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Zwischen 1794 und 1811 beschlagnahmt das zuerst revolutionäre, später kaiserliche Frankreich im Namen der Freiheit und des Fortschritts der Künste viele tausend Kunstwerke und Bücher in den besiegten Ländern Europas. Die Studie beschreibt die Formen und Folgen der französischen Kunsteroberungen in Deutschland und Wien und lässt die Hauptakteure auf beiden Seiten zu Wort kommen. Der Band widmet sich zunächst dem Schicksal der beschlagnahmten Werke in Frankreich und geht dann der Frage nach, inwieweit die Aneignungspolitik des französischen Siegers im deutschsprachigen Raum zur Ausbildung eines…mehr

Produktbeschreibung
Zwischen 1794 und 1811 beschlagnahmt das zuerst revolutionäre, später kaiserliche Frankreich im Namen der Freiheit und des Fortschritts der Künste viele tausend Kunstwerke und Bücher in den besiegten Ländern Europas. Die Studie beschreibt die Formen und Folgen der französischen Kunsteroberungen in Deutschland und Wien und lässt die Hauptakteure auf beiden Seiten zu Wort kommen. Der Band widmet sich zunächst dem Schicksal der beschlagnahmten Werke in Frankreich und geht dann der Frage nach, inwieweit die Aneignungspolitik des französischen Siegers im deutschsprachigen Raum zur Ausbildung eines Bewusstseins für das eigene Kulturerbe beigetragen hat. Die beiliegende CD-Rom rekonstruiert die spektakuläre Louvre-Ausstellung von 1807-1808, in der über 700 Werke ausgestellt waren, die Dominique-Vivant Denon, "das Auge Napoleons", in Danzig, Berlin, Potsdam, Kassel, Braunschweig, Wien und Schwerin beschlagnahmt hatte.

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Autorenporträt
Bénédicte Savoy ist Professorin für Kunstgeschichte der Moderne an der TU Berlin und Professorin am Collège de France in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.2011

Plünderung mit Mehrwert

Was Paris so hoch schätzte, das musste auch Deutschland schmücken: Bénédicte Savoy führt den napoleonischen Kunstraub als europäisches Schlüsselerlebnis vor Augen.

Im Warten auf die Übersetzung eines Buchs kann der in ihm behandelte Forschungsgegenstand sich fortentwickeln. Im knappen Jahrzehnt seit Erscheinen dieses Standardwerks über den napoleonischen Kunstraub (F.A.Z. vom 3. Januar 2004) sind neue Themenkonturen entstanden. Was zuvor weitgehend theorielos aus trockenen Listenvergleichen bestand, hat mittlerweile sein historisches Korollar, seinen Begriffsrahmen, seinen Zitatenschatz, sein Debattenfeld. Gerade dieses Buch hat nicht unerheblich zu diesem Ergebnis beigetragen. Die inzwischen zum Thema Kunstraub entstandene Literatur mit einzuarbeiten, hätte eine völlig neue Darstellung ergeben, schreibt die Autorin. Sie hat darauf verzichtet. Das schmälert den Wert dieser Studie kaum. Ihre Pionierleistung wird nun vielmehr erst nachvollziehbar.

Die Debatte über erbeutete Kunstgüter und deren allfällige Rückführung kommt nicht mehr aus ohne das Wissen über den begleitenden Diskurs, mit dem das Phänomen vor zweihundert Jahren in seine moderne Phase trat. Die seit 1794 auf den Spuren der napoleonischen Armee in Ägypten, Italien, Holland, Belgien, Deutschland und Österreich systematisch betriebene Beschlagnahmung von Kunstgütern und deren Überführung nach Paris wollte nicht einfach als gemeine Plünderung verstanden werden. Die der jeweiligen Militärhoheit unterstehenden Kommissare hatten Weisung, die Meisterwerke Europas sorgfältig und möglichst vollständig in die Metropole der Republik und später des Kaiserreichs zu schaffen, das Zentrum von Freiheit, Fortschritt und Humanität.

Die Operation weckte außer bei den von der Konfiszierung direkt Betroffenen zunächst wenig Einspruch. Im Lauf von Napoleons Beutezügen wechselte dann aber die Wahrnehmung doch zu national getragener Auflehnung, verstärkten imperialen Legitimationsbemühungen und schließlich Rückführungsstrategien auf diplomatischem oder militärischem Weg. Das Buch dokumentiert diesen Prozess im breiten historischen Zusammenhang, mit den Nachwirkungen bis zu den beiden Weltkriegen.

In allen drei Kapitelabteilungen des systematischen Teils - "Akteure", "Meinungen", "Objekte" - sticht die Figur Vivant Denons, Direktor des 1804 in Musée Napoléon umbenannten Louvre und "Auge Napoleons", besonders heraus. Wo immer sein auf Konfiszierung geschärfter Blick sich festsetzte, fühlte man sich trotz Verlustschmerzes auch irgendwie geschmeichelt. "Habe ich Dir schon geschrieben, dass ich einen Besuch von meinem alten Freund Denon hatte, der sich einige Tage bei uns aufhielt?", plauderte Goethe am 23. Oktober 1806 in einem Brief aus Weimar. Die Begegnung sei äußerst munter und artig gewesen.

