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Karl Marx ist zwar seit der Finanzkrise wieder im öffentlichen Bewusstsein als wichtigster und visionärster Kritiker des kapitalistischen Wirtschaftssystems präsent. Bei vielen publizistischen TrägerInnen dieser neuen Marx-Konjunktur fehlt jedoch das Verständnis für den zentralen Stellenwert der Arbeitswertlehre als Basis praktisch aller Hauptthesen des marxschen Theoriegebäudes. Karl Czasny möchte zur Beseitigung dieses Defizits beitragen. Im ersten der beiden Teile seines Buches (Titel: Arbeitswert und Wertgesetz) rekonstruiert er das marxsche Arbeitswertkonzept. Dabei grenzt er dieses…mehr

Produktbeschreibung
Karl Marx ist zwar seit der Finanzkrise wieder im öffentlichen Bewusstsein als wichtigster und visionärster Kritiker des kapitalistischen Wirtschaftssystems präsent. Bei vielen publizistischen TrägerInnen dieser neuen Marx-Konjunktur fehlt jedoch das Verständnis für den zentralen Stellenwert der Arbeitswertlehre als Basis praktisch aller Hauptthesen des marxschen Theoriegebäudes. Karl Czasny möchte zur Beseitigung dieses Defizits beitragen. Im ersten der beiden Teile seines Buches (Titel: Arbeitswert und Wertgesetz) rekonstruiert er das marxsche Arbeitswertkonzept. Dabei grenzt er dieses einerseits gegen den subjektiven Wertbegriff der bürgerlichen Ökonomie ab und verteidigt es andererseits gegen objektivistische Fehlinterpretationen mancher Marxisten. Im zweiten Teil (Titel: Arbeitswert und Krise) skizziert Czasny zunächst die Grundzüge einer auf dem Arbeitswertkonzept fußenden marxistischen Krisentheorie und analysiert sodann mit deren Hilfe die aktuelle Krise der kapitalistischen Gesellschaft und ihre Ursachen mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Autorenporträt
Karl Czasny, Dr. phil., _1949, Philosoph und Soziologe, Forschungsschwerpunkt: Erkenntniskritische Reflexion auf die unterschiedlichen Gegenstandsbereiche und Methoden der Natur- und Sozialwissenschaften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2018

Individuen werden von der Natur nicht gestellt
Wertkritik und Lenins ökonomische Lehren: Zwei neue Bücher über antikapitalistisches Wirtschaften

In der scharfen Vorrede, die er 1995 seiner damals gerade neu aufgelegten brillanten "Theorie des Gebrauchswerts" von 1975 beifügte, spottete der kürzlich verstorbene Wolfgang Pohrt, westdeutsche Universitäten hätten einst Marxismus "meterweise" produziert - "sie produzieren heute anderes", das mache aber keinen Unterschied.

Im Auge gehabt haben dürfte er auch das universitätsnahe Verlagswesen, etwa das Haus Suhrkamp mit seiner Reihe "Gesellschaft. Beiträge zur Marxschen Theorie". Deren Ende hat die Natur von einigem Holzverbrauch befreit, aber auch Einsichten verschüttet, die man im jetzt endlich überstandenen Marx-Jahr manch unbedachter Zitiermaschine gern zwischen die Zahnräder gestopft hätte. Einsichten von Leuten namens Hans-Georg Backhaus etwa, Roswitha Beck oder Friedrich Eberle, die sich die Selbst- und Siegesgewissheit bürgerlicher Volks- und Betriebswirtschaften nicht gefallen ließen, wenn es wieder einmal hieß, die Arbeitswertlehre von Marx sei überholt, in sich widersprüchlich oder empirisch widerlegt, am besten alles zusammen.

Das sogenannte Transformationsproblem - wenn gesellschaftlich durchschnittlich aufgewendete Arbeitszeit das Wertmaß ist, wie entsteht daraus der Preis? - wurde und wird mit Vorliebe in Anschlag gebracht, um die kritische Funktion der Arbeitswertlehre in der Debatte zum Verschwinden zu bringen, also das Kernproblem aller wirtschaftsbezogenen Gedanken bei Marx: Dass das von Menschen nicht zum Eigenverbrauch erzeugte Mehrprodukt, mit dem man etwa Handel treibt und Innovationen finanziert, im kapitalistischen Profit eher verschwindet als darin realisiert zu werden.

Die Unkenntnis dieses Ideenzusammenhangs hält wohl auch übers Marxjahr hinaus an, weswegen man begrüßen muss, dass ein Philosoph und Soziologe noch einmal die wichtigsten aufrichtigen Missverständnisse und absichtlichen Entstellungen rund um die von Marx erarbeitete Version der Arbeitswertlehre in ein Kompendium gegossen und einzeln auseinandergeschraubt hat. "Kritik des Arbeitswerts" heißt das Buch von Karl Czasny. Der ökonomische Teil ist griffig, der philosophische steil: Czasnys Ansatz will das stets kippgefährdete marxistische Gleichgewicht zwischen Dialektik als Analysemethode und Materialismus als deren Unterordnung unter die menschliche Praxis ein wenig zu Lasten des Materialismus ausbalancieren; der Autor betont die Dynamik der Begriffsarbeit stärker als deren Verankerung im politischen Progamm, das Marx mitbrachte.

