Wie lebten Künstler in Venedig im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit? Eine Möglichkeit, sich dieser sozialgeschichtlichen Frage anzunähern, bietet die Untersuchung der Mitgliedschaft von Künstlern in den Scuole grandi. Diese besonders prestigeträchtigen religiösen Laienbruderschaften weisen eine sozial und beruflich heterogene Mitgliederstruktur auf und spiegeln somit das komplexe städtische Gesellschaftsgefüge Venedigs wider. Die vorliegende Untersuchung wirft ein neues Licht auf die soziale Stellung und Tätigkeit so namhafter Künstler wie Jacopo Bellini und seine Söhne, Tizian und Tintoretto sowie zahlreiche unbekannte Maler, Bildschnitzer, Bildhauer, Steinmetze, Architekten und Bauunternehmer. Berufliche und bruderschaftliche Tätigkeit greifen ineinander, weil die Scuole grandi auch als Auftraggeber prächtiger Bruderschaftsgebäude und Freskenzyklen in Erscheinung treten. Die umfassende Studie beschreibt Struktur und Gemeinschaftsleben, beleuchtet Kunstpolitik und dieVergabe von Einzelaufträgen und fragt schließlich nach dem Künstlerselbstverständnis anhand des Selbstporträts im Kontext dieser Bruderschaften. Der Band schließt mit einem umfangreichen alphabetischen Katalog aller Mitglieder.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rainer Hoffmann zeigt sich beeindruckt von dieser umfangreichen Studie, mit der die Kunsthistorikerin Gabriele Köster die sechs venezianischen Scuole Grandi und ihre Künstler in den Blick nimmt. Die Scuole Grandi waren Laienbruderschaften, die das geistige und kulturelle Leben im Stadtstaat Venedig maßgeblich bestimmten, erklärt der Rezensent. Die Autorin hat viele bekannte und unbekannte Dokumente ausgewertet und in ihre Untersuchung nicht nur bekannte Künstler wie Tintoretto, oder Bellini eingeschlossen, sondern sage und schreibe 1400 Kunstschaffende, worin auch Steinmetze, Goldschmiede oder Miniaturmaler eingeschlossen sind, so Hoffmann anerkennend. Und so seien der Autorin in ihrer Studie neben einer weit aufgespannten "Sozialgeschichte" der Scuole Grandi auch aufschlussreiche Detailstudien gelungen, rühmt der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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