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Zugegeben, es gibt anziehendere Tiere: Ihre glitschige Haut und ihr von Flecken und Warzen gezeichneter Körper stoßen uns ab, und ihr Leben im Morast mit seiner Aura von Fäulnis und Gestank erinnert uns unfreiwillig daran, wohin wir alle einmal gehen.Dass wir der Kröte weniger mit Abscheu als mit Faszination begegnen sollten, zeigt Beatrix Langner in ihrer kenntnisreichen und eleganten Natur- und Kulturgeschichte des behäbigen Hüpfers. Auf ihrer Krötenwanderung führt sie uns durch Kunst und Literatur, vorbei an den Seziertischen der Wissenschaft sowie in den eigenen Garten und beleuchtet diese…mehr

Produktbeschreibung
Zugegeben, es gibt anziehendere Tiere: Ihre glitschige Haut und ihr von Flecken und Warzen gezeichneter Körper stoßen uns ab, und ihr Leben im Morast mit seiner Aura von Fäulnis und Gestank erinnert uns unfreiwillig daran, wohin wir alle einmal gehen.Dass wir der Kröte weniger mit Abscheu als mit Faszination begegnen sollten, zeigt Beatrix Langner in ihrer kenntnisreichen und eleganten Natur- und Kulturgeschichte des behäbigen Hüpfers. Auf ihrer Krötenwanderung führt sie uns durch Kunst und Literatur, vorbei an den Seziertischen der Wissenschaft sowie in den eigenen Garten und beleuchtet diese schillernden Geschöpfe im Zwischenreich von Trockenem und Feuchtem, Wasser und Land, Männchen und Weibchen. Dass sie ihre fröhliche Vermehrungslust gern mit trillernden und quakenden Klangwelten orchestriert, sollte uns ebenso für sie einnehmen wie die Tatsache, dass sie als Amphibie zu den ältesten und unerschütterlichsten Repräsentanten des Lebens auf der Erde gehört. Ob es uns nun gefällt oder nicht, in jedem von uns steckt - nicht nur evolutionsgeschichtlich - eine Kröte.
Autorenporträt
Beatrix Langner, 1950 geboren, ist Autorin und Literaturkritikerin und lebt in Berlin. Sie veröffentlichte eine Biografie über Jean Paul (C. H. Beck), für die sie den Gleim-Literaturpreis erhielt. Bei Matthes & Seitz Berlin erschien zuletzt ihr Essay Die 7 größten Irrtümer über Frauen, die denken.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.07.2018

