im Britannien der Nachkriegszeit, der erst spät entdeckt, warum er und seine Schwester immer wieder bedroht wurden und zu ihrem eigenen Schutz bei zwielichtigen Freunden der Familie aufwachsen mussten. Außerdem handele das Buch von einem Freeclimber, der nachts auf Londoner Häuserfassaden anderen Adrenalinsüchtigen begegne. Gerade weil der Roman von Extremsituationen erzählt, kann er umso besser zeigen, wie die Menschen wirklich sind, findet der Rezensent. Außerdem hat ihn die liebevolle Komposition der Geschichte mit ihren vielen Bezügen und Rückbezügen stark beeindruckt. Eine klare Empfehlung ist dem begeisterten Rezensenten fast zu wenig, er sieht den Roman als regelrechtes Muss.
© Perlentaucher Medien GmbH
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