Dieses zarte Büchlein offenbart einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben von Ingrid Bernstein, später dann Sarah Kirsch. Ingrid wächst in den späten 30er Jahren in Thüringen auf. In dem Pfarrhaus, in dem sie geboren wurde, verbringt sie herrliche Kindheitstage. Mit ihrem mürrischen Großvater gelingt
ihr ein freundschaftliches Verhältnis. Gerne blickt sie auf die Zeit in seinem Apfelgarten zurück. Zu…mehrDieses zarte Büchlein offenbart einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben von Ingrid Bernstein, später dann Sarah Kirsch. Ingrid wächst in den späten 30er Jahren in Thüringen auf. In dem Pfarrhaus, in dem sie geboren wurde, verbringt sie herrliche Kindheitstage. Mit ihrem mürrischen Großvater gelingt ihr ein freundschaftliches Verhältnis. Gerne blickt sie auf die Zeit in seinem Apfelgarten zurück. Zu ihrer Mutter pflegte sie eine innige, sehr herzliche Beziehung. 1941 wird Ingrid eingeschult.
Ich erinnere mich, dass sehr viele Kinder in einer Klasse saßen. Über vierzig. Ich war schüchtern und fand alles grauenhaft. Das Beste ist der Schulweg gewesen. Ich ging unter alten Kastanienbäumen, dem Rotdorn, an Ligusterhecken entlang, aber irgendwann kam ich an und musste mich in die Klasse begeben. – Seite 8
Die ersten Jahre in der Schule bereiten Ingrid keine Freude, besonders im Fach Mathematik bleibt sie talentfrei. Sie ist eine genaue Beobachterin ihrer Umgebung. Um sie herum wohnten Nazis, Kommunisten, zu Beginn noch Juden, Lokomotivführer, Lügner, Seefahrer und Diebe. Mit deren Kindern spielte Ingrid leidenschaftlich auf der Straße. Sie bemerkte, dass die Juden verschwanden. Außerhalb der Stadt gab es ein KZ. Die Häftlinge mussten dort arbeiten. Darüber wurde geschwiegen.
Schließlich gelangte der Bazillus des Nationalsozialismus auch bei uns über die Schwelle. – Seite 26
Ingrids anthroposophischer Vater hatte sich den Bazillus eingefangen. 1944 häufen sich die Bombenangriffe. 1949 besucht Ingrid die Oberschule und eine völlig neue Welt eröffnet sich ihr. Sie merkt, dass Bildung etwas ganz Fabelhaftes ist und erfreut sich an Musik, Zeichnen und Literatur. Die alte Ideologie ist verbannt, die neue noch am reifen.
Sarah Kirschs Rückblicke haben trotz der schwerwiegenden Ereignisse etwas sanftes, tröstliches. Ihre Erinnerungen sind klar und ohne Schnörkel, doch schwingt stets eine Portion von liebevollem Optimismus mit.