Das historische Künstlerhommage vereinigte Merkmale des Denkmals und des künstlerischen Selbstporträts, es war sowohl Huldigung als auch dezidierte Selbstdarstellung, es verzeichnete Entwicklungen und Tendenzen, die das Künstlerbewußtsein fundamental berührten und ihre Spur in der Kunsttheorie und Kunstkritik hinterließen. Das Hommage der Zeit von 1860 bis 1950 tat dies mit dem Anspruch, Manifest zu sein, es wollte zu dem Problem Stellung nehmen, das seit den Umwälzungen im 18. Jahrhundert für die bildenden Künste ein neuralgisches war: das Problem der Selbstdefinition im Lichte einer fragwürdig gewordenen Tradition.
Claudia Hattendorff untersucht die Geschichte des historischen Hommage anhand herausragender Einzelbeispiele: des singulären Auftakts des Künstlerhommage um 1860 bei Henri Fantin-Latour und des in Frankreich ab 1900 dann etablierten Hommage bei Maurice Denis, Juan Gris und Fernand Leger.
Claudia Hattendorff untersucht die Geschichte des historischen Hommage anhand herausragender Einzelbeispiele: des singulären Auftakts des Künstlerhommage um 1860 bei Henri Fantin-Latour und des in Frankreich ab 1900 dann etablierten Hommage bei Maurice Denis, Juan Gris und Fernand Leger.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.1999Michelangelo ist nichts dagegen
Claudia Hattendorff zeigt: Auch Künstler, die ihre Meister ehren, wollen insgeheim etwas Größeres sein
Die Verneigung eines Künstlers vor einem Kollegen in einem Freundschafts- oder Memorialbild ist keine Erfindung der Moderne, sondern eine alte Gattung der Malerei. Ob Huldigung oder aber Paragone und Selbstdarstellung: Generationen von Malern verbeugten sich ergeben vor Raffael, wetteiferten mit Leonardo oder verglichen sich neidvoll mit Michelangelo. Im neunzehnten Jahrhundert wurde die Künstlermemoria zur Untergattung der Historienmalerei und trieb überwiegend bizarre und kurzlebige Blüten, die Entzückungen bei den Salonbesuchern auslösten. Den höchst pathetischen Bekenntnissen akademischer Maler zur hohen Kunst begegnete Henri Fantin-Latour in seinem 1864 im Pariser Salon ausgestellten Gemälde "Hommage à Delacroix" mit einer sachlicheren Form der Künstlerehrung, die zugleich als echte Herausforderung der zeitgenössischen Malerei gemeint war. Claudia Hattendorff setzt in ihrer Dissertation zum Thema Künstlerhommage Fantins Gemälde an den Anfang einer neuen Gattung, deren Stationen sie bis in die Postmoderne verfolgt.
Fantins Gemälde versammelt vor Delacroix' Porträt zehn Maler und Intellektuelle, unter ihnen Manet, Baudelaire und Whistler, zu einem gemalten Nekrolog auf einen Meister, dessen Tod im Jahr zuvor kaum Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hatte. Fantin ging es, wie Hattendorff zeigt, um die Rehabilitation Delacroix' durch Fortführung der romantischen Kunst seitens einer jungen Künstlergeneration. Vor allem aber setzte sich der ambitionierte Maler bereits zu Lebzeiten ein Denkmal, das von dem Wunsch nach künstlerischer Identität in einer Gruppe spricht, die traditionelle Positionen der Romantik, repräsentiert von Delacroix und Baudelaire, mit dem aktuellen, höchst umstrittenen Realismus Courbets vereint, der durch den Kunstkritiker Champfleury vertreten ist.
Bereits im ersten Bild der Gattung klingt unüberhörbar das ostinate Nebenthema der Künstlerhommage an, die Hoffnung, daß ein Abglanz der verehrten Persönlichkeit doch auf die eigene, geringere Gestalt fallen möge. Hattendorff übersieht jedoch ganz, daß das Verhältnis zwischen Huldigendem und Gehuldigtem immer hierarchisch ist: Der junge ehrt den alten Künstler, der Unbekannte den Berühmten, der Unsichere den Selbstbewußten et cetera. Eine eigene Künstlerpsychologie ließe sich an diesem Material entwickeln.
