"Es geht mir also um eine Geschichte der Handlungs- und Verhaltensformen der Christenheit, jenseits aller institutionellen und konfessionellen Schranken. Ich schreibe die Geschichte der unentwegten Verschränkung von sogenannter weltlicher und geistlicher Politik, samt den säkularisierten Folgen dieser Religion ...
Ich schreibe die Geschichte der klerikalen Kriminalität bei privater Bereicherung, beim Ämterschacher, beim frommen Betrug, im Wunder- und Reliquienkult, bei den verschiedensten Arten der Fälschungen etc., etc. Kurzum: Ich schreibe eine Geschichte des Verbrechens in der ganzen Breite des staatlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens der Christenheit." (Karlheinz Deschner)
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Ich schreibe die Geschichte der klerikalen Kriminalität bei privater Bereicherung, beim Ämterschacher, beim frommen Betrug, im Wunder- und Reliquienkult, bei den verschiedensten Arten der Fälschungen etc., etc. Kurzum: Ich schreibe eine Geschichte des Verbrechens in der ganzen Breite des staatlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens der Christenheit." (Karlheinz Deschner)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.1999Böser Mann, böser Mann!
Gibt es eine langweiligere Darstellung des hohen Mittelalters durch einen lebenden Autor als diese? Was Karlheinz Deschner im sechsten Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" bietet, ist einerseits eine phantasiearme Kompilation des konventionellen Tatsachenwissens über das elfte und zwölfte Jahrhundert, andererseits das einsinnige Pamphlet eines Atheisten, der nicht einmal den Toten ihren Glauben gönnt (Karlheinz Deschner: "Kriminalgeschichte des Christentums". Band 6: "Elftes und Zwölftes Jahrhundert. Von Kaiser Heinrich II., dem "Heiligen" (1002), bis zum Ende des Dritten Kreuzzugs (1192). Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999. 656 S., geb., 54,- DM). Deschner hat die historischen Sachverhalte nach der neuen Forschungsliteratur zwar im Wesentlichen richtig wiedergegeben und wenigstens hie und da, freilich nur zur Illustration, auch mittelalterliche Quellen in deutscher Übersetzung benutzt, aber er trug seinen manischen Hass aufs Christentum an diesen Stoff heran und las nur das heraus, was sich ihm fügte. Nirgendwo zeigt sich die Angst des Historikers vor dem ungerechten Urteil, und nie wird der Leser durch skrupulöses Abwägen des Autors gefangengenommen. Eine zentrale Figur der Zeit wie Papst Gregor VII., dessen religiöse Antriebe - auch zum gewalttätigen Handeln - neuerdings immer wieder herausgearbeitet wurden, hatte nach Deschner "nur ein Ziel: Macht, Macht, Macht". Der Schlichtheit solcher Behauptungen entspricht die Lieblosigkeit der Sprache mit ihren manchmal groben Neologismen (so soll Erzbischof Anno von Köln ein "Brutalist" gewesen sein). Dabei wäre es durchaus aller Mühen wert, danach zu fragen, ob - wie in der Forschung behauptet wird - das Hochmittelalter wirklich eine Zeit der Christianisierung der Gesellschaft gewesen ist oder nicht? Und ob man denn die Christen vergangener Zeiten moralisch überhaupt objektiv beurteilen könne oder sie nach dem Wort eines sensiblen Historikers "dem höchsten Richter überlassen" müsse? Deschner erreicht die Tiefenschichten seines Themas auch deshalb nicht, weil er sich für das religiöse Leben des Alltags gar nicht interessiert. Von Mönchen und Nonnen, von Bauern und Stadtbewohnern ist bei ihm so gut wie nie die Rede. Ein anderer gravierender Mangel, der mit seinem im ganzen konventionellen Geschichtsbild zusammenhängt, liegt darin, dass er vom Christentum des elften und zwölften Jahrhunderts nur die europäische Mitte in sein Gesichtsfeld zieht. Die damals noch neu missionierte Welt Skandinaviens und Osteuropas bleibt ebenso ausgeklammert wie die schismatisch vom Westen getrennte Christenheit in Byzanz; ja selbst den europäischen Westen mit England und Irland, Frankreich und Spanien übergeht der Autor fast vollständig. Für eine Revision der angeblich herrschenden "positiven" Geschichte des Christentums im mittelalterlichen römisch-deutschen Reich, um die es ihm also tatsächlich geht, fehlt seinem Werk jedoch die intellektuelle und moralische Kraft, die er für sich für fie zahlreichen Invektiven gegen Andersdenkende in Anspruch genommen hat.
