Eine Geschichte der Konflikte zwischen der SED und seiner repräsentativsten Künstlervereinigung. Die Geschichte der Ostberliner Akademie der Künste (1950-1993) ist von der Auseinandersetzung zwischen Geist und Macht gekennzeichnet. Zu den Protagonisten auf Seiten der Akademie gehörten renommierte Schriftsteller, Regisseure, Schauspieler, bildende Künstler und Musiker. Ihnen standen führende Genossen des Partei- und Staatsapparates, vor allem die für den Kulturbereich verantwortlichen Spitzenfunktionäre und einige weniger bekannte Stasi-Mitarbeiter gegenüber. Welche Mitspracherechte räumte das Regime der Akademie ein? Wie nutzte die vereinigte Kunstelite ihre politischen Handlungsspielräume? Matthias Braun untersucht erstmals und umfassend, welche Steuerungsmöglichkeiten die SED und das MfS auf die Akademie der Künste hatte.
The history of the East Berlin Academy of Arts (1950-1993) is a hallmark for quarrels between mind and power. The protagonists on behalf of the Academy were renowned writers, directors, actors, visual artists and musicians. Leading members of the Socialist Party and government, especially top officials from the cultural department and less kown members of the state security service were opposed to this faction.How much say did the regime allow the members of the Acadamy? How did the united artist elite use their political freedom? Matthias Braun is the first to examine extensively the possible influence of the SED and MfS on the Academy of Arts.
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The history of the East Berlin Academy of Arts (1950-1993) is a hallmark for quarrels between mind and power. The protagonists on behalf of the Academy were renowned writers, directors, actors, visual artists and musicians. Leading members of the Socialist Party and government, especially top officials from the cultural department and less kown members of the state security service were opposed to this faction.How much say did the regime allow the members of the Acadamy? How did the united artist elite use their political freedom? Matthias Braun is the first to examine extensively the possible influence of the SED and MfS on the Academy of Arts.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.01.2008Auf vornehmen Stühlen
Ein große Studie erhellt die Akademie der Künste in der DDR
Die CSU wusste Bescheid. Ihre Landesgruppe im Bundestag teilte am 3. Februar 1992 mit, die Akademie der Künste der DDR sei eine Institution gewesen, „deren wesentlicher Zweck es war, Angehörigen und Gehilfen des Unterdrückungsapparates des SED-Regimes eine Art tarnender Reputation für ihr schändliches Treiben zu verschaffen”. Gerade hatten sich die beiden Berliner Akademien der Künste unter Heiner Müller und Walter Jens auf ein Zusammengehen verständigt: auf die En-bloc-Übernahme der nach einer Wahl noch verbliebenen Mitglieder Ost. Rundum zufrieden war keiner. Der Bildhauer Wieland Förster – vom NKWD vier Jahre inhaftiert, in der DDR mit Ausstellungsverbot belegt, seit 1974 Mitglied der Künstlersozietät – hatte bereits im Oktober 1991 seinen Austritt erklärt: Die Akademie „hätte sofort mit der öffentlichen, wahrheitsgetreuen Aufarbeitung ihrer Geschichte beginnen müssen. Durch dieses Versäumnis hat sie Verzeichnungen Vorschub geleistet und befindet sich jetzt nur noch in taktischen Bewegungen”.
Andere gingen, weil ihnen die Wahlprozeduren entehrend schienen. Wieder andere, wie Wolf Biermann, Freya Klier, Jürgen Fuchs oder Hans Joachim Schädlich protestierten im Namen der Dissidenten: „Die Mehrheit der in Frage kommenden Mitglieder der Ost-Berliner Akademie repräsentierte und legitimierte bis zuletzt das gegen die Freiheit der Künste gerichtete Regime der DDR”. Der Zank um die Akademie, heute weitgehend vergessen, gehörte zu den großen Debatten des frisch vereinigten Landes. Es ging um die systemtreuen, oft zu Narren ihrer Illusionen gewordenen Sozialisten. Wie die Kampagne gegen Christa Wolf oder der deutsch-deutsche Bilderstreit trug er dazu bei, die intellektuelle Atmosphäre ebenso zu vergiften wie zu klären. Zurück blieben neben Frustrationen und Verletzungen bloß Klischees und die Routine der Angriffe und Rechtfertigungen.
