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Mit diesem Bildband können Sie die Kunstschätze Deutschlands von Karl dem Großen bis heute entdecken. Mehr als 600 Kunstwerke aus Malerei, Architektur, Skupltur, Film, Fotografie, Keramik, Möbel und Goldschmiedekunst werden in ihren historischen Kontext gestellt - illustriert durch 645 Abbildungen! "Eine kundige Wanderung durch 1.000 Jahre Kunstproduktion auf deutschem Boden. Von der Reichskrone bis Anselm Kiefer sortiert der Autor bildreich die Kulturgeschichte." (Die Woche)

Produktbeschreibung
Mit diesem Bildband können Sie die Kunstschätze Deutschlands von Karl dem Großen bis heute entdecken. Mehr als 600 Kunstwerke aus Malerei, Architektur, Skupltur, Film, Fotografie, Keramik, Möbel und Goldschmiedekunst werden in ihren historischen Kontext gestellt - illustriert durch 645 Abbildungen! "Eine kundige Wanderung durch 1.000 Jahre Kunstproduktion auf deutschem Boden. Von der Reichskrone bis Anselm Kiefer sortiert der Autor bildreich die Kulturgeschichte." (Die Woche)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.1999

Erlebnisse des Ich
Robert Suckales Streifzüge durch die Kunst in Deutschland · Von Ilona Lehnart

Die deutsche Kunstwissenschaft trägt nicht leicht an der Aufgabe, ein zwar immenses, aber in Teilen prekäres Erbe verwalten zu müssen. Wenn sie sich am Ende des Jahrtausends zu voluminösen Retrospektiven und Bilanzen verlocken läßt, hat sie neben dem Nachlaß des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" auch den der Nationalsozialisten zu inventarisieren. Indes, so virulent die nationalen Traumata sind, so ambivalent sind die Bewußtseinslagen der Historiographen.

Gewiß sind in der nationalen Kunstgeschichtsschreibung dieses Jahrhunderts ideologische Verzerrungen zu korrigieren, man wird sich jedoch fragen müssen, ob unter den veränderten geopolitischen Verhältnissen in Europa alte Rechnungen beglichen werden müssen, wie Heinrich Klotz es kürzlich im ersten Band seiner "Geschichte der Kunst" unternahm.

Anders äußert sich nun Robert Suckale. Auch dessen Sorge gilt nationalen Idiosynkrasien, aber nicht denen der anderen. Suckale ist ein Moralist im Sinne der Aufklärung, seine Sorge gilt recht eigentlich der ästhetischen Erziehung der Nation. Daher der didaktische, an das Geschichtsbewußtsein der Deutschen appellierende Duktus. Schon im Werktitel schwingt er eigenwillig mit: "Kunst in Deutschland", nicht etwa "Deutsche Kunst" ist das Geschichtskonvolut überschrieben, mit dem Suckale mehr beabsichtigt als ein Resümee der künstlerischen Produktion "Von Karl dem Großen bis heute". Was im Titel so rabulistisch anklingt, ist ästhetisches Programm, zugleich aber Teil der beabsichtigten politischen Bildung: "deutsch" zu sein, im Sinne einer Wesenseinheit, diese Apostrophierung verweigert Suckale der Kunst aus mehreren Gründen.

Zum einen, weil ihre Geschichte eine der Adaptionen und Assimilationen sei, vergleichbar den Vermischungen der Volksgemeinschaft. Daher sei die Kunst in Deutschland im besten Sinne als "europäische" Kunst zu bezeichnen, soweit sie vor dem Epochenumbruch um 1800 an der gemeinschaftlichen Umsetzung der Reichsidee beteiligt war. Man mag dem entgegenhalten, daß sich nicht alle Künstler explizit in den Dienst der monarchia universalis stellen, aber Suckale argumentiert aus der Perspektive der Mentalitäts- und Sozialgeschichte. Unstrittig ist freilich, daß sich in der deutschen Kunst früh geistliche und weltliche, politische und konfessionelle Polaritäten kristallisieren. Analog zu den zeitgeschichtlichen Erschütterungen führt Suckale auf, wie etwa die kaiserliche Bildpropagande der ottonisch-salischen Kunst durch antikaiserliche Bildentwürfe der gregorianischen Reformpartei konterkariert wurde oder wie auf Bildkonzepte der Reformation die Gegenreformation antwortete.

