Ein Überblick über 150 Jahre europäischer Kulturphilosophie - vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, von Marx bis Aleida Assmann. Klages liest George, Schmitt liest Kafka, Heidegger liest Jünger, Adorno liest Mörike, Nussbaum liest Beckett und Bhabha liest Rushdie. Kulturphilosophen schöpfen ihre Inspiration aus der Lektüre literarischer Werke. Dabei lesen sie in diese fachfremden Texte ihre eigene Theorie hinein. Aber das Gelesene wehrt sich, windet sich und schwingt als Subtext im philosophischen Werk mit, den es generiert hat. Lesen bedeutet häufig Mißverstehen; aber Mißverstehen gebiert neue Einsichten in die anscheinend bekannte Welt.So entstehen neuartige Doppelporträts wie auf einer Spiegelachse - und im Wechselverhältnis von Verkennung und Erleuchtung.Aus dem InhaltHelmut Lethen: Carl Schmitt liest Franz KafkaGert Sautermeister: Theodor W. Adornos theoretische und praktische Überlegungen zur Lyrik - insbesondere zu Mörike und EichendorffManfred Jäger: Jürgen Kuczynski über Belletristik, Thomas Mann und Die BuddenbrooksUdo Franke-Penski: Jean-Paul Sartre liest Jean GenetJuliane Rytz: Blanchot liest Proust mit HomerMartin Hielscher: Claude Lévi-Strauss als Leser von Jean de LéryMoritz Baßler: Roland Barthes über Gustave Flauberts Bouvard und PécuchetTherese und Frank Hörnigk: Wolfgang Fritz Haug liest Volker BraunDavid Bathrick: Aleida Assmann liest Martin Walser
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht ungern hat sich Ralf Berhorst auf diese Aufsatzsammlung eingelassen. Lesenswert findet er zum Beispiel Gert Sautermeisters Verortung von Adornos historisierenden Lyrik-Interpretationen in einem Umfeld der Geschichtslosigkeit der Kunst. Wenn Berhorst in Beiträgen über Lese- und Interpretationsweisen bei Levi-Strauss und Nietzsche erfährt, wie Lektüren ins Träumerische abdriften, findet er das zwar aufschlussreich, jedoch erscheinen ihm die Kulturphilosophen in ihrem Umgang mit Texten auch nicht eigenwilliger als jeder andere Leser. Interpretation, so erinnert uns Berhorst, ist doch alles andere als objektiv und voraussetzungslos. Das gilt für Karl Marx und Sigmund Freud wie für jeden anderen Leser.
© Perlentaucher Medien GmbH
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