In seiner "Hommage à Cézanne" von 1900 erstritt Maurice Denis mit einer List für den von der akademischen Jury verachteten Maler einen Platz im Salon. Auch in diesen Gemälde, das die Mitglieder der Gruppe Nabis in einem stummen Gespräch über ein Stilleben von Cézanne zeigt, wird deutlich, daß die Gattung Hommage dialektisch angelegt ist: Das Stilleben auf der Staffelei, von schwarzgekleideten Männern umringt und Sérusiers gestikulierenden Händen verdeckt, wird von der Gruppe quasi eingenommen; Cézannes Werk erscheint durch die Brille des Malers Denis gesehen, die den Geehrten unter den Stil des Ehrenden zwingt. Die Unterwerfung hat immer auch etwas von einer Annexion. Es ist ein Manko des Buches, das methodisch saubere, aber einfallslose, allzu akademische Bildanalysen aneinanderreiht, die Dialektik und Ironie nicht erkannt zu haben, welche die Gattung im zwanzigsten Jahrhundert prägt.
Das Porträt "Hommage à Picasso", mit dem Juan Gris 1912 im Salon des Indépendants debütierte, verbindet den devoten Akt der Huldigung an einen arrivierten Kollegen mit der aggressiven Geste der Stil-Aneignung zu einem ironischen Programmbild. Gris will Picasso "am eigenen Leibe" beweisen, daß sein Kubismus durchaus verbesserungsfähig ist. Von Légers "Les Loisirs: Hommage à Louis David" wird die Zugehörigkeit zur Gattung mehr behauptet als bewiesen; die lässig dasitzende Dame in Gelb ließe sich ebenso gut als freches Zitat der "Madame Recamier" lesen, das Hattendorff nicht bemerkt hat. Überhaupt gehen die Avantgarde-Künstler zuweilen äußerst despektierlich mit den alten Meistern um. Hattendorffs Retrospektive einer Gattung, die bis in die fünfziger Jahre eine vorwiegend französische Angelegenheit war, klingt mit einem Blick auf die Postmoderne aus, vertreten durch Manfred Bluths "Hommage à Caspar David Friedrich". Der Berliner Maler verkocht die Errungenschaften der Gattung zu einem faden Eintopf aus Bild- und Stilzitaten. Eine übermächtige Tradition der Kunst, die von der institutionalisierten Kunstgeschichte verwaltet wird, befähigt den postmodernen Künstler nur mehr zu Gesten beklemmender Selbstironie. CHRISTIANE KRUSE
Claudia Hattendorff: "Künstlerhommage". Ein Bildtypus im 19. und 20. Jahrhundert. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1998. 186 S., Abb., br., 78,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Claudia Hattendorff zeigt: Auch Künstler, die ihre Meister ehren, wollen insgeheim etwas Größeres sein
Die Verneigung eines Künstlers vor einem Kollegen in einem Freundschafts- oder Memorialbild ist keine Erfindung der Moderne, sondern eine alte Gattung der Malerei. Ob Huldigung oder aber Paragone und Selbstdarstellung: Generationen von Malern verbeugten sich ergeben vor Raffael, wetteiferten mit Leonardo oder verglichen sich neidvoll mit Michelangelo. Im neunzehnten Jahrhundert wurde die Künstlermemoria zur Untergattung der Historienmalerei und trieb überwiegend bizarre und kurzlebige Blüten, die Entzückungen bei den Salonbesuchern auslösten. Den höchst pathetischen Bekenntnissen akademischer Maler zur hohen Kunst begegnete Henri Fantin-Latour in seinem 1864 im Pariser Salon ausgestellten Gemälde "Hommage à Delacroix" mit einer sachlicheren Form der Künstlerehrung, die zugleich als echte Herausforderung der zeitgenössischen Malerei gemeint war. Claudia Hattendorff setzt in ihrer Dissertation zum Thema Künstlerhommage Fantins Gemälde an den Anfang einer neuen Gattung, deren Stationen sie bis in die Postmoderne verfolgt.