Gewiß haben die Künstler unter den polaren Gegenströmungen gelitten, aber die deutsche Kunst, die wir mangels besserer Begriffe vorerst noch so nennen wollen, hat auch ihren Lebensstrom aus ihnen bezogen. Allerdings wird man Suckale darin zustimmen müssen, daß sich insbesondere mit dem Partikularismus seit dem Mittelalter jene historische Struktur ausbildete, die für die deutsche Kunst und Geschichte so eigentümlich ist. In der territorialen Aufsplitterung werden die frühen Wurzeln der föderalen Struktur sichtbar, die der deutschen Kunstproduktion bis heute ihre spezifische Ausprägung geben. Lakonisch umreißt sie der Autor als "Polarität zwischen Lokalpatriotismus und Kosmopolitismus, zwischen bieder und weltausgreifend". Daß sich die deutsche Kunst durchweg in Abhängigkeitsverhältnissen befand, ja überwiegend in Interessensphären der Macht verwickelt war, ist nicht zu bestreiten. Nie sei sie, so Suckale, wirklich autonom gewesen.

In ihren Grundzügen ist die Geschichte der "Kunst in Deutschland" das große abendländische Epos von der Magie der Bilder, von Bilderkult und Bilderstreit. Erzählt wird von den religiösen und ideologischen Verblendungen und Obsessionen, die vom karolingischen Bilderverbot über den hussitischen Bildersturm und den Furor der Reformation bis zu den Verfemungen und Bilderverbrennungen des zwanzigsten Jahrhunderts führen. Den "Bamberger Reiter" findet der Leser nicht ohne Grund zweimal an zentraler Stelle in Suckales Werk aufgeführt: einmal im Kapitel über die höfisch-ritterliche Kultur der Stauferzeit und ein weiteres Mal im Abschnitt über die Bildsuggestionen der Zeit des Nationalsozialismus. Daß Suckale dem hochgerühmten Anonymus eine Identität gibt - ihn ohne jede Einschränkung als "heiligen Stephan von Ungarn" vorstellt -, hätte vielleicht eines Quellenhinweises bedurft. Denn der Autor schließt sich einer Hypothese an, die schon die Kunstgeschichtsforschung des neunzehnten Jahrhunderts vorschlug. Man weiß jedoch inzwischen, daß der Bamberger Reiter als "heiliger Stephan von Ungarn" nicht ins Konzept der Nazi-Ideologie paßte. Die Statue wäre untauglich gewesen für das Bestreben, sie zur zentralen historischen Identifikationsfigur der Deutschen zu machen. Deren Bildsuggestionen führt Suckale dem Leser eindrucksvoll vor anhand einer Fotografie des Reiterstandbildes aus dem Jahre 1937.

Man erkennt in der Tat recht gut, wie der "namenlose" Reiter, subtil verschattet, das männliche Profil trotzig gereckt, den angeblich "herrischen Blick nach Osten" richtet, den Wilhelm Pinder und andere aus den weichen, fast femininen Gesichtszügen ablesen wollte. Daß die Statue in Wirklichkeit unbestimmten Blickes nach Südwesten schaut, übersahen die Interpreten geflissentlich.

Die Bildauswahl wurde nicht ohne tiefere Absicht getroffen, erinnert sie doch an einen alten Streit aus den siebziger Jahren. In einer Studie zur Forschungsgeschichte des Bamberger Reiters hatte Berthold Hinz damals die bis weit in die Nachkriegszeit reichenden, teils offen faschistischen Projektionen von Teilen der älteren Kunstwissenschaft entlarvt. Gleichsam auf der Metaebene hat man daher in Suckales Kunsthistoriographie die Verstrickungen des eigenen Faches mitzulesen. Der damals so heftig aufwallende Methodenstreit der "idealistischen" Kunstaneignung Adornoscher Prägung und der "materialistischen" in der Nachfolge Georg Lukács' oder Arnold Hausers glimmt im Subtext seiner Geschichte zur "Kunst in Deutschland" noch rudimentär weiter, gleichwohl geborgen in einem moderaten System kulturwissenschaftlicher Praxis.

Aus ihm geht sein Universalismus hervor. In dem latenten Kulturpessimismus freilich, der insbesondere die Kapitel über die Moderne einschwärzt, ist das utopische Feuer der siebziger Jahre erloschen und einem latenten Kulturpessimismus gewichen. Erfreulich hingegen, daß über den Reflexionen zur gesellschaftlichen Lebenspraxis, den Exkursen in die politische Historie und Betrachtungen zur Kunsttheorie auch ausführliche monographische Analysen möglich waren, etwa zu den herausragenden Meistern des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts.

