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Der globale Kapitalismus hat seit seiner Entstehung immer schon nicht nur Waren, sondern auch "Rassen" und "Spezies" produziert. Ihm liegt ein rassistisches Denken, eine "schwarze Vernunft" zugrunde, wie der große afrikanische Philosoph und Vordenker des Postkolonialismus Achille Mbembe in seinem brillanten und mitreißenden neuen Buch zeigt. In kraftvollen Linien zeichnet Mbembe die Genese unserer Gegenwart nach, indem er darstellt, wie sich der globale Kapitalismus seit dem Beginn der Neuzeit aus dem transatlantischen Sklavenhandel entwickelt hat. In dieser Zeit steigt Europa zum Zentrum der…mehr

Produktbeschreibung
Der globale Kapitalismus hat seit seiner Entstehung immer schon nicht nur Waren, sondern auch "Rassen" und "Spezies" produziert. Ihm liegt ein rassistisches Denken, eine "schwarze Vernunft" zugrunde, wie der große afrikanische Philosoph und Vordenker des Postkolonialismus Achille Mbembe in seinem brillanten und mitreißenden neuen Buch zeigt.
In kraftvollen Linien zeichnet Mbembe die Genese unserer Gegenwart nach, indem er darstellt, wie sich der globale Kapitalismus seit dem Beginn der Neuzeit aus dem transatlantischen Sklavenhandel entwickelt hat. In dieser Zeit steigt Europa zum Zentrum der Welt auf und kreiert die Figur des "Negers", des "Menschen-Materials", der "Menschen-Ware", die über den "schwarzen Atlantik" gehandelt wird. Mit dem Abolitionismus, der Revolution in Haiti, dem Antikolonialismus oder der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung kommt zwar seit der Aufklärung eine erste globale Welle der Kritik an der Sklaverei und der "schwarzen Vernunft" des Kapitalismus auf. Dieser breitet sich jedoch in seiner neoliberalen Spielart unaufhaltsam weiter aus und überträgt die Figur des "Negers" nun auf die gesamte "subalterne Menschheit". In diesem Prozess des "Schwarzwerdens der Welt", so die radikale Kritik Mbembes, bilden auch Europa und seine Bürger mittlerweile nur noch eine weitere Provinz im weltumspannenden Imperium des neoliberalen Kapitalismus.
Autorenporträt
Mbembe, Achille
Achille Mbembe, geboren 1957, ist ein kamerunischer Historiker und politischer Philosoph. Er zählt zu den Vordenkern des Postkolonialismus. Mbembe lehrt nach Stationen an der Columbia University, der University of California in Berkeley, der Yale University und der Duke University heute an der University of the Witwatersrand in Johannesburg. Für sein Buch Kritik der schwarzen Vernunft wurde Mbembe 2015 mit dem 36. Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den Zusammenhang von Kapitalismus und Rassismus macht der Autor dem Rezensenten überdeutlich. Andreas Eckert lernt mit Achille Mbembes "scharfsichtigem" Blick auf die Welt aber noch mehr. Wie Rassismus ohne Rassen funktioniert etwa, oder dass der Arbeiter längst nicht mehr existiert und vom Arbeitsnomaden abgelöst wurde. Die Entwicklungsgeschichte dieser unrühmlichen Allianz dokumentiert der Kameruner Historiker und Politikwissenschaftler für den Rezensenten mit spitzer Feder, wuchtigen Thesen und großzügiger Linienführung anhand dreier Stadien. Auch wenn Eckert mitunter den Einzelbeleg vermisst, Mbembes Auseinandersetzung mit zentralen Dichtern und Denkern des Postkolonialismus und seine Einsichten zum Kapitalismus findet er so klug wie beunruhigend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2014

Neger heißen heute Arbeitsnomaden
Kapital und Rasse: Achille Mbembe weiß, wie Teile der Menschheit überflüssig wurden

Falsche Bescheidenheit kann man Achille Mbembe nicht vorwerfen. Die wuchtige These seines neuen Buchs besagt, dass dem globalen Kapitalismus, wie er ihm zufolge im fünfzehnten Jahrhundert im Kontext des transatlantischen Sklavenhandels entstand, von Beginn an ein rassistisches Denken, eine "schwarze Vernunft" eingeschrieben war. Der Aufstieg Europas ging demnach einher mit der Schaffung der Figur des "Negers", des "Menschen-Materials", der "Menschen-Ware".

Inzwischen bilde Europa zwar nicht mehr das Gravitationszentrum der Welt, doch die "condition nègre" sei in der durch überbordenden Kapitalismus charakterisierten Gegenwart weiterhin präsent, wenngleich vom Konzept der Rasse entkleidet, nun gleichsam in Gestalt eines "Rassismus ohne Rassen". Die Figur des "Negers" umfasse derweil die gesamte "subalterne Menschheit", also auch Gruppen wie das chinesische Subproletariat.

Um starke Worte und zugespitzte Thesen war Mbembe auch in seinem bisherigen Werk selten verlegen. Der Kameruner Historiker und Politikwissenschaftler gehört zu den wenigen aus Afrika stammenden und weitgehend in Afrika wirkenden Mitgliedern des High Tables der postkolonialen Theorie. Seine Karriere begann mit grundlegenden Studien zum antikolonialen Nationalismus in Kamerun, einem bis heute im Vergleich zu Algerien und Kenia wenig bekannten Kapitel der Gewaltgeschichte der Dekolonisation Afrikas. Er gehörte dann zu den Begründern des wirkmächtigen Konzeptes der "Politik von unten", welches die Rolle und das Handeln der vermeintlich Kleinen und Unwichtigen bei der Herausbildung des Staates in Afrika auszuloten suchte.

