Der Schauplatz: die Altstadt von Montevideo, mit düsteren Gassen und neugierigen Bewohnern. Der Coup: ein Überfall auf einen gepanzerten Geldtransporter. Die Besetzung: Germán, gescheiterter Entführer mit schwachen Nerven. Ursula López, resolute Hobbykriminelle mit unstillbarem Hunger. El Roto, der Kaputte, berüchtigter Verbrecherboss mit zu viel Selbstvertrauen. Doktor Antinucci, zwielichtiger Anwalt mit großen Plänen. Und schließlich Leonilda Lima, erfolglose Kommissarin mit einem letzten Rest von Glauben an die Gerechtigkeit.
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Absurder Plan
Mercedes Rosende erzählt von
einem Raub mitten in Montevideo
Die elterliche Wohnung hält sie gefangen, die einsame Úrsula López, diese „Wohnung voller alter Sachen, mit ihren Erinnerungen, die sie nicht loslassen, und ihrem sehnsüchtigen Wunsch, endlich wieder einmal durchzuschlafen und im Traum weder der Vergangenheit noch der Zukunft zu begegnen“. Es sind die merkwürdigsten Begegnungen, die Mercedes Rosende in ihrem Roman „Krokodilstränen“ entwickelt, ein Knäuel von Beziehungen und Überschneidungen, in das die unterschiedlichsten Menschen sich verwickeln. Ein Typ, der im Gefängnis war und nun entlassen wird, ein anderer, der, aus der Haft entflohen, ihn unter Druck setzt mit Unerbittlichkeit. Ein Anwalt, stark religiös und machtvoll, der keine Leibesvisite absolvieren muss, wenn er seine Klienten im Gefängnis besucht.
Und Úrsula, die vom Vater so streng bestraft wurde für ihren hemmungslosen Heißhunger und die mit einem Zeiss-Fernrohr das Paar in der Wohnung gegenüber beobachtet und nun einer Frau hinterher ist, die merkwürdigerweise ebenfalls den Namen Úrsula López trägt. An einer unübersichtlichen Entführungsgeschichte waren sie alle einst beteiligt, nun bringt ein geplanter Überfall auf einen Geldtransporter, mitten in der Stadt Montevideo, sie (wieder) zusammen. Das Absurde und Absonderliche sorgt dafür, dass die beiden Genres, das Gangsterstück und der Psychothriller, ganz nahtlos ineinander übergehen.
GÖT
Mercedes Rosende: Krokodilstränen. Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. Unionsverlag, Zürich 2018. 221 Seiten, 18 Euro.
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»Rosende, eine gelernte Juristin, hat eine angenehm lakonische Art. Sie wechselt spielerisch Tempo, Tonlagen und Erzählperspektiven, ohne dass das je manieriert wirkte. Von dieser Erzählerin läse man gerne mehr.« Peter Körte Frankfurter Allgemeine Zeitung