Spätestens seit den siebziger Jahren gilt Walter Benjamin als Klassiker der Literaturkritik, dessen zahlreiche Rezensionen kanonisch geworden sind. In jüngster Zeit wurden jedoch mehr als 200 Druckseiten umfassende handschriftliche Notizen und Aufzeichnungen entdeckt, darunter Entwürfe der Besprechungen von Bertolt Brecht, Anna Seghers, Max Kommerell, Alfred Polgar und Dolf Sternberger. Sie werden im Rahmen der "Kritischen Gesamtausgabe" nun zum ersten Mal publiziert und ergänzen die bekannten Arbeiten, die ebenfalls erstmals ohne normalisierende Eingriffe und unter Berücksichtigung sämtlicher…mehr
Spätestens seit den siebziger Jahren gilt Walter Benjamin als Klassiker der Literaturkritik, dessen zahlreiche Rezensionen kanonisch geworden sind. In jüngster Zeit wurden jedoch mehr als 200 Druckseiten umfassende handschriftliche Notizen und Aufzeichnungen entdeckt, darunter Entwürfe der Besprechungen von Bertolt Brecht, Anna Seghers, Max Kommerell, Alfred Polgar und Dolf Sternberger. Sie werden im Rahmen der "Kritischen Gesamtausgabe" nun zum ersten Mal publiziert und ergänzen die bekannten Arbeiten, die ebenfalls erstmals ohne normalisierende Eingriffe und unter Berücksichtigung sämtlicher Textzeugen und Varianten geboten werden. Zusammen mit den im Kommentar erschlossenen Fakten zu Benjamins Arbeitsumfeld, seinen Kontakten und Quellen ermöglicht die Edition einen völlig neuen Blick in die Werkstatt des Kritikers sowie eine minutiöse Rekonstruktion seines Arbeitsprozesses. Sie wird so zu einem Kompendium ersten Ranges für jeden, der sich für europäische Literaturgeschichte, Literaturtheorie oder die Theorie und Praxis der Literaturkritik interessiert. Die Rezensionen, so zeigt die Ausgabe, waren lebenslanges Kraftzentrum von Benjamins Denken, der auch als Literaturkritiker seinen genuinen theoretischen Interessen treu blieb. Sie zeigt aber auch, daß das Stereotyp vom ohnmächtigen Melancholiker partiell revidiert werden muß, denn Walter Benjamin war auch dies: ein durchaus zielgerichteter und ebenso streitbarer wie medienerfahrener Publizist.
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Autorenporträt
Benjamin, WalterWalter Benjamin wurde am 15. Juli 1892 als erstes von drei Kindern in Berlin geboren und nahm sich am 26. September 1940 in Portbou/Spanien das Leben. Benjamins Familie gehörte dem assimilierten Judentum an. Nach dem Abitur 1912 studierte er Philosophie, deutsche Literatur und Psychologie in Freiburg im Breisgau, München und Berlin. 1915 lernte er den fünf Jahre jüngeren Mathematikstudenten Gershom Scholem kennen, mit dem er zeit seines Lebens befreundet blieb. 1917 heiratete Benjamin Dora Kellner und wurde Vater eines Sohnes, Stefan Rafael (1918 -1972). Die Ehe hielt 13 Jahre. Noch im Jahr der Eheschließung wechselte Benjamin nach Bern, wo er zwei Jahre später mit der Arbeit Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik bei Richard Herbertz promovierte. 1923/24 lernte er in Frankfurt am Main Theodor W. Adorno und Siegfried Kracauer kennen. Der Versuch, sich mit der Arbeit Ursprung des deutschen Trauerspiels an der Frankfurter Universität zu habilitieren, s
cheiterte. Benjamin wurde nahegelegt, sein Gesuch zurückzuziehen, was er 1925 auch tat. Sein Interesse für den Kommunismus führte Benjamin für mehrere Monate nach Moskau. Zu Beginn der 1930er Jahre verfolgte Benjamin gemeinsam mit Bertolt Brecht publizistische Pläne und arbeitete für den Rundfunk. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten zwang Benjamin, im September 1933 ins Exil zu gehen. Im französischen Nevers wurde Benjamin 1939 für drei Monate mit anderen deutschen Flüchtlingen in einem Sammellager interniert. Im September 1940 unternahm er den vergeblichen Versuch, über die Grenze nach Spanien zu gelangen. Um seiner bevorstehenden Auslieferung an Deutschland zu entgehen, nahm er sich das Leben.
Rezensionen
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Heinz Schlaffer schmunzelt. Die Lektüre von Walter Benjamins Rezensionen, immerhin gut 500 an der Zahl, in dieser Gesamtausgabe seiner Werke auf zwei Bände verteilt, verzwergen nicht den philosophischen Genius Benjamins. Laut Schlaffer fügen sie ihm lediglich eine Nuance hinzu, eine gesellige, witzige und weitschweifige; eine Leitidee zu suchen, erübrigt sich dabei, meint er. Von Rang sind die Texte für ihn dennoch, durch die Fülle der behandelten Gegenstände (Reiseberichte, Romane, Schulbücher u.v.m. bespricht Benjamin), durch Benjamins Unerschrockenheit, seinen Hang zur Polemik, sein aphoristisches Talent, das in Schlaffers Augen soziologisch oder psychologisch Komplexes in ein Bonmot übersetzt. Ganz anders der 1500 Seiten schwere Apparat der Ausgabe. Über dessen Überproportioniertheit ärgert sich Schlaffer. Darin drückt sich für den Rezensenten ein Missverständnis aus, die Bedeutung der Herausgeber betreffend und die von Benjamins Gebrauchstexten.
»Dass das Werk des genialen Menschen Walter Benjamin heute durch diese Edition weiterlebt, ist schon jetzt ein Grund zur Freude. « Alexander Cammann taz. die tageszeitung
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