Von jeher prägt die Ausdrucksvielfalt der Kulturkritik das Erscheinungsbild der westlichen Kultur. Die Spottgebärde des Diogenes, des Faßbewohners, gehört ebenso hierher wie die Bergpredigt oder die Pose des Unzeitgemäßen, das große Kino ebenso wie Rap, Grunge und Punk. Längst haben die Medien das Repertoire der Kulturkritik entdeckt und für jedermann verfügbar gemacht.Kulturkritik, so zeigt Ralf Konersmann in seinem konzisen neuen Buch, ist jene Haltung des Zweifels und der Abweichung, mit der die Kultur sich selbst gegenübertritt. Die Struktur des Zerwürfnisses mit sich selbst erweist sich jedoch nicht als Defekt, sondern als Normalität. Die heutige Kultur der Massen und der Metropolen ist die Erfinderin ihrer selbst, sie verwirklicht sich als schrilles Panorama der Parodien, der Ironien und Karikaturen. In den Gesellschaften der Moderne ist Kritik somit nicht mehr nur Recht, sondern Pflicht. An die Stelle einer festgefügten "Leitkultur", hoher Ideale und ewiger Werte, über diediese Lebensformen nicht mehr verfügen, treten beträchtliche Anforderungen: die einer spielerischen, informellen und zutiefst demokratischen Urteils- und Kritikkultur.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Claudio Steiger weiß Ralf Konersmanns Essay "Kulturkritik" zu schätzen. Dessen Überzeugung, Kulturkritik habe heute keine Utopien mehr, brauche sie aber auch nicht, scheint ihm zwar durchaus streitbar. Auch die behauptete Alternativlosigkeit von Konersmanns Idee zweier Phasen der Kulturkritik muss man in Steigers Augen nicht hinnehmen. Dafür aber überzeugen ihm die prägnante Darstellung der Entwicklung der Kritik im 18. Jahrhundert sowie die "brillante Rhetorik" und die "sprachliche Präzision" des Autors.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH