Rezension / Literaturbericht aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Sprache: Deutsch, Abstract: Man kommt angesichts der hohen Anzahl neuer Publikationen nicht umhin, den kulturwissenschaftlichen Diskurs kritisch nach innovativen Einsichten zu befragen. Dabei ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass die meisten Publikationen nicht eben selten bekannte Standpunkte festigen möchten. Die kulturwissenschaftliche Debatte zeichnet sich zudem durch Unübersichtlichkeit aus. Folglich besteht Systematisierungs- und Klassifizierungsbedarf, welcher Orientierung in Form von Grundlagenreflexion ermöglicht. Für dieses Desiderat scheint die Form eines Handbuchs prädestiniert. Das voluminöse "Handbuch der Kulturwissenschaften" von Friedrich Jaeger et. al. verschafft mehr als einen leitenden Überblick im Bereich der Kulturwissenschaften. Einige Artikel setzen Kennerwissen des kulturwissenschaftlichen Diskurses voraus und erreichen eine Detailkenntnisund -tiefe, welche ansonsten spezialisierten Diskursen in einschlägigen Fachzeitschriften vorbehalten ist. Das Handbuch stammt aus dem Hause Metzler, welches sich zunehmend verkaufs- und auflagenorientierten Bücher zuwendet, wie z.B. Lexika und Handbücher.Das Gros der in den drei Handbüchern vertretenen Autoren orientiert sich, soweit sie sozialwissenschaftlich einzuordnen sind, am empirisch-analytischen Wissenschaftsverständnis. Mit der Ausrichtung am empirisch-analytischen Wissenschaftstheorie einher geht generell eine Überschätzung der Reichweite des methodologischen Individualismus inklusive seiner mikroanalytisch fundierten Handlungstheorie(n). Dasselbe gilt für das Korrelat in den Geschichtswissenschaften: Die Autoren argumentieren für einen Paradigmenwechsel in der Geschichtswissenschaft, was mit den Stichworten Geschichte als narrativer und ggf. fiktionaler Text, oral history etc. umschrieben werden kann. So verwundert es nicht, dass der prominente Mannheimer Soziologe Hartmut Esser mit seiner Werterwartungstheorie aufwarten darf. Eigentlich wohnt Essers eklektischem Theorienmix wenig Eigenleistung inne. Insbesondere vom amerikanischen Soziologen James Coleman hat Esser viele Theoriebausteine übernommen, nicht zuletzt die sogenannte essersche Badewanne. Allerdings finden - und dies ist als Pluspunkt zu verzeichnen - auch konstruktivistisch-systemtheoretische Varianten à la Luhmann und Schmidt Berücksichtigung, wenngleich geringfügiger.
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