Alma Mahler, die "femme fatale", die den Verlust ihres Vaters mit einer unüberschaubaren Zahl von Liebhabern aufzuwiegen versucht, Paul Kammerer, der umstrittene Vater der Epigenetik, der das Geheimnis um seine Kröten-Experimente mit ins Grab nimmt, und Oskar Kokoschka, das "enfant terrible" der Wiener Kunst im frühen 20. Jahrhundert, der seinem Liebeskummer mit mehr als unzulänglichen Mitteln beizukommen versucht: die Protagonisten eines skurrilen Ringelspieles. Julya Rabinowich geht der Sehnsucht nach, in der diese drei miteinander verbunden sind. Ein faszinierender Remix historischer Skandale und Begebenheiten zwischen Venedig, Dresden und Wien im Österreich der Jahrhundertwende.
buecher-magazin.de"Das Kaleidoskop ist immer in Bewegung, es bleibt nichts so, wie es gerade ist, die ineinandergleitenden Muster sind unberechenbar", schreibt Julya Rabinowich auf den letzten Seiten ihres Romans. "Krötenliebe" handelt von der Dreiecksbeziehung der Wiener Persönlichkeiten Alma Mahler, dem Künstler Oskar Kokoschka und dem - den wenigsten bekannten - (Kröten-)Forscher Paul Kammerer. Beim Lesen dieses knappen Buchs hat man tatsächlich das Gefühl, durch ein Kaleidoskop zu blicken: Mühelos gleitet man von einer Szene und einer Figur zur nächsten - und das, obwohl es mehrere zeitliche Sprünge, Vor- und Rückblenden gibt. Julya Rabinowich setzt den spannenden Stoff durch ihre dichte, temporeiche, stellenweise fast stakkatoartige Sprache in Szene und schafft es dabei, Begierde, Verlangen und Verzweiflung für den Leser spürbar zu machen. Der Roman spielt überwiegend im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts und ist somit auch ein Porträt eines Teils der Wiener Geschichte, mit Exkursen auf den Semmering, nach Venedig und Dresden. Vorwissen zu den historischen Figuren braucht man nicht, ihre Lebensläufe am Ende sind ein netter Zusatz. Und wenn man dieses Buch ausgelesen hat, möchte man ohnehin gleich googeln und mehr über die Protagonisten erfahren.
© BÜCHERmagazin, Emily Walton
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2016Das Rätsel der Geburtshelferkröte
Das Bild von Alma Mahler-Werfel als männermordender Muse hat sich verfestigt. Julya Rabinowich gewinnt ihm in ihrem Roman "Krötenliebe" ganz neue Facetten ab.
Seit zwanzig Jahren tourt der Schauspieler und Regisseur Paulus Manker mit Joshua Sobols Theaterspektakel "Alma - A Show Biz ans Ende" durch die Welt: drei Kontinente, zwölf Spielorte, nahezu 500 Vorstellungen. Man spielte zum Teil an biographisch bedeutungsvollen Schauplätzen, in einem venezianischen Palazzo etwa oder im Kurhaus Semmering. Das Gebäude war dabei jeweils Hauptdarsteller. Die dramatischen Episoden gingen in verschiedenen Etagen zeitgleich über die Bühne, in der Pause wurde Gustav Mahlers Leichenschmaus für das Publikum zelebriert.
Das Bild der männermordenden Muse hat sich verfestigt und ist gleichwohl zu einer zentralen Projektionsfläche für das Wiener Fin-de-Siècle geworden. Es scheint leichter aufzuzählen, mit welchen Prominenten der Kulturszene Alma nicht verheiratet, nicht liiert war, von welchen sie nicht wenigstens - wie als Mädchen von Gustav Klimt - einen Kuss bekommen hat. Erstaunlicherweise gelingt es Julya Rabinowich in ihrem neuen Roman, diesem sattsam bekannten Bild neue Facetten abzugewinnen, die Femme fatale als auf ihren Vater fixiertes Kind, als Tochter einer ähnlich lebensgierigen Mutter zu zeigen, als unsichere, gehetzte, schutzbedürftige Frau. Das Programm: "Ein Künstler, ein Wissenschaftler, eine Muse. Das Dreieck von Mutter, Vater und Kind. Von Geliebten und Eheleuten. Von Geburt und Tod und dem, was dazwischen liegt. Was dazwischen liegt: Veränderung."