1997 gab die Akademie unter dem Titel: „Zwischen Diskussion und Disziplin” eine Dokumentation mit Briefen, Sitzungsprotokollen und Gesprächsnotizen heraus. Darin entstand das Bild einer oft angegriffenen, oft kämpfenden Einrichtung, und der Leser konnte meinen, Stephan Hermlin habe mit seinem Rückblick auf die Rolle der Akademie in der DDR recht gehabt: „Die Akademie hier war im Grunde genommen für die führenden Leute immer ein Fremdkörper. Sie war unerwünscht. Man hat ein paarmal versucht, sie zu korrigieren, auf Linie zu bringen. Das ist mißlungen. Die Akademie hat sich immer wieder aus sich selbst entscheidend erneuert.”
Günter de Bruyn, der ihr, wenn auch kürzer als Hermlin, ebenfalls angehört hatte, sah keinen Grund, auf die Akademie stolz zu sein: „Sie hat, sieht man vom verantwortungsbewußten Verhalten einzelner Mitglieder und von der Arbeit der Redaktion Sinn und Form ab, der kulturellen Diktatur nie nennenswerten Widerstand entgegengesetzt, sich vielmehr als Instrument von Partei und Regierung verstanden . . .”. Hermann Kant, für viele der Gottseibeiuns der SED-Kulturpolitik, sah es ähnlich: „Hier waren Tapfere, aber die Akademie als Einrichtung . . . war nicht so furchtbar tapfer.”
So unterschiedlich werten Zeitzeugen. Umso dankbarer ist man, dass Matthias Braun in seiner Studie über Akademie, SED und Stasi keine Geschichtspolitik treibt, sondern Grundlagenforschung. Er verwahrt sich kurz gegen die Beschränkung „auf pädagogisch-moralische Fragestellungen” und „eine vereinfachte Täter-Opfer-Perspektive” und kommt dann zum Hauptgeschäft: Aus den Akten rekonstruiert er Machtverhältnisse, Entscheidungen, Abläufe. Welche Funktion hatte die Akademie? Wo und wie konnten Freiräume erstritten werden? Welche Rolle spielte das MfS?
Man beneidet Braun, der heute in der Birthler-Behörde arbeitet, Bücher über die Akademiezeitschrift Sinn und Form und über Heiner Müllers „Die Umsiedlerin” veröffentlich hat, nicht um seine Aufgabe. Ein großer Teil der Dokumente vereint Kleingeist und Phrasen. Aber anders als so, sich ins Alltägliche einwühlend, das Hin und Her zwischen den Dienststellen, die Verabredungen der Funktionäre, die Meinungen der Künstler studierend, geht es nicht. An die Stelle der kühnen These tritt die einzig interessante Frage, wie es denn wirklich gewesen ist.
Die „höchste Institution der Deutschen Demokratischen Republik im Bereich der Kunst” (Otto Grotewohl) sollte die Akademie sein, als sie 1950 gegründet wurde. Heinrich Mann starb, bevor er die ihm angetragene Präsidentschaft übernehmen konnte. So wurde Arnold Zweig der erste Präsident. Die Privilegien eines Akademiemitglieds und des Amtes schützten ihn nicht vor dem Eifer der Funktionäre: Das MfS hielt etwa fest, er habe im Theater am Schiffbauerdamm während einer Vorstellung gesagt, „dass die Westberliner Schuhwaren weitaus schöner und geschmackvoller wären als unsere”. Den Film nach seinem Roman „Das Beil von Wandsbek” verbot man, ohne mit ihm darüber zu sprechen. Die Akademie wollte diskutieren: „Wer nicht kam, waren die Verbieter.” Überall im sowjetischen Machtbereich liefen Kampagnen und Prozesse gegen „Zionisten”. Juden sollten aus leitenden Stellen entfernt werden. Zu seinem 65. Geburtstag erhielt Zweig dennoch einen BMW als Regierungsgeschenk, dann wurde er durch Johannes R. Becher abgelöst, auf den der Maler Otto Nagel und dann der Arbeiterdichter Willi Bredel folgten.
