1. Gegenstand der Kriminologie. Kriminologie ist die Lehre vom Verbrechen als Erscheinung im Leben des Volkes und im Leben des einzelnen. Die "Lehre" besteht in einem Beschreiben und Begreiflichmachen. Und was beschrieben und begriffen werden soll, ist ein bestimmt geartetes menschliches Ver halten: das "Verbrechen". Das Verbrechen ist somit der Ausgangspunkt der Kriminologie. Darin stimmt sie mit der Strafrechtswissenschaft und der Kriminalpolitik über ein. Allein im Gegensatz zu diesen beiden Wissensgebieten ist sie eine Tat sachenwissenschaft, sie lehrt nicht, wie der Richter das Verbrechen zu be handeln, noch wie der Gesetzgeber es zu regeln habe, sie sagt überhaupt nicht, was sein soll, sondern sie sagt, was ist. Als eine Wissenschaft vom Seienden nähert sie sich der Naturwissenschaft auf der einen Seite, der Geschichtswissenschaft auf der anderen. Menschliches Verhalten zu beschreiben und zu erklären, kann sich auch Natur- und Geschichtslehre zur Aufgabe machen. Doch die Kriminologie will nicht, wie die Ge schichte, Einmaliges beschreiben und erklären, sondern strebt nach Typen und Gesetzmäßigkeiten; sie ist nach Rickerts Wortgebrauch: nomothe tisch. Darin stimmt sie mit der Naturwissenschaft überein. Was sie aber auf der anderen Seite von aller Naturforschung abhebt und sie zu ver änderten Verfahrensweisen zwingt, liegt in der Eigentümlichkeit ihres Er kenntnisgegenstandes. Ihr Gegenstand ist nicht eine irgendwie "natür lich" abgegrenzte Gruppe von Vorgängen; ihr Gegenstand ist durch Normen festgelegt. Der Verbrechensbegriff ist ein Rechtsbegriff, das Ver brechen eine bestimmt geartete Reaktion eines Menschen auf eine bestimmt geartete Rechtsordnung.
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