Der wahre Mann ihres Lebens, das erkannte schon der von Gustav Mahler konsultierte Dr. Freud, war Almas Vater, der berühmte Landschaftsmaler Emil Jakob Schindler. Sein früher Tod wird in dieser Deutung zum Schlüsseltrauma für das begabte Mädchen. Seither springt Almas Begehren "unstet von einem Objekt zum anderen. Kein Mann soll sie jemals wieder eigenmächtig verlassen." Doch zu nah darf ihr auch keiner kommen wollen. Das sollte Oskar Kokoschka erfahren. Als Bürgerschreck und "Oberwildling" in der Kunstszene bereits bestens eingeführt, wird er 1912 der Liebhaber von Mahlers vielgeliebter Witwe. Bis 1915 halten die beiden es in einer exzessiven Beziehung aus, obwohl Alma Mahler, die sich parallel mit Walter Gropius einlässt, das gemeinsame Kind zu Kokoschkas Entsetzen abgetrieben hat. Dann flüchtet der Maler vor seiner Obsession in den Weltkrieg, meldet sich als Freiwilliger bei den Dragonern und kauft sich das obligate Pferd überaus sinnfällig mit dem Erlös eines Alma zu verdankenden Meisterwerks: der "Windsbraut".
Rabinowich erzählt die oft erzählte Liebes- und Hassgeschichte zweier extremer Menschen mit unverdrossener Lust an der intimen Auskleidung - und am anekdotischen Detail. Die legendäre Alma-Puppe, die Kokoschka, schwer verwundet und wieder genesen, im letzten Kriegsjahr mit präzisen anatomischen Angaben anfertigen lässt, auf dass sie ihm die verlorene Geliebte in jeder Lebenslage ersetze, verkörpert die Umkehrung des Schöpfungsaktes: Nicht Alma war nun sein Modell, "sondern seine Erinnerung schöpfte sie neu als Skizze, setzte sie aus unzähligen Bruchstücken launischer Momentaufnahmen zusammen". Wie jeder guten Erzählerin ist auch dieser nichts Menschliches fremd, weshalb sie ihren Helden nicht an das Komische verrät, das in jedem Verzweiflungsakt der Liebe steckt. Vielmehr lässt sie Kokoschkas Fetischlust, seine Bizarrerien und Liebeswutanfälle als Notwehr eines Verlassenen begreiflich erscheinen: "Er hatte das Gefühl, Alma zu sezieren, um aus ihr ein Exponat machen zu können, das sich seinem Willen endlich beugen müsste, die Lust, den Schmetterling mit einer Nadel auf weißem Untergrund festzusetzen, war überwältigend (. . .)."
Die Metaphorik des Jagens, Sammelns und Präparierens kommt nicht von ungefähr. In die Jahre vor dem Krieg fällt auch der Auftritt des Zoologen Paul Kammerer auf einer der zahlreichen Nebenbühnen der Almaschen Passionsspiele. Kammerer, der für das Publikum noch weitgehend unterbelichtete Dritte der in "Krötenliebe" porträtierten Trias, ist eine tragische Figur der österreichischen Wissenschaftsgeschichte. Nachdem er sich am "Vivarium", der Wiener Biologischen Versuchsanstalt, einen Namen als Zuchtexperte für Frösche und Kröten erworben und mit seiner gegen Darwin gerichteten Lehre von der Vererbbarkeit erworbener Merkmale Furore gemacht hatte, wurde seine als Sensation gefeierte Entdeckung 1926 im Magazin "Nature" als Fälschung entlarvt: Die Brunftschwielen, die das Männchen der Geburtshelferkröte im Wasser entwickelt hatte, um bei der Paarung nicht abzurutschen, waren nicht vererbt, sondern mit Tinte injiziert worden. Kammerer erschoss sich auf dem Schneeberg nahe Wien.