MICHAEL BORGOLTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gibt es eine langweiligere Darstellung des hohen Mittelalters durch einen lebenden Autor als diese? Was Karlheinz Deschner im sechsten Band seiner "Kriminalgeschichte des Christentums" bietet, ist einerseits eine phantasiearme Kompilation des konventionellen Tatsachenwissens über das elfte und zwölfte Jahrhundert, andererseits das einsinnige Pamphlet eines Atheisten, der nicht einmal den Toten ihren Glauben gönnt (Karlheinz Deschner: "Kriminalgeschichte des Christentums". Band 6: "Elftes und Zwölftes Jahrhundert. Von Kaiser Heinrich II., dem "Heiligen" (1002), bis zum Ende des Dritten Kreuzzugs (1192). Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999. 656 S., geb., 54,- DM). Deschner hat die historischen Sachverhalte nach der neuen Forschungsliteratur zwar im Wesentlichen richtig wiedergegeben und wenigstens hie und da, freilich nur zur Illustration, auch mittelalterliche Quellen in deutscher Übersetzung benutzt, aber er trug seinen manischen Hass aufs Christentum an diesen Stoff heran und las nur das heraus, was sich ihm fügte. Nirgendwo zeigt sich die Angst des Historikers vor dem ungerechten Urteil, und nie wird der Leser durch skrupulöses Abwägen des Autors gefangengenommen. Eine zentrale Figur der Zeit wie Papst Gregor VII., dessen religiöse Antriebe - auch zum gewalttätigen Handeln - neuerdings immer wieder herausgearbeitet wurden, hatte nach Deschner "nur ein Ziel: Macht, Macht, Macht". Der Schlichtheit solcher Behauptungen entspricht die Lieblosigkeit der Sprache mit ihren manchmal groben Neologismen (so soll Erzbischof Anno von Köln ein "Brutalist" gewesen sein). Dabei wäre es durchaus aller Mühen wert, danach zu fragen, ob - wie in der Forschung behauptet wird - das Hochmittelalter wirklich eine Zeit der Christianisierung der Gesellschaft gewesen ist oder nicht? Und ob man denn die Christen vergangener Zeiten moralisch überhaupt objektiv beurteilen könne oder sie nach dem Wort eines sensiblen Historikers "dem höchsten Richter überlassen" müsse? Deschner erreicht die Tiefenschichten seines Themas auch deshalb nicht, weil er sich für das religiöse Leben des Alltags gar nicht interessiert. Von Mönchen und Nonnen, von Bauern und Stadtbewohnern ist bei ihm so gut wie nie die Rede. Ein anderer gravierender Mangel, der mit seinem im ganzen konventionellen Geschichtsbild zusammenhängt, liegt darin, dass er vom Christentum des elften und zwölften Jahrhunderts nur die europäische Mitte in sein Gesichtsfeld zieht. Die damals noch neu missionierte Welt Skandinaviens und Osteuropas bleibt ebenso ausgeklammert wie die schismatisch vom Westen getrennte Christenheit in Byzanz; ja selbst den europäischen Westen mit England und Irland, Frankreich und Spanien übergeht der Autor fast vollständig. Für eine Revision der angeblich herrschenden "positiven" Geschichte des Christentums im mittelalterlichen römisch-deutschen Reich, um die es ihm also tatsächlich geht, fehlt seinem Werk jedoch die intellektuelle und moralische Kraft, die er für sich für fie zahlreichen Invektiven gegen Andersdenkende in Anspruch genommen hat.
MICHAEL BORGOLTE
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Deschner ist ein moderner Aufklärer, der noch immer der Vernunft vertraut und in der Entzauberung des Mythos vom seligen und seligmachenden Christentum nicht die Notwendigkeit eines neuen Mythos sieht. Dies unterscheidet wohltuend von mancher modernen Kirchenkritik, die dann auf ein wie immer geartetes Christentum setzt. Deschner läßt hier keinen Ausweg. Frankfurter Rundschau