Martin Schongauer wäre zu nennen, mit dessen Werk die Vorherrschaft des Zeichnerischen in der deutschen Kunst einsetzt, Michael Pacher, der die innovative Kraft Andrea Mantegnas in sich aufsog, aber auch aus der Kunst des Genter Malers Hugo van der Goes lernte. Helle und vitale Akkorde klangen mit dem Geist des Humanismus, der neu erwachten Lust am Naturstudium, mit dem Ehrgeiz, die Antike überwinden, ja übertreffen zu können, in der deutschen Kunst auf. Und dennoch affizieren zur gleichen Zeit melancholische Weltflüchtigkeit, aufflammende Ängste und Gefühle von Tod und Untergang, wie Johan Huizinga sie für den "Herbst des Mittelalters" als schmerzliche Grundstimmung einer übermüdeten Epoche zeichnete, auch die deutschen Künstler.

Religiöse Spannungen und soziale Extreme leiten schließlich den tiefgreifenden Mentalitätswechsel ein: erst seit dieser Epoche sei überhaupt von einem Ansatz zu einer autonomen Geschichte der Kunst zu sprechen. Um so dynamischer strebt sie in der künstlerischen Revolution um 1500 ihrem Höhepunkt entgegen. Auf "unerhört moderne Weise" sei deren Fixstern Albrecht Dürer "von den Erlebnissen des Ich ausgegangen, ohne doch den Objektivitäts- und Wahrheitsanspruch aufzugeben". Dennoch ist der Grundton dieser dem Subjektiven zuneigenden Zeit sonderbar ambivalent. Den gesteigerten intellektuellen Ansprüchen Dürers antwortet Hans Baldung Grien mit seinen Eros und Tod umkreisenden Obsessionen, Grünewald mit mystisch-verzückten Visionen. Dessen Bilderfolge für den Isenheimer Altar hält Suckale für das Eindrucksvollste, was das Zeitalter geschaffen hat.

Im Grunde ändert der Autor den Kanon nicht. Aber er wendet sich leidenschaftlicher als andere dem kulturellen Erbe der östlichen Kulturlandschaften zu, seien sie nun innerhalb oder außerhalb der alten Grenze gelegen. Daß die Formel von der vermeintlichen Historizität des Vergangenen wenig überzeugend ist, vermittelt Suckale vorzüglich: "Der Gedanke, daß jede Epoche etwas Eigenes und in sich Abgeschlossenes sei, ist Grundlage der historischen Denkweise, die wir Historismus nennen", lesen wir in seinen Überlegungen zum Werk Johann Joachim Winckelmanns. Den habe gerade die Idealisierung der Klassizität zu einem Wegbereiter der Moderne gemacht, "ebenso aber die Tatsache, daß nun ein Nicht-Künstler das Wort ergreift und daß die Macht des Wortes die des Bildes zu übertreffen beginnt". Ein Nullpunkt womöglich: Historische Formen und Typen werden von nun an bestimmten Aufgaben angepaßt, oft "in Analogie zu rhetorischen Stillagen". Beginnt mit dem Zeitalter der Illusionen der Anfang vom Ende?

Ganz neu ist der Gedanke nicht, daß mit dem großen Epochenumbruch um 1800 keine Kunstströmung mehr den Anspruch erheben kann, "alle Aspekte eines Zeitalters auszusprechen". Suckale jedoch wittert die Gefährdungen der Moderne in ihren soziokulturellen wie mentalen Tiefenschichten. Hinter wechselnden "Ismen" gebe es nur noch Mehrheitsmeinungen: "Nie von allen geteilt, oft sogar - gerade im zwanzigsten Jahrhundert - nur von Künstlergruppen und Kunstfreuden geteilt, haben sie gleichsam Parteicharakter."

So gerinnen Suckale die letzten Kapitel zum Abgesang, passagenweise zur Abrechnung mit der "Kunst in Deutschland". Wenige Große werden noch nennenswert, die Romantiker natürlich, auch Adolph Menzel, der die Zyklopen der Arbeitswelt in den neuen, industriellen Schmieden des Vulkan feierte, als hoffe er, die dampfenden Leiber und Maschinen könnten dem kränkelnden Ästhetizismus des Fin de siècle ein Ende bereiten. Der Rest ist Epilog: mächtig anschwellend noch einmal in den Kapiteln zur Architektur und Malerei der Moderne, unverhüllt doktrinär in der Ablehnung der wiederaufblühenden Nachkriegskunst westlicher Prägung, polemisch in der Verteidigung von "Gegenständlichkeit" versus "Abstraktion". Wenn der deutschen Kunst etwas wesenseigentümlich ist, dann die Neigung zu Polaritäten.

Robert Suckale: "Kunst in Deutschland. Von Karl dem Großen bis heute". DuMont Verlag, Köln 1998. 688 S., geb., zahlr. Abb., 99,90 DM.

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