Die Autorin beansprucht für sich nicht die Lösung des Kriminalrätsels, doch ihre Sympathie gehört dem seltsamen Fanatiker und Tierfreund, dessen Forschung heute von manchen als Pionierleistung der Epigenetik rehabilitiert wird. Mehr als die Frage, wer Paul Kammerer mit dem Tintenattentat angeschwärzt haben könnte, interessieren Rabinowich dessen amphibische Leidenschaft, musikalische Begabung und erotische Ambition: "Ich habe ein Händchen für Kröten, aber keines für Weiber." Kammerers Verhältnis zu Alma war quasi von einer libidinösen Übertragung bestimmt: Er hatte sich im Hause Mahler als Verehrer, man kann fast sagen Stalker des Meisters eingeführt. Nach dessen Tod lenkte er den Strom seiner Liebe flugs auf die Witwe um und brachte sie dazu, ihm eine Zeitlang als Assistentin im Vivarium zur Seite zu stehen. Als einer, der vor ihren Augen schmatzend Mehlwürmer verzehrte und im Café, unbekümmert um fremde Blicke, ihre Sitzgelegenheiten beschnüffelte, wirkte auch Kammerer durch das Faszinosum des Abstoßenden. Wenngleich nicht lange. Man denkt an die Imponderabilien der amphibischen Vereinigung - dauerhaft Halt finden konnte Kammerer bei Alma nicht.
Im Prolog entwirft Rabinowich eine Vorstellung von Zeit, die auf der Ebene der Erzählung dem simultanen Regiekonzept des Paulus Manker entspricht: Zeit nicht als Gerade, sondern als Kreis gedacht, erlaubt das Bild einer ringförmigen Achse, auf der jeder Punkt über das Potential seiner 360 Grad verfügt: "Alles ist zu jedem Augenblick, und nichts ist vergangen." Und so verzichtet die Erzählerin auf ein chronologisches Auffädeln, zerlegt vielmehr ihr Material in Episoden, die im Zeitraum von 1881 bis 2015 bald voraus-, bald zurückgreifen und so ein Bild der Wiener Jahrhundertwende ergeben, das in mancher Überblendung und Ausleuchtung blinder Flecken zu überraschen vermag. Das Profil der Frau, das vor dem Geflecht von Genie, Ehrgeiz, Ruhm, Ekel und Begehren sichtbar wird, bleibt rätselhaft, auch als das einer eingefleischten Antisemitin, die sich zwei jüdische Ehemänner erwählte und dem zweiten, Franz Werfel, ins amerikanische Exil folgte. In "Krötenliebe" entsteht im Wechsel von Muster und Differenz tatsächlich eine Art Kaleidoskop, wie es die Autorin (etwas zu oft explizit) als zweites poetologisches Konzept anbietet. Zwar verwendet Rabinowich brav Einschlägiges wie Alma Mahlers Memoiren und Oliver Hilmes' Biographie, doch sie wuchert wagemutig mit ihren Pfunden und macht daraus ein Stück Literatur, einen knappen Text von atmosphärischer Macht, unmerklich ausgeklügelt, prägnant, unaufdringlich empathisch und von souveräner Ironie.
DANIELA STRIGL
Julya Rabinowich:
"Krötenliebe". Roman.
Deuticke Verlag, Wien 2016. 192 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Bild von Alma Mahler-Werfel als männermordender Muse hat sich verfestigt. Julya Rabinowich gewinnt ihm in ihrem Roman "Krötenliebe" ganz neue Facetten ab.
Seit zwanzig Jahren tourt der Schauspieler und Regisseur Paulus Manker mit Joshua Sobols Theaterspektakel "Alma - A Show Biz ans Ende" durch die Welt: drei Kontinente, zwölf Spielorte, nahezu 500 Vorstellungen. Man spielte zum Teil an biographisch bedeutungsvollen Schauplätzen, in einem venezianischen Palazzo etwa oder im Kurhaus Semmering. Das Gebäude war dabei jeweils Hauptdarsteller. Die dramatischen Episoden gingen in verschiedenen Etagen zeitgleich über die Bühne, in der Pause wurde Gustav Mahlers Leichenschmaus für das Publikum zelebriert.