Wer ganz unten ist, hat wenig Freunde
Die Buchreihe „Naturkunden“ feiert fünfjähriges Bestehen und liefert eine Ehrenrettung der Kröte
Vor fünf Jahren begannen der Verleger Andreas Rötzer und die Autorin Judith Schalansky eine Lücke im geistigen Leben der Bundesrepublik zu schließen. Sie gründeten im Verlag Matthes und Seitz Berlin die „Naturkunden“ und veröffentlichen in dieser Reihe seither Bücher eines Genres, das im anglo-amerikanischen Raum über eine jahrhundertelange Tradition verfügt, hierzulande aber bis dato ein weniger als stiefmütterliches Dasein fristete. Nature writing nennt sich dieses Genre auf Englisch, und „Naturkunden" ist sicher keine schlechte deutsche Entsprechung.
Es handelt sich dabei um Bücher, die auf literarische, das heißt essayistische bis poetische – nicht akademische – Weise die Natur und unser Verhältnis zu ihr erkunden, Tiere und Pflanzen, Landschaften und die mit ihnen verbundenen Denk- und Vorstellungswelten.
So erschien in den „Naturkunden“ nach fast einem halben Jahrhundert beispielsweise ein Klassiker des Nature writings, der zugleich auch einen Klassiker der englischen Literatur darstellt, J.A. Bakers „Der Wanderfalke“ von 1967. Es erschienen außerdem verwandte Werke wie Nan Sheppards „Der lebende Berg“ oder Annie Dillards „Pilger am Tinker Creek“. Roger Deakin und Robert Macfarlane veröffentlichen hier, und es wurden wunderbare Bildbände über Äpfel und Birnen, über Pilze oder die malerischen Dinosaurierwelten des Zdenek Burian vorgelegt.
Daneben entwickelten Schalansky und Rötzer eine eigene, von deutschen Autoren getragene Porträt-Reihe; darin werden einzelne Tier- und Pflanzenarten reich bebildert dargestellt. Schon die erste Bände, Cord Riechelmanns „Krähen“ und „Esel“ von Jutta Person waren für einen Verlag wie Matthes und Seitz ein relativ großer Erfolg und zeigten damit, dass Rötzer und Schalansky einen Nerv getroffen hatten. In einer Welt, in der die Großstädte immer weiter verdichtet werden und das Land den Bedürfnissen der Agrarindustrie entsprechend weitgehend entnaturalisiert ist, erscheint vielen Menschen das Grün, erscheint ihnen selbst das abseitigste Getier immer wertvoller.
Und so greift man gerne zu den edel gestalteten und doch nicht sonderlich teuren Bänden der „Naturkunden“, so auch zum jüngsten Produkt der Reihe, Beatrix Langners „Kröten“.
Kröten rangieren im Ansehen sicher noch unter dem von Eseln und Krähen, aber vielleicht macht sie gerade das für eine kulturgeschichtliche Erkundung so interessant. „Die Welt aus den Augen der Kröte zu sehen“, schreibt Langner, „heißt, ganz unten zu sein. Und wer ganz unten ist, hat eben wenig Freunde.“ Keine andere Tierfamilie als die der Frösche und Kröten, der Unken und Krötenfrösche sei grausamer zugerichtet worden: „Von Naturforschern aufs Streckbrett genagelt und mit Stromstößen traktiert, von Ärzten als kühlende Pflaster auf Brust und Bauch ihrer Patientinnen gebunden, als lebendes Zellmaterial für Schwangerschaftstests missbraucht, mit ausgestochenen Augen und ausgerissenen Schenkeln gedörrt und lebendigen Leibes ausgeweidet zieht ihre Leidensprozession durch die Jahrhunderte.“
Man kann nach dieser Aufzählung gar nichts anders, als Sympathie mit dem Underdog, dem Underfrog zu empfinden. Ob all der Massaker, die seine Familie seit jeher erdulden musste, war er zudem noch von jedem heilsgeschichtlichen Versprechen ausgeschlossen. Bis weit ins Mittelalter hinein gehörte er einer feuchten und schleimigen, aber nichtsdestotrotz teuflischen Unterwelt an. Für Hildegard von Bingen war die Kröte ein stinkender, böser Heide. Und so warf man Ungläubigen auch vor, bei schwarzen Messen Anus und Maul von Kröten zu küssen.
Die Kröte hatte also manche Kröte zu schlucken. Dabei ist sie ein äußerst faszinierendes und vielgestaltiges Tier. Das zeigt Langner in ihrem stilistisch brillanten Porträt anschaulich. Und das zeigen freilich auch die zahlreichen farbigen Abbildungen von Hieronymus Bosch über Maria Sibylla Merian bis zu den eigens für dieses Buch angefertigten Zeichnungen Falk Nordmanns.
Der neuseeländische Urfrosch etwa gehört zu den ältesten Bewohnern der Erde. Der nur acht Millimeter große Engmaulfrosch ist das überhaupt kleinste Wirbeltier. Es gibt Baumfrösche, die in Bäumen Höhlen bauen und ihre Schwimmhäute als Gleitschirme benutzen, um von Ast zu Ast zu fliegen. Manche Froschlurche springen völlig fertig aus dem Ei, andere wachsen im Maul ihres Vaters heran. Der Krallenfrosch dagegen frisst den Großteil seiner Kinder gleich wieder auf, zumindest die missgestalteten.
Ob er dabei auch nach ästhetischen Kriterien auswählt, ist unklar. Was Farben und Formen angeht, können Frösche und Kröten auf jeden Fall mit Vögeln mithalten, so bunt geht es unter ihnen zu. Da leuchtet sonnenblumengleich der Bauch der Gelbbauchunke, da schillern die Augen der Geburtshelferkröte wie ein LSD-Traum.
Die Gesänge der Kröten sind, wenn auch nicht so betörend wie die einer Nachtigall, so doch von mitunter geradezu meditativer Qualität. Sie liefern weitaus mehr als die Begleitmusik zur Apokalypse – so zumindest erschien ihr Quaken vielen im weltuntergangsseligen Mittelalter, und so könnte es auch manchem in unserer auf Moll gestimmten Gegenwart erscheinen, hörte man dieses mal säuselnde, mal wummernde Quaken nur häufiger. Doch sind die Frösche, Kröten und Unken, die früher die Brunnen und Keller, Dorfteiche und Viehtränken bewohnten, aus unserem Alltag längst verschwunden. Nach der Lektüre von Beatrix Langners Porträt möchte man am liebsten Buße tun und an Krötenwanderwegen Spalier stehen, um die wenigen Verbliebenen sicher über die Straße zu geleiten.
TOBIAS LEHMKUHL
Leider hört man das
mal säuselnde, mal wummernde
Quaken nur noch selten
Beatrix Langner: Kröten. Matthes und Seitz, Berlin 2018. 164 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Tobias Lehmkuhl gerät ins Schwärmen angesichts des neuen, in Zusammenarbeit des Verlegers Andreas Rötzer und der Autorin Judith Schalansky erschienenen Bandes der Reihe "Naturkunden". Überhaupt ist die Reihe für den Kritiker ein Fest des Nature Writings und auch Beatrix Langners Band "Kröten" steht dem in nichts nach, beteuert Lehmkuhl: Vorzüglich gestaltet mit Abbildungen von Hieronymus Bosch bis Maria Sibylla Merian und Zeichnungen von Falk Nordmann lässt sich der Rezensent hier gern in die Untiefen des Krötendaseins führen, liest, wie sie von Ärzten einst als kühlendes Pflaster oder als lebendes Zellmaterial für Schwangerschaftstests missbraucht wurden, bis ins Mittelalter als Teufelswerk betrachtet wurden und dabei nicht nur in hinsichtlich ihrer Farbvielfalt faszinierende Wesen sind. Nach der Lektüre kann man gar nicht anders als "Sympathie mit dem Underfrog" zu haben, meint Lehmkuhl.

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