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Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich die weltweiten Ordnungsbedingungen in Politik und Wirtschaft grundlegend verändert. Der Autor gibt zunächst eine Übersicht über diesen Wandel und über ökonomische Ansätze zur Erklärung der kulturellen Hintergründe. Anschließend präsentiert er eine eigenständige kulturvergleichende Institutionenökonomik als Grundlage der weiteren Untersuchungen. In den historischen Vergleichsstudien werden die großen ideellen Weichenstellungen für divergente kulturelle und institutionelle Entwicklungen behandelt. Abschließend werden die Eigenarten und…mehr

Produktbeschreibung
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich die weltweiten Ordnungsbedingungen in Politik und Wirtschaft grundlegend verändert. Der Autor gibt zunächst eine Übersicht über diesen Wandel und über ökonomische Ansätze zur Erklärung der kulturellen Hintergründe. Anschließend präsentiert er eine eigenständige kulturvergleichende Institutionenökonomik als Grundlage der weiteren Untersuchungen. In den historischen Vergleichsstudien werden die großen ideellen Weichenstellungen für divergente kulturelle und institutionelle Entwicklungen behandelt. Abschließend werden die Eigenarten und Entwicklungspotentiale aktueller Kulturkreise (Afrika, China, Islamischer Kulturraum, Rußland, USA und Deutschland) verglichen.
Autorenporträt
Der Autor Prof. Dr. Helmut Leipold lehrt an der Universität Marburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2006

Überlegene Wirtschaftskulturen
Ein verwegener Ritt von der Frühgeschichte bis heute

Das handlungstheoretische Modell des "Homo oeconomicus" trifft regelmäßig auf Kritik. Der Marburger Ökonom Helmut Leipold favorisiert das ergänzende Modell des "Homo culturalis" - und darauf baut er auf, was er eine kulturvergleichende Institutionenökonomik nennt. In seinem Buch bietet er zunächst einen gerafften, sehr gelungenen dogmenhistorischen Überblick. Adam Smiths "Theory of Moral Sentiments" führt er als Kronzeugen für die soziale Einbettung jeder Ökonomie an. Danach folgen Schlaglichter zur Historischen Schule, zu Max Weber, Walter Eucken, Friedrich August von Hayek und zur Neuen Institutionenökonomik.

Ihre Gemeinsamkeit liegt darin, daß jede Gesellschaft Regelsysteme (Institutionen) braucht und daß diese den Spielraum der Wirtschaft vorgeben. Insbesondere der Grad der Arbeitsteilung hängt von den Institutionen ab. Wo die Risiken und Reibungsflächen aufgrund ineffizienter oder fehlender Institutionen zu groß sind, stiegen die Transaktionskosten in prohibitive Höhen. Institutionen sind meist "bindungsbedürftig", sie müssen erst in der Gesellschaft verankert werden. Dies geschieht qua "Emotio" (moralische Gefühle im Sinne Smiths), "Credo" (religiöse Imperative, Ideologien) oder "Ratio" (Vernunftrecht). Alle drei Fundamente unterliegen einem langen Prozeß, in dem sie sich "pfadabhängig" herausgebildet haben. Und so muß man weit in die Geschichte zurückblicken, um aktuelle Unterschiede von Wirtschaftskulturen zu verstehen.

Im folgenden versucht sich Leipold an der empirischen Einlösung dieser überaus plausiblen Konzepte und schickt den Leser dafür auf eine lange Reise, die in den Sümpfen der Frühgeschichte beginnt und in denen der heutigen Sozialreformen endet. Im Zeitraffer marschieren "primitive Gemeinschaften", Stämme, erste "Häuptlingstümer", frühe Staaten und Imperien, das mittelalterliche Papsttum, die Reformatoren, Aufklärer sowie Revolutionäre am Leser vorbei. Ihre Gesellschaftsformen und Ideale werden jeweils kurz darauf abgeklopft, ob sie ökonomische Komplexität und technisch-wissenschaftlichen Fortschritt zulassen. Am Ende triumphiert Westeuropa, das aufgrund seiner einzigartigen Kombination von protestantischer Leistungsethik und Diesseitsbezogenheit, Rechtsstaatlichkeit und Rationalismus ein überlegenes kulturelles Fundament schuf, das nur noch von der marktgetriebenen Zivilgesellschaft der Vereinigten Staaten überflügelt werden konnte.

Diese Argumentation ist wohlbekannt und geht wesentlich auf Max Weber zurück. Diese Färbung des ganzen Buches wird im zweiten Teil noch deutlicher, in dem Leipold diese Fragen für Afrika, den islamischen Kulturraum sowie Rußland, Amerika und Deutschland dekliniert. Dieser verwegene Ritt durch die Weltgeschichte kann einem Spezialisten die Haare zu Berge stehen lassen und bestätigt am Ende doch nur das, was Weber schon vor 100 Jahren zu wissen glaubte. Demnach haben Afrika und die islamische Welt letztlich keine Entwicklungschance, da ihnen Tribalismus und Irrationalismus im Weg stehen, während der Westen davoneilt. Deutschland müsse sich aus dem Bann der Staatsgläubigkeit lösen und das Erbe von Luther, Hegel und Bismarck abstreifen. Wie ein solcher Kulturwandel funktionieren soll, wenn doch Pfadabhängigkeiten wirkungsmächtig sind, bleibt völlig im dunkeln. Wenn er gelänge, dann hätte am Ende sogar Afrika noch eine Chance.

Insgesamt ersetzt Leipold letztlich nur den ökonomischen durch einen kulturellen Determinismus. Der empirische Teil ist altbacken und oberflächlich. Die von Kenneth Pomeranz und anderen Historikern vorgenommene Relativierung der westlichen Überlegenheit bleibt unerwähnt. Die Zweige der neueren Ökonomie, die sich ausgiebig mit Institutionen und Handlungstheorien befassen, kommen ebenfalls kaum vor. Daß die Ökonomie noch weit davon entfernt ist, die Wechselwirkungen zwischen ökonomischem und kulturellem Phänomen zu verstehen, kann man diesem Buch jedoch nicht zum Vorwurf machen.

HARTMUT BERGHOFF.

Harvard Business School.

Helmut Leipold: Kulturvergleichende Institutionenökonomik. Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2006, 319 Seiten, 19,90 Euro.

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