Das Bild der männermordenden Muse hat sich verfestigt und ist gleichwohl zu einer zentralen Projektionsfläche für das Wiener Fin-de-Siècle geworden. Es scheint leichter aufzuzählen, mit welchen Prominenten der Kulturszene Alma nicht verheiratet, nicht liiert war, von welchen sie nicht wenigstens - wie als Mädchen von Gustav Klimt - einen Kuss bekommen hat. Erstaunlicherweise gelingt es Julya Rabinowich in ihrem neuen Roman, diesem sattsam bekannten Bild neue Facetten abzugewinnen, die Femme fatale als auf ihren Vater fixiertes Kind, als Tochter einer ähnlich lebensgierigen Mutter zu zeigen, als unsichere, gehetzte, schutzbedürftige Frau. Das Programm: "Ein Künstler, ein Wissenschaftler, eine Muse. Das Dreieck von Mutter, Vater und Kind. Von Geliebten und Eheleuten. Von Geburt und Tod und dem, was dazwischen liegt. Was dazwischen liegt: Veränderung."
Der wahre Mann ihres Lebens, das erkannte schon der von Gustav Mahler konsultierte Dr. Freud, war Almas Vater, der berühmte Landschaftsmaler Emil Jakob Schindler. Sein früher Tod wird in dieser Deutung zum Schlüsseltrauma für das begabte Mädchen. Seither springt Almas Begehren "unstet von einem Objekt zum anderen. Kein Mann soll sie jemals wieder eigenmächtig verlassen." Doch zu nah darf ihr auch keiner kommen wollen. Das sollte Oskar Kokoschka erfahren. Als Bürgerschreck und "Oberwildling" in der Kunstszene bereits bestens eingeführt, wird er 1912 der Liebhaber von Mahlers vielgeliebter Witwe. Bis 1915 halten die beiden es in einer exzessiven Beziehung aus, obwohl Alma Mahler, die sich parallel mit Walter Gropius einlässt, das gemeinsame Kind zu Kokoschkas Entsetzen abgetrieben hat. Dann flüchtet der Maler vor seiner Obsession in den Weltkrieg, meldet sich als Freiwilliger bei den Dragonern und kauft sich das obligate Pferd überaus sinnfällig mit dem Erlös eines Alma zu verdankenden Meisterwerks: der "Windsbraut".
Rabinowich erzählt die oft erzählte Liebes- und Hassgeschichte zweier extremer Menschen mit unverdrossener Lust an der intimen Auskleidung - und am anekdotischen Detail. Die legendäre Alma-Puppe, die Kokoschka, schwer verwundet und wieder genesen, im letzten Kriegsjahr mit präzisen anatomischen Angaben anfertigen lässt, auf dass sie ihm die verlorene Geliebte in jeder Lebenslage ersetze, verkörpert die Umkehrung des Schöpfungsaktes: Nicht Alma war nun sein Modell, "sondern seine Erinnerung schöpfte sie neu als Skizze, setzte sie aus unzähligen Bruchstücken launischer Momentaufnahmen zusammen". Wie jeder guten Erzählerin ist auch dieser nichts Menschliches fremd, weshalb sie ihren Helden nicht an das Komische verrät, das in jedem Verzweiflungsakt der Liebe steckt. Vielmehr lässt sie Kokoschkas Fetischlust, seine Bizarrerien und Liebeswutanfälle als Notwehr eines Verlassenen begreiflich erscheinen: "Er hatte das Gefühl, Alma zu sezieren, um aus ihr ein Exponat machen zu können, das sich seinem Willen endlich beugen müsste, die Lust, den Schmetterling mit einer Nadel auf weißem Untergrund festzusetzen, war überwältigend (. . .)."
