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Die »Kritik der Tragödie« ist in erster Linie Kritik an der philosophischen Tragödientheorie, die darauf hinausläuft, das tragische Geschehen als notwendig zu behaupten. Der höhere Sinn, den es durch die Theorie empfängt, hat den Preis einer Affirmation des Schicksals: mithin den Preis der Freiheit. Die These der vorliegenden Untersuchung besteht darin, dass die Tragödien das nicht hergeben. Jede Tragödie ist Darstellung und Kritik des Tragischen; sie ist, dem doppelten Sinn des Genitivs folgend, das Medium ihrer Selbstkritik. Die Gattung ist, von ihren griechischen Anfängen bis zu den späten…mehr

Produktbeschreibung
Die »Kritik der Tragödie« ist in erster Linie Kritik an der philosophischen Tragödientheorie, die darauf hinausläuft, das tragische Geschehen als notwendig zu behaupten. Der höhere Sinn, den es durch die Theorie empfängt, hat den Preis einer Affirmation des Schicksals: mithin den Preis der Freiheit. Die These der vorliegenden Untersuchung besteht darin, dass die Tragödien das nicht hergeben. Jede Tragödie ist Darstellung und Kritik des Tragischen; sie ist, dem doppelten Sinn des Genitivs folgend, das Medium ihrer Selbstkritik. Die Gattung ist, von ihren griechischen Anfängen bis zu den späten Produktionen des 20. Jahrhunderts, viel »brechtscher« als ihr Ruf: Brecht selbst, verfangen in die politischen Kämpfe mit dem Einfühlungstheater des 19. Jahrhunderts, mochte nicht wahrhaben, in welchem Grade ihm das klassische Theater der vorbürgerlichen Periode ein Bundesgenosse hätte sein können.Diese These wird an einem Textkorpus durchgeführt, das sich in den weitläufigen Bahnen des Orestie-Stoffs bewegt und von der Aischyleischen 'Orestie' bis zu Hofmannsthal und Heiner Müller reicht. Methodisch lebt die Arbeit aus der Spannung zwischen dem systematischen Ansatz und der Überzeugung, dass es allein der exaktesten philologischen Arbeit gelingen kann, das kritische Potenzial der Tragödie gegen den tragödientheoretischen common sense zu bergen. Eine Reihe grundlegender Neulektüren klassischer Stücke hat sich aus diesem Verfahren ergeben.Das besondere Augenmerk der Untersuchung liegt dabei auf Phänomenen dramatischer Entschleunigung. Angefangen von den Chorliedern, den »songs« der griechischen Tragödie, bildet sich vor allem in ihnen die Tragödie in ein Reflexionsmedium ihrer selbst um. Schicksal, das ist die Zeit in ihrer beschleunigten Form heißt es bei Jean Giraudoux, und so ist es für die tragische Form kennzeichnend, dass die Einheit von Darstellung und Kritik des Schicksals sich im Gegenschnitt von Beschleunigung und Verlangsamung realisiert.
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Autorenporträt
Wolfram Ette geb. 1966, Literaturwissenschaftler. Studium der Allgemeinen Vergleichenden Literaturwissenschaft, Philosophie und Gräzistik in Berlin und Paris. 1995 Abschluss des Studiums mit einer Arbeit über Pindars späte Gedichte. 2000 Promotion über Thomas Manns Josephsromane. Von 2000-2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Chemnitz. 2009 Habilitation an der Technischen Universität Chemnitz. 2010/11 Professurvertretungen in Chemnitz und München.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Brillant" findet Thomas Assheuer diese Studie des Münchner Literaturwissenschaftlers Wolfram Ette, der darin die Geschichte der Tragödie neu schreibt. Nicht in allem mag der Rezensent dem Autor folgen, doch mit Gewinn hat er die Überlegungen allemal gelesen. Ette schreibt gegen Aristoteles' "Poetik" an, die er als Theorie der Tragödie "unhaltbar" findet, da ihre Basis die Unveränderlichkeit von Schicksal und Geschichte sei und damit der ewige Kreislauf von Blut, Gewalt und Opfer. Ette liest die antiken Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides eben nicht als Bestätigung der göttlichen Allmacht und Rechtfertigung ihrer Vergeltungsakte, sondern im Gegenteil: Orest ("Was tun? Die Mutter morden - geb ich's auf?") unterwerfe sich eben nicht mehr dem Schicksal. Auch Ettes Deutung des Hamlet als zentraler Figur der Neuzeit und als "Opferpriester des Nichts" interessiert den Rezensenten. Besonders gut gefällt dem Rezensenten Ettes "gereizter Ton", wenn er gegen das Tragische anschreibt, das allein deshalb bejaht werde, weil es unabänderlich ist. Nicht ganz überzeugend erscheint ihm dagegen der Gedanke, dass sich Tragik auflösen ließe, wenn die Konflikte in Ruhe hätten ausgehandelt werden können, und das Tragische nur noch beschleunigte Zeit sei.

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