Und reden und reden
1965 schließlich wählte man den Filmregisseur Konrad Wolf, Sohn eines kommunistischen Arztes und Schriftstellers. Die Darstellung seiner langen, bis 1982 andauernden Präsidentschaft ist das Herzstück des Buches. Kaum einer dürfte so an der DDR und am sozialistischen Ideal gehangen haben, wie Konrad Wolf, der als Rotarmist 1945 nach Berlin gekommen war. Er verteidigte etwa die Biermann-Ausbürgerung, unternahm zugleich einiges, um eine Verschärfung des kulturpolitischen Klimas zu verhindern. Dass im Westen der Feind sitze, dem man nicht in die Hände arbeiten dürfe, schien ihm klar. Aber er wollte überzeugen, gewinnen. Das grundsätzliche Missverhältnis aber blieb so oder so: Eigentlich sollte die Akademie die Regierung in Kunstangelegenheiten beraten, aber die wesentlichen Fragen wurden ohne sie entschieden, vor allem in der Abteilung Kultur des Zentralkomitees. Franz Fühmann hat es Konrad Wolf im Juni 1979 so dargestellt: „Wir sitzen da so vornehm auf unseren vornehmen Stühlen in vornehmen Räumen bei vornehmen Brötchen und vornehmen Kognak, und reden und reden ( – „und reden” folgt 19 Mal – ), gemacht wird auf jeden Fall das sowieso schon längst Beschlossene; was soll”s?”.
Immerhin forderte Konrad Wolf von einem MfS-Offizier, die Mitglieder als „heilige Kühe” zu behandeln, sie weder zu schlachten noch zu melken. Die Stasi spielte in der Akademie eine geringere Rolle als andernorts, was mit dem Ansehen der Mitglieder zusammenhing. Aber sie hatte IMs im Hause, beobachtete, „bearbeitete” etwa Stephan Hermlin, Christa Wolf und Franz Fühmann in „operativen Vorgängen”, unterteilte die Künstler in „feindlich-negative”, „positive” und „loyale Kräfte”. Versuche der Akademie, junge Künstler zu fördern, scheiterten regelmäßig am Hineinorganisieren und Reglementieren. Erst in den achtziger Jahren beschränkte sich die Kulturpolitik ratlos auf Schadensbegrenzung.
Manch freches Wort ist in der Akademie gefallen; obwohl das ZK einen anderen wollte, wählte man Konrad Wolf für eine dritte Amtszeit; man nahm zum Missfallen der Hardliner Heiner Müller, Volker Braun und Otto Niemeyer-Holstein auf. Eine grundsätzliche Opposition ist daraus nicht geworden, auch weil die Künstler es nicht wollten. Zur Selbstbefreiung der Gesellschaft aus den Klauen der Parteidiktatur trug die Akademie dennoch bei. Leider behandelt Matthias Braun die drei Jahre unter Heiner Müller recht knapp und kursorisch. Dabei kann man die DDR kaum begreifen, wenn man die Erstarrung des Geschichtsbildes im Kulturkampf der frühen neunziger Jahre außer acht lässt, als viele begannen, schlichter, dümmer und polemischer zu reden als in den Zeiten des Kalten Krieges. Wie man die damals entstandenen Zerrbilder durch Quellenkritik und Urteilskraft aufklären kann, zeigt diese Studie allemal.JENS BISKY
MATTHIAS BRAUN: Kulturinsel und Machtinstrument. Die Akademie der Künste, die Partei und die Staatssicherheit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 463 Seiten, 31,90 Euro.
