Paul Léautaud, ein Kritiker, von dem Walter Benjamin die allerhöchste Meinung hatte, und einer der großartigsten Tagebuchautoren der Weltliteratur, empfand den Krieg und die deutsche Besatzung als eine schändliche Vergewaltigung seiner geliebten französischen Sprache und Kultur. Über seine Landsleute hingegen machte er sich keine Sorgen. Im Gegensatz zur Sprache, die er mit ihnen teilte, waren sie ihm herzlich egal. Dieser von Hanns Grössel herausgegebene Kriegsausschnitt aus dem großen Tagebuch von 1893 bis 1956 hat es folglich in sich: Léautaud betrachtete die Franzosen unter deutscher Besatzung wie ein böser Kater von der Sorte, mit denen er sich in seinem Haus umgab, wo er mit Tieren von der Straße zusammenlebte. Seine virtuose Misanthropie riss Léautaud zu radikalen Urteilen hin. Aber das macht diese geschliffenen Apercus und Beobachtungen des Pariser Lebens im Krieg umso interessanter.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Lediglich als "Gelegenheit, mit einem hierzulande kaum recht angekommenen Autor bekannt zu werden" ist das von Hans Gössel edierte "Kriegstagebuch" Paul Leautauds dem Rezensenten Helmut Mayer eine Empfehlung wert. Wer aber ein tieferes Interesse hege, müsse schon zum Original greifen, da der Herausgeber starke Kürzungen vorgenommen habe, deren Kenntlichmachung er obendrein versäumte, klagt Mayer. Dessen ausführliche und wohlinformierte Kritik spart nicht an Details zum Leben und Wirken Leautauds. Das vorliegende Journal aus den den Jahren 1939-1945 stellt lediglich einen Ausschnitt aus einem lebenslangen Tagebuchprojekt des französischen Schriftstellers und Theaterkritikers dar, in Frankreich seit den Sechzigern publiziert auf mehreren tausend Seiten, wie Mayer mitteilt. Von dieser Arbeit könne man sich anhand des vom Herausgeber zusammengestutzen Exzerpts kaum ein Bild machen, dafür immerhin von der schillernden Persönlichkeit Leautauds, schreibt der Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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