Die Metaphorik des Jagens, Sammelns und Präparierens kommt nicht von ungefähr. In die Jahre vor dem Krieg fällt auch der Auftritt des Zoologen Paul Kammerer auf einer der zahlreichen Nebenbühnen der Almaschen Passionsspiele. Kammerer, der für das Publikum noch weitgehend unterbelichtete Dritte der in "Krötenliebe" porträtierten Trias, ist eine tragische Figur der österreichischen Wissenschaftsgeschichte. Nachdem er sich am "Vivarium", der Wiener Biologischen Versuchsanstalt, einen Namen als Zuchtexperte für Frösche und Kröten erworben und mit seiner gegen Darwin gerichteten Lehre von der Vererbbarkeit erworbener Merkmale Furore gemacht hatte, wurde seine als Sensation gefeierte Entdeckung 1926 im Magazin "Nature" als Fälschung entlarvt: Die Brunftschwielen, die das Männchen der Geburtshelferkröte im Wasser entwickelt hatte, um bei der Paarung nicht abzurutschen, waren nicht vererbt, sondern mit Tinte injiziert worden. Kammerer erschoss sich auf dem Schneeberg nahe Wien.
Die Autorin beansprucht für sich nicht die Lösung des Kriminalrätsels, doch ihre Sympathie gehört dem seltsamen Fanatiker und Tierfreund, dessen Forschung heute von manchen als Pionierleistung der Epigenetik rehabilitiert wird. Mehr als die Frage, wer Paul Kammerer mit dem Tintenattentat angeschwärzt haben könnte, interessieren Rabinowich dessen amphibische Leidenschaft, musikalische Begabung und erotische Ambition: "Ich habe ein Händchen für Kröten, aber keines für Weiber." Kammerers Verhältnis zu Alma war quasi von einer libidinösen Übertragung bestimmt: Er hatte sich im Hause Mahler als Verehrer, man kann fast sagen Stalker des Meisters eingeführt. Nach dessen Tod lenkte er den Strom seiner Liebe flugs auf die Witwe um und brachte sie dazu, ihm eine Zeitlang als Assistentin im Vivarium zur Seite zu stehen. Als einer, der vor ihren Augen schmatzend Mehlwürmer verzehrte und im Café, unbekümmert um fremde Blicke, ihre Sitzgelegenheiten beschnüffelte, wirkte auch Kammerer durch das Faszinosum des Abstoßenden. Wenngleich nicht lange. Man denkt an die Imponderabilien der amphibischen Vereinigung - dauerhaft Halt finden konnte Kammerer bei Alma nicht.
Im Prolog entwirft Rabinowich eine Vorstellung von Zeit, die auf der Ebene der Erzählung dem simultanen Regiekonzept des Paulus Manker entspricht: Zeit nicht als Gerade, sondern als Kreis gedacht, erlaubt das Bild einer ringförmigen Achse, auf der jeder Punkt über das Potential seiner 360 Grad verfügt: "Alles ist zu jedem Augenblick, und nichts ist vergangen." Und so verzichtet die Erzählerin auf ein chronologisches Auffädeln, zerlegt vielmehr ihr Material in Episoden, die im Zeitraum von 1881 bis 2015 bald voraus-, bald zurückgreifen und so ein Bild der Wiener Jahrhundertwende ergeben, das in mancher Überblendung und Ausleuchtung blinder Flecken zu überraschen vermag. Das Profil der Frau, das vor dem Geflecht von Genie, Ehrgeiz, Ruhm, Ekel und Begehren sichtbar wird, bleibt rätselhaft, auch als das einer eingefleischten Antisemitin, die sich zwei jüdische Ehemänner erwählte und dem zweiten, Franz Werfel, ins amerikanische Exil folgte. In "Krötenliebe" entsteht im Wechsel von Muster und Differenz tatsächlich eine Art Kaleidoskop, wie es die Autorin (etwas zu oft explizit) als zweites poetologisches Konzept anbietet. Zwar verwendet Rabinowich brav Einschlägiges wie Alma Mahlers Memoiren und Oliver Hilmes' Biographie, doch sie wuchert wagemutig mit ihren Pfunden und macht daraus ein Stück Literatur, einen knappen Text von atmosphärischer Macht, unmerklich ausgeklügelt, prägnant, unaufdringlich empathisch und von souveräner Ironie.