Konrad Wolf, der die Akademie von 1965 bis 1982 führte, stellt hier seinen Film „Mama, ich lebe” vor. Foto: dpa/PA
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Ein große Studie erhellt die Akademie der Künste in der DDR
Die CSU wusste Bescheid. Ihre Landesgruppe im Bundestag teilte am 3. Februar 1992 mit, die Akademie der Künste der DDR sei eine Institution gewesen, „deren wesentlicher Zweck es war, Angehörigen und Gehilfen des Unterdrückungsapparates des SED-Regimes eine Art tarnender Reputation für ihr schändliches Treiben zu verschaffen”. Gerade hatten sich die beiden Berliner Akademien der Künste unter Heiner Müller und Walter Jens auf ein Zusammengehen verständigt: auf die En-bloc-Übernahme der nach einer Wahl noch verbliebenen Mitglieder Ost. Rundum zufrieden war keiner. Der Bildhauer Wieland Förster – vom NKWD vier Jahre inhaftiert, in der DDR mit Ausstellungsverbot belegt, seit 1974 Mitglied der Künstlersozietät – hatte bereits im Oktober 1991 seinen Austritt erklärt: Die Akademie „hätte sofort mit der öffentlichen, wahrheitsgetreuen Aufarbeitung ihrer Geschichte beginnen müssen. Durch dieses Versäumnis hat sie Verzeichnungen Vorschub geleistet und befindet sich jetzt nur noch in taktischen Bewegungen”.
Andere gingen, weil ihnen die Wahlprozeduren entehrend schienen. Wieder andere, wie Wolf Biermann, Freya Klier, Jürgen Fuchs oder Hans Joachim Schädlich protestierten im Namen der Dissidenten: „Die Mehrheit der in Frage kommenden Mitglieder der Ost-Berliner Akademie repräsentierte und legitimierte bis zuletzt das gegen die Freiheit der Künste gerichtete Regime der DDR”. Der Zank um die Akademie, heute weitgehend vergessen, gehörte zu den großen Debatten des frisch vereinigten Landes. Es ging um die systemtreuen, oft zu Narren ihrer Illusionen gewordenen Sozialisten. Wie die Kampagne gegen Christa Wolf oder der deutsch-deutsche Bilderstreit trug er dazu bei, die intellektuelle Atmosphäre ebenso zu vergiften wie zu klären. Zurück blieben neben Frustrationen und Verletzungen bloß Klischees und die Routine der Angriffe und Rechtfertigungen.
1997 gab die Akademie unter dem Titel: „Zwischen Diskussion und Disziplin” eine Dokumentation mit Briefen, Sitzungsprotokollen und Gesprächsnotizen heraus. Darin entstand das Bild einer oft angegriffenen, oft kämpfenden Einrichtung, und der Leser konnte meinen, Stephan Hermlin habe mit seinem Rückblick auf die Rolle der Akademie in der DDR recht gehabt: „Die Akademie hier war im Grunde genommen für die führenden Leute immer ein Fremdkörper. Sie war unerwünscht. Man hat ein paarmal versucht, sie zu korrigieren, auf Linie zu bringen. Das ist mißlungen. Die Akademie hat sich immer wieder aus sich selbst entscheidend erneuert.”
Günter de Bruyn, der ihr, wenn auch kürzer als Hermlin, ebenfalls angehört hatte, sah keinen Grund, auf die Akademie stolz zu sein: „Sie hat, sieht man vom verantwortungsbewußten Verhalten einzelner Mitglieder und von der Arbeit der Redaktion Sinn und Form ab, der kulturellen Diktatur nie nennenswerten Widerstand entgegengesetzt, sich vielmehr als Instrument von Partei und Regierung verstanden . . .”. Hermann Kant, für viele der Gottseibeiuns der SED-Kulturpolitik, sah es ähnlich: „Hier waren Tapfere, aber die Akademie als Einrichtung . . . war nicht so furchtbar tapfer.”
