Wie nur wenige andere Fotografen hat Roger Melis das 'Antlitz' der neueren deutschen Literatur mitgeprägt. Seine Fotografien fanden sich auf Buchumschlägen, Verlagskatalogen, Zeitungen und Literaturkalendern und gaben dort den Urhebern von Gedichten, Dramen und Romanen ein Gesicht. Wer etwa an Johannes Bobrowski, Peter Huchel, Wolf Biermann, Anna Seghers, Heiner Müller, Stephan Hermlin, Franz Fühmann oder Christa Wolf denkt, sieht seine Bilder vor sich. Mit über 200 Aufnahmen aus 40 Jahren versammelt der Band erstmals das ganze Spektrum der oft gerühmten Porträtkunst von Roger Melis. Chronologisch geordnet, fügen sich die vielfach schon klassisch gewordenen Fotografien zu einer außergewöhnlichen visuellen Geschichte des geistigen Lebens in Ostdeutschland.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2008Lebensernte mit Zigaretten: Roger Melis’ Künstlerporträts
Nichts gegen den berühmten Schnappschuss, gegen die Kamera, die eine unwillkürliche Geste, einen Blick, ein Stirnrunzeln erfasst, während die Menschen, auf die sie gerichtet ist, sich unbeobachtet glauben. Aber in der Porträtfotografie ist die Mythologie der ungestellten Momentaufnahme eher hinderlich.
Das muss der Fotograf Roger Melis, der 1940 in Berlin geboren wurde und ab seinem siebten Lebensjahr im Haushalt des Dichters Peter Huchel aufwuchs, früh begriffen haben. Huchel liebte die Pose, schreibt Melis im Vorwort zu dem neu erschienenen Band „Künstlerporträts”, er war mein erstes, williges Objekt, aber er wollte nicht, dass ich durch seine Protektion Karriere mache.
In dieser Lebensernte des großen Porträtfotografen Melis taucht Huchel mehrfach auf, fotografiert an seinem Wohnsitz in Wilhelmshorst, einmal mit der Zigarette im Mundwinkel wie ein Filmheld. Überhaupt sind die Zigaretten in diesem Buch noch allgegenwärtig. Und niemand tut hier so, als wüsste er nicht, dass er porträtiert wird, auch dann, wenn die Augen nicht in die Kamera blicken, sondern wie die Walter Höllerers in eine imaginäre Ferne.
Anders als der Band „In einem stillen Land”, in dem Melis die DDR und ihre Bewohner zwischen 1965 und 1989 porträtierte (SZ vom 16. April 2007), endet dieses Buch nicht mit dem Mauerfall, und es ist von Beginn an ein Ost-West-Buch. Melis fotografierte 1962 Günter Bruno Fuchs und Robert Schnell in Berlin–Kreuzberg, Grass im Grunewald oder William Saroyan und Pablo Neruda beim internationalen Schriftstellertreffen in Weimar 1965 (Roger Melis: Künstlerporträts. Fotografien 1962-2002. Lehmstedt Verlag, Leipzig 2008. 232 S., 214 Abb., 29,90 Euro). Der Kern aber sind die Porträts der Künstler in der DDR, von Anna Seghers und Fritz Cremer über Sarah Kirsch bei der Vorbereitung ihrer Ausreise 1977 (unsere Abb.) und die Antipoden Peter Hacks und Heiner Müller bis zu Jürgen Böttcher oder A. R. Penck. Sie ist weniger bekannt als die Wahrheit des Augenblicks, aber hier hat sie einen großen Auftritt: die Wahrheit der Pose. lmue
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Nichts gegen den berühmten Schnappschuss, gegen die Kamera, die eine unwillkürliche Geste, einen Blick, ein Stirnrunzeln erfasst, während die Menschen, auf die sie gerichtet ist, sich unbeobachtet glauben. Aber in der Porträtfotografie ist die Mythologie der ungestellten Momentaufnahme eher hinderlich.
Das muss der Fotograf Roger Melis, der 1940 in Berlin geboren wurde und ab seinem siebten Lebensjahr im Haushalt des Dichters Peter Huchel aufwuchs, früh begriffen haben. Huchel liebte die Pose, schreibt Melis im Vorwort zu dem neu erschienenen Band „Künstlerporträts”, er war mein erstes, williges Objekt, aber er wollte nicht, dass ich durch seine Protektion Karriere mache.
In dieser Lebensernte des großen Porträtfotografen Melis taucht Huchel mehrfach auf, fotografiert an seinem Wohnsitz in Wilhelmshorst, einmal mit der Zigarette im Mundwinkel wie ein Filmheld. Überhaupt sind die Zigaretten in diesem Buch noch allgegenwärtig. Und niemand tut hier so, als wüsste er nicht, dass er porträtiert wird, auch dann, wenn die Augen nicht in die Kamera blicken, sondern wie die Walter Höllerers in eine imaginäre Ferne.
Anders als der Band „In einem stillen Land”, in dem Melis die DDR und ihre Bewohner zwischen 1965 und 1989 porträtierte (SZ vom 16. April 2007), endet dieses Buch nicht mit dem Mauerfall, und es ist von Beginn an ein Ost-West-Buch. Melis fotografierte 1962 Günter Bruno Fuchs und Robert Schnell in Berlin–Kreuzberg, Grass im Grunewald oder William Saroyan und Pablo Neruda beim internationalen Schriftstellertreffen in Weimar 1965 (Roger Melis: Künstlerporträts. Fotografien 1962-2002. Lehmstedt Verlag, Leipzig 2008. 232 S., 214 Abb., 29,90 Euro). Der Kern aber sind die Porträts der Künstler in der DDR, von Anna Seghers und Fritz Cremer über Sarah Kirsch bei der Vorbereitung ihrer Ausreise 1977 (unsere Abb.) und die Antipoden Peter Hacks und Heiner Müller bis zu Jürgen Böttcher oder A. R. Penck. Sie ist weniger bekannt als die Wahrheit des Augenblicks, aber hier hat sie einen großen Auftritt: die Wahrheit der Pose. lmue
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"'Künstlerporträts' von Roger Melis ist eine visuelle Kulturgeschichte der DDR. Denkwürdige Fotos: ein Buch voller Erinnerungen." (Hans Dieter Schütt, Neues Deutschland, 15. November 2011) 'Die Anordnung der Bilder folgt zwar dem Lauf der Jahre - doch viel mehr folgt sie einer hintergründigen Literaturgeschichte, wie nur Kenner sie schreiben können. Was für ein intelligentes Arrangement' (Sächsische Zeitung) 'Ein in jeder Hinsicht schöner Band, der ein Stück Ost-West-Bildgedächtnis werden wird' (Neues Deutschland)