DANIELA STRIGL
Julya Rabinowich:
"Krötenliebe". Roman.
Deuticke Verlag, Wien 2016. 192 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Julya Rabinowich hat einen charmanten Roman geschrieben voller Eleganz, Leidenschaft und Erotik. Pflichtlektüre für alle Wien-Touristen." Simone Thielmann, WDR5, 02.04.16
"Ein äußerst elegant geschriebenes Buch." Iris Hetscher, Weser Kurier, 10.04.16
"Vergleichbar virtuos und subtil hat zuletzt Woody Allen in "Was sie schon immer über Sex wissen wollten" über die Liebesbedürfnisse von Tier und Mensch informiert." Peter Jungwirth, Wiener Zeitung, 30.4.16
"Da wird kein Satz hingerotzt, wie es andernorts heute en vogue ist. Jedes Wort wird gemessen, gewogen und für gut genug befunden, hier zu stehen." Clementine Skorpil, Die Presse, 22.5.16
"Ein Sprach- und Bilderkunstwerk, in dem sich Julya Rabinowich auf der Höhe ihrer Kunst zeigt." Cathrin Kahlweit, Süddeutsche Zeitung, 22.05.06
"Rabinowich pendelt gekonnt zwischen kühlem Blick von außen und emotionaler Innensicht, zwischen Analyse der Figuren aus heutiger Sicht und zeitlosem Verständnis einerLiebe zwischen verzweifelter Sehnsucht und fehlgeleiteter Erotik." Christoph Hartner, Kronenzeitung, 15.06.16
"Ein knapper Text von atmosphärischer Macht, unmerklich ausgeklügelt, prägnant, unaufdringlich empathisch und von souveräner Ironie." Daniela Strigl, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.07.16
"Rabinowichschreibt auf Basis der recherchierten Fakten mit fantasievoller Empathie, hintergründigem Humor und mit psychologischem Knowhow, ohne je ins Psychologisieren zu geraten." Eva Schobel, Ö1 ex libris, 17.07.16
"Rabinowich rehabilitiert Alma Mahler-Werfel, die so lange Zeit als Unterleib ohne Dame kleingeredet wurde." Anton Thuswaldner, Salzburger Nachrichten, 29.09.16
"Ein äußerst elegant geschriebenes Buch." Iris Hetscher, Weser Kurier, 10.04.16
"Vergleichbar virtuos und subtil hat zuletzt Woody Allen in "Was sie schon immer über Sex wissen wollten" über die Liebesbedürfnisse von Tier und Mensch informiert." Peter Jungwirth, Wiener Zeitung, 30.4.16
"Da wird kein Satz hingerotzt, wie es andernorts heute en vogue ist. Jedes Wort wird gemessen, gewogen und für gut genug befunden, hier zu stehen." Clementine Skorpil, Die Presse, 22.5.16
"Ein Sprach- und Bilderkunstwerk, in dem sich Julya Rabinowich auf der Höhe ihrer Kunst zeigt." Cathrin Kahlweit, Süddeutsche Zeitung, 22.05.06
"Rabinowich pendelt gekonnt zwischen kühlem Blick von außen und emotionaler Innensicht, zwischen Analyse der Figuren aus heutiger Sicht und zeitlosem Verständnis einerLiebe zwischen verzweifelter Sehnsucht und fehlgeleiteter Erotik." Christoph Hartner, Kronenzeitung, 15.06.16
"Ein knapper Text von atmosphärischer Macht, unmerklich ausgeklügelt, prägnant, unaufdringlich empathisch und von souveräner Ironie." Daniela Strigl, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.07.16
"Rabinowichschreibt auf Basis der recherchierten Fakten mit fantasievoller Empathie, hintergründigem Humor und mit psychologischem Knowhow, ohne je ins Psychologisieren zu geraten." Eva Schobel, Ö1 ex libris, 17.07.16
"Rabinowich rehabilitiert Alma Mahler-Werfel, die so lange Zeit als Unterleib ohne Dame kleingeredet wurde." Anton Thuswaldner, Salzburger Nachrichten, 29.09.16