So unterschiedlich werten Zeitzeugen. Umso dankbarer ist man, dass Matthias Braun in seiner Studie über Akademie, SED und Stasi keine Geschichtspolitik treibt, sondern Grundlagenforschung. Er verwahrt sich kurz gegen die Beschränkung „auf pädagogisch-moralische Fragestellungen” und „eine vereinfachte Täter-Opfer-Perspektive” und kommt dann zum Hauptgeschäft: Aus den Akten rekonstruiert er Machtverhältnisse, Entscheidungen, Abläufe. Welche Funktion hatte die Akademie? Wo und wie konnten Freiräume erstritten werden? Welche Rolle spielte das MfS?
Man beneidet Braun, der heute in der Birthler-Behörde arbeitet, Bücher über die Akademiezeitschrift Sinn und Form und über Heiner Müllers „Die Umsiedlerin” veröffentlich hat, nicht um seine Aufgabe. Ein großer Teil der Dokumente vereint Kleingeist und Phrasen. Aber anders als so, sich ins Alltägliche einwühlend, das Hin und Her zwischen den Dienststellen, die Verabredungen der Funktionäre, die Meinungen der Künstler studierend, geht es nicht. An die Stelle der kühnen These tritt die einzig interessante Frage, wie es denn wirklich gewesen ist.
Die „höchste Institution der Deutschen Demokratischen Republik im Bereich der Kunst” (Otto Grotewohl) sollte die Akademie sein, als sie 1950 gegründet wurde. Heinrich Mann starb, bevor er die ihm angetragene Präsidentschaft übernehmen konnte. So wurde Arnold Zweig der erste Präsident. Die Privilegien eines Akademiemitglieds und des Amtes schützten ihn nicht vor dem Eifer der Funktionäre: Das MfS hielt etwa fest, er habe im Theater am Schiffbauerdamm während einer Vorstellung gesagt, „dass die Westberliner Schuhwaren weitaus schöner und geschmackvoller wären als unsere”. Den Film nach seinem Roman „Das Beil von Wandsbek” verbot man, ohne mit ihm darüber zu sprechen. Die Akademie wollte diskutieren: „Wer nicht kam, waren die Verbieter.” Überall im sowjetischen Machtbereich liefen Kampagnen und Prozesse gegen „Zionisten”. Juden sollten aus leitenden Stellen entfernt werden. Zu seinem 65. Geburtstag erhielt Zweig dennoch einen BMW als Regierungsgeschenk, dann wurde er durch Johannes R. Becher abgelöst, auf den der Maler Otto Nagel und dann der Arbeiterdichter Willi Bredel folgten.
Und reden und reden
1965 schließlich wählte man den Filmregisseur Konrad Wolf, Sohn eines kommunistischen Arztes und Schriftstellers. Die Darstellung seiner langen, bis 1982 andauernden Präsidentschaft ist das Herzstück des Buches. Kaum einer dürfte so an der DDR und am sozialistischen Ideal gehangen haben, wie Konrad Wolf, der als Rotarmist 1945 nach Berlin gekommen war. Er verteidigte etwa die Biermann-Ausbürgerung, unternahm zugleich einiges, um eine Verschärfung des kulturpolitischen Klimas zu verhindern. Dass im Westen der Feind sitze, dem man nicht in die Hände arbeiten dürfe, schien ihm klar. Aber er wollte überzeugen, gewinnen. Das grundsätzliche Missverhältnis aber blieb so oder so: Eigentlich sollte die Akademie die Regierung in Kunstangelegenheiten beraten, aber die wesentlichen Fragen wurden ohne sie entschieden, vor allem in der Abteilung Kultur des Zentralkomitees. Franz Fühmann hat es Konrad Wolf im Juni 1979 so dargestellt: „Wir sitzen da so vornehm auf unseren vornehmen Stühlen in vornehmen Räumen bei vornehmen Brötchen und vornehmen Kognak, und reden und reden ( – „und reden” folgt 19 Mal – ), gemacht wird auf jeden Fall das sowieso schon längst Beschlossene; was soll”s?”.