Fantins Gemälde versammelt vor Delacroix' Porträt zehn Maler und Intellektuelle, unter ihnen Manet, Baudelaire und Whistler, zu einem gemalten Nekrolog auf einen Meister, dessen Tod im Jahr zuvor kaum Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hatte. Fantin ging es, wie Hattendorff zeigt, um die Rehabilitation Delacroix' durch Fortführung der romantischen Kunst seitens einer jungen Künstlergeneration. Vor allem aber setzte sich der ambitionierte Maler bereits zu Lebzeiten ein Denkmal, das von dem Wunsch nach künstlerischer Identität in einer Gruppe spricht, die traditionelle Positionen der Romantik, repräsentiert von Delacroix und Baudelaire, mit dem aktuellen, höchst umstrittenen Realismus Courbets vereint, der durch den Kunstkritiker Champfleury vertreten ist.
Bereits im ersten Bild der Gattung klingt unüberhörbar das ostinate Nebenthema der Künstlerhommage an, die Hoffnung, daß ein Abglanz der verehrten Persönlichkeit doch auf die eigene, geringere Gestalt fallen möge. Hattendorff übersieht jedoch ganz, daß das Verhältnis zwischen Huldigendem und Gehuldigtem immer hierarchisch ist: Der junge ehrt den alten Künstler, der Unbekannte den Berühmten, der Unsichere den Selbstbewußten et cetera. Eine eigene Künstlerpsychologie ließe sich an diesem Material entwickeln.
In seiner "Hommage à Cézanne" von 1900 erstritt Maurice Denis mit einer List für den von der akademischen Jury verachteten Maler einen Platz im Salon. Auch in diesen Gemälde, das die Mitglieder der Gruppe Nabis in einem stummen Gespräch über ein Stilleben von Cézanne zeigt, wird deutlich, daß die Gattung Hommage dialektisch angelegt ist: Das Stilleben auf der Staffelei, von schwarzgekleideten Männern umringt und Sérusiers gestikulierenden Händen verdeckt, wird von der Gruppe quasi eingenommen; Cézannes Werk erscheint durch die Brille des Malers Denis gesehen, die den Geehrten unter den Stil des Ehrenden zwingt. Die Unterwerfung hat immer auch etwas von einer Annexion. Es ist ein Manko des Buches, das methodisch saubere, aber einfallslose, allzu akademische Bildanalysen aneinanderreiht, die Dialektik und Ironie nicht erkannt zu haben, welche die Gattung im zwanzigsten Jahrhundert prägt.
Das Porträt "Hommage à Picasso", mit dem Juan Gris 1912 im Salon des Indépendants debütierte, verbindet den devoten Akt der Huldigung an einen arrivierten Kollegen mit der aggressiven Geste der Stil-Aneignung zu einem ironischen Programmbild. Gris will Picasso "am eigenen Leibe" beweisen, daß sein Kubismus durchaus verbesserungsfähig ist. Von Légers "Les Loisirs: Hommage à Louis David" wird die Zugehörigkeit zur Gattung mehr behauptet als bewiesen; die lässig dasitzende Dame in Gelb ließe sich ebenso gut als freches Zitat der "Madame Recamier" lesen, das Hattendorff nicht bemerkt hat. Überhaupt gehen die Avantgarde-Künstler zuweilen äußerst despektierlich mit den alten Meistern um. Hattendorffs Retrospektive einer Gattung, die bis in die fünfziger Jahre eine vorwiegend französische Angelegenheit war, klingt mit einem Blick auf die Postmoderne aus, vertreten durch Manfred Bluths "Hommage à Caspar David Friedrich". Der Berliner Maler verkocht die Errungenschaften der Gattung zu einem faden Eintopf aus Bild- und Stilzitaten. Eine übermächtige Tradition der Kunst, die von der institutionalisierten Kunstgeschichte verwaltet wird, befähigt den postmodernen Künstler nur mehr zu Gesten beklemmender Selbstironie. CHRISTIANE KRUSE
Claudia Hattendorff: "Künstlerhommage". Ein Bildtypus im 19. und 20. Jahrhundert. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1998. 186 S., Abb., br., 78,- DM.
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