"Linksradikal" im üblen Sinn des Wortes ist diese "Kritik des Arbeitswerts" jedenfalls nicht; sie springt nirgends von der Wertfrage unvermittelt in die Utopie, in der von heute auf morgen die Gebrauchswerte nicht mehr am kurzen Gängelband der Tauschwerte gewürgt werden sollen. Will man das Tauschwertdiktat wirklich brechen, muss man ansetzen, wo die geschichtsbildende Potenz der Arbeit verschleudert wird, also etwa "den Wettbewerb organisieren", wie Lenin das nannte - als dieser Marx-Kenner herausfinden wollte, wie man es zum Beispiel anfängt, dass Leute nicht nur dann das Alphabet lernen, wenn das Kapital lesende und schreibende Arbeitskräfte braucht, sondern umgekehrt eine Wirtschaftsweise gefunden wird, die als Motor zur Beschleunigung der Bildungsentwicklung genutzt werden kann. Die harten Lektionen, die Lenin und die Bolschewiki dabei lernen mussten, sind Gegenstand der vorbildlich nüchternen, klar gegliederten und zuvorkommend knapp gehaltenen Studie "Lenins ökonomisches Denken nach der Oktoberrevolution" von Vladimiro Giacché.

Wer das Thema kennt, weiß, dass man dazu eher Tausende als Hunderte Seiten lesen kann, eine oft eher masochistische als marxistische Erfahrung, und wird dankbar sein, dass man sich jetzt viel an Literatur sparen kann, weil es Giacchés genialen Blitzkurs gibt.

Dass zum Beispiel - um gleich ein ziemlich anspruchsvolles Problemfeld herzunehmen - auf der stumpfen und blinden Gegenüberstellung "Individuum oder Gesellschaft" kein Segen liegt, weil "das Individuum" in der Natur nicht vorkommt (da ist man auf langweilig nicht-individuelle Biofunktionen reduziert), sondern nur in Gesellschaft, war für Lenin und die Bolschewiki keine abstrakte philosophische Überlegung, sondern geradezu Managementprinzip beim Manövrieren "zwischen Partizipation der Massen bei Entscheidungen und individueller Verantwortung bei der Ausübung exekutiver Funktionen".

Der brutale Kriegskommunismus und danach die liberalere "Neue Ökonomische Politik" waren ein großer Streit ums richtige Vorgehen; die eigenen Leute warfen Lenin dabei oft Abweichlerei vor. Aber der Streit blockierte die Produktion nicht, sondern stimulierte sie - ein erstaunlicher Vorgang, der, wie Giacché in seinem Schlusskapitel zeigt, Echos noch im Konflikt des DDR-Modernisierers Walter Ulbricht mit der Sowjetunion fand und sich im Handeln des Chinesen Deng Xiaoping reproduzierte, über dessen Nachwirkungen heute die Welt staunt.

Giacché ist ein Autor, von dem Linke gerade im von eher träumerischen Traditionen geprägten Deutschland viel lernen können. Seine Publikationsgeschichte hängt hierzulande derzeit von Existenz und Fleiß kleiner linker Verlage ab. Vor vierzig Jahren wäre er ein roter Star der Edition Suhrkamp gewesen, jetzt aber erscheint sein Buch über das Ende der DDR beim Hamburger Laika Verlag und seine Studie über Lenins Wirtschaftskämpfe beim Neue Impulse Verlag, einer 1990 gegründeten GmbH aus dem Umkreis der DKP, die mit Wirtschaftsexpertise tatsächlich mehr Glück hat als mit Zugang zum Publikum (der gescheite Lucas Zeise gehört ja auch dorthin). Marxismus meterweise braucht kein Mensch, aber wer mit Marx millimetergenau denken will, sollte Giacché kennenlernen.

DIETMAR DATH

Vladimiro Giacché: "Lenins ökonomisches Denken nach der Oktoberrevolution".

Aus dem Italienischen von Hermann Kopp. Verlag Neue Impulse, Essen 2018. 144 S., br., 9,80 [Euro].

Karl Czasny: "Kritik des Arbeitswerts". Zum zentralen Begriff der ökonomischen Theorie von Karl Marx.

PapyRossa Verlag, Köln 2018. 291 S., br., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit Karl Czasny lernt Dietmar Dath das antikapitalistische Wirtschaften. Dass der Philosoph und Soziologe sich einiger zählebiger Missverständnisse rund um Karl Marx' Arbeitslehre annimmt, freut den Rezensenten. Griffig erscheint ihm der ökonomische Teil des Buches, während er den philosophischen als gewagt empfindet. Dass der Autor das politische Programm bei Marx zugunsten der Dynamik der Begriffsarbeit etwas in den Hintergrund rückt und an keiner Stelle utopisch wird, scheint Dath durchaus mit Genugtuung festzustellen.

© Perlentaucher Medien GmbH