Immerhin forderte Konrad Wolf von einem MfS-Offizier, die Mitglieder als „heilige Kühe” zu behandeln, sie weder zu schlachten noch zu melken. Die Stasi spielte in der Akademie eine geringere Rolle als andernorts, was mit dem Ansehen der Mitglieder zusammenhing. Aber sie hatte IMs im Hause, beobachtete, „bearbeitete” etwa Stephan Hermlin, Christa Wolf und Franz Fühmann in „operativen Vorgängen”, unterteilte die Künstler in „feindlich-negative”, „positive” und „loyale Kräfte”. Versuche der Akademie, junge Künstler zu fördern, scheiterten regelmäßig am Hineinorganisieren und Reglementieren. Erst in den achtziger Jahren beschränkte sich die Kulturpolitik ratlos auf Schadensbegrenzung.
Manch freches Wort ist in der Akademie gefallen; obwohl das ZK einen anderen wollte, wählte man Konrad Wolf für eine dritte Amtszeit; man nahm zum Missfallen der Hardliner Heiner Müller, Volker Braun und Otto Niemeyer-Holstein auf. Eine grundsätzliche Opposition ist daraus nicht geworden, auch weil die Künstler es nicht wollten. Zur Selbstbefreiung der Gesellschaft aus den Klauen der Parteidiktatur trug die Akademie dennoch bei. Leider behandelt Matthias Braun die drei Jahre unter Heiner Müller recht knapp und kursorisch. Dabei kann man die DDR kaum begreifen, wenn man die Erstarrung des Geschichtsbildes im Kulturkampf der frühen neunziger Jahre außer acht lässt, als viele begannen, schlichter, dümmer und polemischer zu reden als in den Zeiten des Kalten Krieges. Wie man die damals entstandenen Zerrbilder durch Quellenkritik und Urteilskraft aufklären kann, zeigt diese Studie allemal.JENS BISKY
MATTHIAS BRAUN: Kulturinsel und Machtinstrument. Die Akademie der Künste, die Partei und die Staatssicherheit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 463 Seiten, 31,90 Euro.
Konrad Wolf, der die Akademie von 1965 bis 1982 führte, stellt hier seinen Film „Mama, ich lebe” vor. Foto: dpa/PA
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Jens Bisky hätte nicht mit Mathias Braun tauschen mögen, der es auf sich genommen hat, sich in seiner umfassenden Studie die alltäglichen Auseinandersetzungen und Debatten der Akademie der Künste in der DDR akribisch zu recherchieren, aber "dankbar" ist er allemal. Der Autor zeichne nicht nur die historische Entwicklung der Akademie Ost nach, er demonstriere auch die unterschiedlichen Wertungen der Akademiemitglieder, die mit Stolz oder Verachtung auf die Geschichte dieser wichtigsten offiziellen Kulturinstitution der DDR zurückblicken. Braun stellt gleich zu Anfang klar, dass es ihm in seinem Buch nicht um "Geschichtspolitik" gehe, auch wenn er die großen Konflikte zwischen der Ost- und der Westakademie nach Maueröffnung nachzeichnet, und auch keine "vereinfachte Täter-Opfer-Geschichte schreiben will. Vielmehr geht es ihm um eine Rekonstruktion der Entwicklung der Akademie der Künste und das ist ihm laut Bisky auch gut gelungen, wenn er auch bedauert, dass Braun ausgerechnet die interessante Zeit unter Heiner Müller etwas sehr kurz behandelt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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