Zum leuchtenden Stern am postkolonialen Firmament wurde der akademische Globetrotter Mbembe, der seit einigen Jahren vor allem in Johannesburg lebt und forscht, schließlich durch die Schriften "De la postcolonie" (2000) und "Sortir de la grande nuit" (2010). Im letztgenannten großen Essay betrachtet er Plantage, Fabrik und Kolonie als die historischen Laboratorien für die autoritäre Welt der Gegenwart, die zugleich die Möglichkeit der Begegnung und des Austausches bargen.

Die "Kritik der schwarzen Vernunft" knüpft an viele Ideen und Gedanken des Vorgängerbuches an. Sie bietet eine faszinierende und zugleich irritierende Mischung aus historischer Abhandlung und politisch-philosophischem Manifest. Mbembe unterscheidet drei Phasen der "schwarzen Vernunft" des Kapitalismus: Zunächst transformierte der transatlantische Sklavenhandel Männer und Frauen afrikanischer Herkunft in menschliche Waren und menschliches Geld. Doch zunehmend, Phase zwei, begannen die "Neger", den Status von vollwertigen Subjekten der Menschenwelt einzufordern. Diese Bestrebungen vollzogen sich über zwei Jahrhunderte, fanden ihren Ausdruck etwa in der Unabhängigkeit Haitis, der Abolitionsbewegung, der Dekolonisation Afrikas und kulminierten in der Abschaffung der Apartheid vor rund zwanzig Jahren. Die nach Mbembes Zeitrechnung dritte Phase setzte mit dem Beginn des neuen Milleniums ein. Die Globalisierung der Märkte, die Privatisierung der Welt unter der Ägide des Neoliberalismus sowie die wachsende Komplexität des Finanzsystems, des "postimperialen militärischen Komplexes" sowie der elektronischen und digitalen Technologien seien die Kennzeichen unserer aktuellen Gegenwart.

In dieser Ordnung, so eine seiner Thesen, gebe es keine "Arbeitenden als solche mehr", sondern "nur noch Arbeitsnomaden". Und während "es gestern noch die Tragödie des Subjekts war, vom Kapital ausgebeutet zu werden, ist es heute die Tragödie der vielen, nicht mehr ausgebeutet werden zu können". Entstanden sei eine "überflüssige Menschheit" - die für das Funktionieren des Kapitals unwichtig geworden sei. Mit dieser Beobachtung schießt Mbembe übers Ziel hinaus, obgleich es etwa für Afrika sicher augenfällig ist, dass die Arbeitskraft von immer mehr - nicht zuletzt jungen - Menschen scheinbar nicht mehr gebraucht wird. Es ist für das Buch insgesamt typisch, eher große Linien und Zusammenhänge zu postulieren, als die vertretenen Thesen im Einzelnen zu belegen.

Mbembes Schrift bietet schließlich auch eine aufschlussreiche Auseinandersetzung mit zentralen "schwarzen" Dichtern und Denkern, allen voran mit dem frühverstorbenen Frantz Fanon, dem in postkolonialen Ansätzen sehr präsenten Theoretiker einer antikolonialen Revolution. "Wenn wir Fanon etwas verdanken", schreibt Mbembe, "dann ist es der Gedanke, wonach in jeder menschlichen Person etwas Unbezähmbares, nicht zu Bändigendes steckt, das Herrschaft nicht zu eliminieren, einzudämmen oder vollständig zu unterdrücken vermag." Fanons Werk sei für alle Unterdrückten eine "Waffe aus Feuerstein" gewesen, auch für Nelson Mandela, der unter unerhörten Opfern dazu beitrug, die Abschaffung der Apartheid zu erzwingen. Mandela habe, so Mbembes scharfsinnige Beobachtung, die Welt begeistert, "weil er lebendig aus dem Reich der Schatten zurückkehrte, eine aufschießende Kraft am Abend eines alternden Jahrhunderts".

Die "Kritik der schwarzen Vernunft" ist ein wortmächtiges, zuweilen opakes Buch mit beunruhigenden Einsichten, klugen Thesen, aber auch Passagen wortreich verhüllter Inhaltsleere. Mbembe zeichnet den "globalen Kapitalismus" überwiegend fratzenhaft, betont dessen Zwang und Gewalt und sieht in ihm keinerlei kreative Kraft. Aber nach der Lektüre wird sehr deutlich: Wer vom Kapitalismus redet, der kann von Rassismus und Rasse nicht schweigen.

ANDREAS ECKERT

Achille Mbembe: "Kritik der schwarzen Vernunft".

Aus dem Französischen von Michael Bischoff. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 332 S., geb., 28,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Dieser Denker lädt uns dazu ein, die Geographie der Welt neu zu sehen."
Libération
»Achille Mbembes Text ... reißt seine Leser mit sich in die Vergangenheit und katapultiert sie wieder zurück in die Gegenwart - auf der Suche nach einer Zukunft, die vor dem Hintergrund der Geschichte als äußerst prekär erscheint.« Robin Celikates Neue Zürcher Zeitung 20150827