Reiselust, Reisefieber - wer ist nicht von ihnen gepackt? Aber das Glück der Reise ist fragil: Man steht vor einem grandiosen Sonnenuntergang, aber das verdrossene Ich ging mit auf Fahrt und verdirbt die exotische Kulisse. Der Reiseführer weiß alles millimetergenau, aber raubt die Zeit und kennt nicht den kleinen Park - und hätte man den nicht gesehen, Madrid wäre einfach so vorbeigerauscht.Alain de Botton, Kosmopolit und Flaneur, beschreibt locker und charmant von Aufbruch bis Heimkehr die Wagnisse des Reisens. Er warnt uns vor der Schlinge der falschen Erwartungen, der Unrast, die uns den Blick verschlägt. Geschichten und Anekdoten reihen sich an Erzählungen aus seinem Leben und essayistischen Besuchen bei großen Reisenden und Malern, deren Bilder und Bücher unser Sehen veränderten: seit van Gogh trägt die Provence andere Farben. De Botton entdeckt die Poesie des Unterwegs - und es gelingt ihm eine unaufdringliche, immer überraschende und begeisternde Kunst des Reisens.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2002Was machen wir hier?
Bottons "Kunst des Reisens"
Die Deutschen, anfällig für mythische literarische Gestalten, verliebten sich in Bruce Chatwins Reiseprosa auch deshalb, weil sie immer ein bißchen unverständlich blieb. Alain de Bottons größtes Problem dürfte darum seine große Verständlichkeit sein: Kann man denn wirklich kühn und klug sein, wenn man als Leser alles verstehen kann? Man kann. De Bottons Essays über das Reisen sind zugleich präzise Untersuchungen über den merkwürdigen Zustand des Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts: Wie kann man noch etwas selbst erleben, ohne es durch die Augen der anderen zu sehen, wie noch neugierig sein trotz der Übermacht der Bilder im Kopf. "Was mache ich hier?" fragte Chatwin und fuhr nach Hause. De Botton ist radikaler: Er fragt sich gut gelaunt 288 Seiten lang, was wir eigentlich noch auf dieser durchschauten Erde wollen. (Alain de Botton: Kunst des Reisens. S. Fischer Verlag, 2002, 288 Seiten, 19,90 Euro)
flo
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bottons "Kunst des Reisens"
Die Deutschen, anfällig für mythische literarische Gestalten, verliebten sich in Bruce Chatwins Reiseprosa auch deshalb, weil sie immer ein bißchen unverständlich blieb. Alain de Bottons größtes Problem dürfte darum seine große Verständlichkeit sein: Kann man denn wirklich kühn und klug sein, wenn man als Leser alles verstehen kann? Man kann. De Bottons Essays über das Reisen sind zugleich präzise Untersuchungen über den merkwürdigen Zustand des Menschen am Anfang des 21. Jahrhunderts: Wie kann man noch etwas selbst erleben, ohne es durch die Augen der anderen zu sehen, wie noch neugierig sein trotz der Übermacht der Bilder im Kopf. "Was mache ich hier?" fragte Chatwin und fuhr nach Hause. De Botton ist radikaler: Er fragt sich gut gelaunt 288 Seiten lang, was wir eigentlich noch auf dieser durchschauten Erde wollen. (Alain de Botton: Kunst des Reisens. S. Fischer Verlag, 2002, 288 Seiten, 19,90 Euro)
flo
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main