Wie Denon gehörte Goethe zur Generation von Aufklärung und Humanismus, für welche die Kunst nicht unbedingt einen besonderen Heimatboden hat, sondern dort am besten gedeiht, wo man sie pflegt. Das Umschwenken auf die nationale Perspektive, in der Kunst und Volk organisch zusammengehören, war schon eher Sache der Folgegeneration nach der Schlacht von Jena und Auerstedt. Mit ihr wurden dann auch die Rückführungsanträge der deutschen Fürsten und Bürgerschaften lauter.

Die an der Berliner Technischen Universität lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy untersucht in ihrer Studie aber auch im Detail, welche Objekte unter welchen Bedingungen nach Frankreich gelangten. In der Fülle der Gemälde, Zeichnungen, Statuen, Kunstgegenstände, Bücher gab es besonders emblematische Fälle. Dass die Quadriga des Brandenburger Tors auf Anordnung Vivant Denons im Dezember 1806 abmontiert und bis 1814 dann in Paris verwahrt wurde, war mehr als ein Wink der Geschichte. Allein aus den Rückgabeforderungen lässt sich das geistige Doppelprofil Deutschlands zur Restaurationszeit ablesen: Was war dringlicher, die Rückkehr der Handschriften von Winckelmann oder die Liedsammlungen des Minnegesangs? Klassizismus oder Romantik? Manche Rückführungen wurden mit wahren Festzügen gefeiert, wie die von Rubens' "Kreuzigung Petri" im Oktober 1815 nach Köln.

Besonders aufschlussreich sind im Buch die Seitenblicke auf ästhetische und ideologische Begleiterscheinungen. Die deutschen Beobachter schien zunächst vor allem zu stören, dass die Franzosen nach den falschen Objekten griffen, statt nach griechischer Stilreinheit nach römischen Imitationen. Die große Beutekunstausstellung, die Denon 1807/08 im Louvre einrichtete, mit über siebenhundert Objekten aus Deutschland, beeindruckte dann aber die Zeitgenossen durch Ausmaß wie Auswahl. Der kritische Katalog mit den Objekten dieser Ausstellung, in der französischen Originalausgabe ein eigener zweiter Band, liegt nun als CD-ROM bei und bietet eine Fülle an Detailinformation.

Das Ansehen, das deutsche Meister wie Dürer, Cranach oder Holbein mit jener Ausstellung errangen, kam ihnen dann auch in ihrer Heimat zugute. Der erzwungene Ritterschlag in der Kunstmetropole an der Seine, lautet eine These des Buchs, hat die Malerei des Nordens in der europäischen Wahrnehmung erst recht als der italienischen, spanischen, französischen Kunst ebenbürtig etabliert. Zugleich hat er das deutsche Denkmalbewusstsein mitgeprägt. Denn entsprang dieses in Frankreich endogen aus dem Trauma der revolutionären Bildzerstörung, geht es in Deutschland - so eine weitere These des Buchs - exogen auf den Bildentzug via Kunstraub zurück: ein Faktum, an dem das deutsche Selbstverständnis als Kulturnation sich schärfte. Anlässlich der napoleonischen Kunstbeutezüge ist der Autorin, die auch für die gegenwärtig gerade in der Bonner Bundeskunsthalle laufende Ausstellung "Napoleon und Europa" (F.A.Z. vom 21. Dezember 2010) verantwortlich zeichnet, ein fesselndes kulturgeschichtliches Panorama gelungen.

JOSEPH HANIMANN

Bénédicte Savoy: "Kunstraub". Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen. Mit einem Katalog der Kunstwerke aus deutschen Sammlungen im Musée Napoléon auf CD-ROM.

Aus dem Französischen von Tom Heithoff. Böhlau Verlag, Wien-Köln-Weimar 2011. 564 S., geb., 49,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als rundum erfreuliches Lektüreerlebnis feiert Johannes Willms Benedicte Savoys Darstellung der napoleonischen Kunstraubzüge in Deutschland und ihrer Folgen, die er hier, mit dem nötigen historischen Abstand, ausgewogen untersucht sieht. Bewunderung hat er nicht nur für die Akribie, mit der die in Berlin lehrende französische Kunsthistorikerin die Quellenfülle auswertet. Insbesondere beeindruckt hat ihn Savoys Nachweis, dass die Beutezüge als Folge nicht nur eine bis dahin nicht da gewesene Wertschätzung für Maler wie Altdorfer, Cranach oder Dürer zeitigten, sondern ein neues Interesse am Museumswesen auch in Deutschland initiierte. Und so preist er dieses Werk uneingeschränkt für die Souveränität seiner Darstellung, wobei er besonders begeistert vermerkt, dass das Werk auch noch angenehm und fesselnd zu lesen ist.

© Perlentaucher Medien GmbH