Über die dreihundert Jahre behalten die Altgläubigen Lettlands ein besonderes Flair der kulturellen Außenseiter und werden nimmer müde ihre Andersartigkeit zu betonen. Die Altgläubigen leben nicht nur relativ isoliert auf dem Lande, sondern auch in den Städten, wo sie sich den Regeln des urbanisierten Milieus angepasst haben und zu den anderen kulturellen Praktiken Kontakt haben. In diesem Kontext ergeben sich viele Fragen, vor allem aber, ob das Altgläubigentum vom Konservatismus dominiert wird und welche gegenwärtige Kulturpraktiken der Altgläubigen davon zeugen. In vorliegender Studie werden die Kulturpraktiken der Selbstorganisation, sowie der geistigen Ausbildung und kulturreligiösen Aufklärung als die das Altgläubigentum bildenden Praktiken analysiert und am Beispiel der Aktivitäten der Altgläubigen in der Zwischenkriegszeit und heutzutage untersucht. Dabei werden zwei Aspekte besonders betont - der strukturelle, der mit der kultursoziale Mikrowelt der Altgläubigen verbunden ist, und der funktionelle, der das Aufbewahren des Wesens des Altgläubigentums in den veränderlichen historischen Umständen gewährleistet.