Eine Bar ohne Namen in einer düsteren Seitenstraße. Gedämpfte Musik, Stimmengewirr und Zigarrenqualm im Halbdunkel. Szenen wie diese waren in den 1920er-Jahren trotz Prohibition in den USA keine Seltenheit. Sidecar, White Lady oder French 75 - in den Bars der verraucht-verruchten 1920er wurden die klassischen Cocktails geboren. Rund 100 Jahre später erleben Speakeasies auf der ganzen Welt neuen Aufschwung: In der Frigobar von São Paulo oder im Blind Pig in London einen Drink bestellen, Live-Jazz in Hong Kongs Foxglove lauschen - »Streng geheim« entführt Sie in die verstecktesten Bars.
+ Die besten Speakeasies im Portrait
+ Mit Rezepten für verboten gute Cocktails
+ Reich illustriert mit Originalbildern der Locations
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.12.2018REISEBUCH
Mit Code zum Cocktail
In den Zwanzigerjahren war Alkohol in den USA verboten. Heute wird die Zeit
der Prohibition romantisch verklärt – in neuen Speakeasy Bars
VON STEFAN FISCHER
Als ein „großes soziales und wirtschaftliches Experiment, aus noblen Motiven unternommen“, hat der US-Präsident Herbert Hoover die Prohibition bezeichnet. Dieses Verbot, Alkohol zu produzieren, zu transportieren und zu verkaufen, wurde unter seinem Vorvorvorgänger Woodrow Wilson trotz dessen Vetos 1920 wirksam, wieder abgeschafft hat es Hoovers Nachfolger Franklin D. Roosevelt 1933.
Es hat 13 Jahre lang gedauert, bis nicht mehr zu verkennen war, dass dieses Experiment weitgehend gescheitert war. Denn Alkohol wurde in den USA weiterhin in riesigen Mengen produziert, transportiert, verkauft – und also auch getrunken. Die Qualität war aber oft minderwertig, Studien gehen von 20 000 Lähmungserkrankungen aus, weil dem Schnaps mitunter Trikresylphosphat beigemischt wurde – ein Zusatz für Hydraulikflüssigkeiten und Schmierstoffe. Die Kneipen, die von der Legalität in die Illegalität wechselten oder neu eröffneten, hießen bald Speakeasy Bars, Flüsterkneipen, weil sie tunlichst nicht auffallen sollten.
Die Prohibition ist Geschichte – eine, die bis heute leidenschaftlich weitergeflüstert wird. Im Nachhinein habe die Prohibition eine „romantische Aura“ angenommen, schreibt Maurizio Maestrelli in dem Buch „Streng geheim“, in dem er gemeinsam mit Samuele Ambrosi die seiner Meinung nach besten Speakeasy Bars der Gegenwart vorstellt.
Auffallend ist, dass es aktuell eine regelrechte Renaissance dieser Bars gibt: Viele der in dem Buch vorgestellten Etablissements haben im aktuellen Jahrzehnt eröffnet. Das Geheimnis, das sie um ihre Existenz machen, ist natürlich keine Notwendigkeit mehr, sondern ein Spiel. Dieser Spiel- und Stilwille drückt sich oft schon im Namen aus: In San Diego gibt es in Anspielung auf Hoovers Aussage eben „The Noble Experiment“, der „Rains Law Room“ in New York bezieht sich auf ein Anti-Alkohol-Gesetz, und „PDT“, ebenfalls in New York, ist die Abkürzung für „Please don’t tell“ – verrat’s nicht weiter.
Es geht um Exklusivität, um Nostalgie und darum, die hektische Gegenwart auszublenden in einem stilvollen Ambiente bei ausgezeichneten Cocktails. Wenn es um die Qualität der Getränke und das Können der Barkeeper geht, fallen den beiden Autoren zwar immer nur die stets gleichen schwärmerischen Adjektive ein. Dennoch gelingt es dem Buch, einen neugierig zu machen auf diese charmanten Möglichkeiten des gepflegten Trinkens.
Hinein kommt man in die meisten dieser Bars offenbar, wenn man es nur möchte – es handelt sich nicht um Clubs. Aber sie sind nicht einfach zu entdecken, manchmal benötigt man einen Code, einige der Speakeasy Bars sind getarnt, zum Beispiel als Buchhandlung. Zieht man dann im „Williams & Graham“ in Denver das „Savoy Cocktail Book“ ein wenig aus dem Regal, öffnet sich die Pforte ins eigentliche Lokal. Auch als Gast braucht man einen gewissen Spleen, um an den modernen Speakeasy Bars seinen Gefallen zu finden. Aber genau um diese Kundschaft geht es den Betreibern, die auch in ihrer Getränkeauswahl nach Extravaganz streben.
Maurizio Maestrelli, Samuele Ambrosi: Streng geheim. Die coolsten Speakeasy Bars der Welt. Aus dem Italienischen von Michael Auwers und Anke Wagner-Wolff. Kunth Verlag, München 2018. 208 Seiten, 20 Euro.
Die Speakeasy Bar
„PDT“ tarnt sich als
Hotdog-Restaurant.
Im „Evans and Peel“
kommen Cocktails hinter Gitter, im „Nightjar“ der
Absinth in einen Schrein.
Im „Antiquario“
passen sich die Gäste
dem Stil an.
Fotos: Joshua Lutz / Redux /
Contrasto, Evans and Peel,
Rebecca Little, Paola Tufo
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Mit Code zum Cocktail
In den Zwanzigerjahren war Alkohol in den USA verboten. Heute wird die Zeit
der Prohibition romantisch verklärt – in neuen Speakeasy Bars
VON STEFAN FISCHER
Als ein „großes soziales und wirtschaftliches Experiment, aus noblen Motiven unternommen“, hat der US-Präsident Herbert Hoover die Prohibition bezeichnet. Dieses Verbot, Alkohol zu produzieren, zu transportieren und zu verkaufen, wurde unter seinem Vorvorvorgänger Woodrow Wilson trotz dessen Vetos 1920 wirksam, wieder abgeschafft hat es Hoovers Nachfolger Franklin D. Roosevelt 1933.
Es hat 13 Jahre lang gedauert, bis nicht mehr zu verkennen war, dass dieses Experiment weitgehend gescheitert war. Denn Alkohol wurde in den USA weiterhin in riesigen Mengen produziert, transportiert, verkauft – und also auch getrunken. Die Qualität war aber oft minderwertig, Studien gehen von 20 000 Lähmungserkrankungen aus, weil dem Schnaps mitunter Trikresylphosphat beigemischt wurde – ein Zusatz für Hydraulikflüssigkeiten und Schmierstoffe. Die Kneipen, die von der Legalität in die Illegalität wechselten oder neu eröffneten, hießen bald Speakeasy Bars, Flüsterkneipen, weil sie tunlichst nicht auffallen sollten.
Die Prohibition ist Geschichte – eine, die bis heute leidenschaftlich weitergeflüstert wird. Im Nachhinein habe die Prohibition eine „romantische Aura“ angenommen, schreibt Maurizio Maestrelli in dem Buch „Streng geheim“, in dem er gemeinsam mit Samuele Ambrosi die seiner Meinung nach besten Speakeasy Bars der Gegenwart vorstellt.
Auffallend ist, dass es aktuell eine regelrechte Renaissance dieser Bars gibt: Viele der in dem Buch vorgestellten Etablissements haben im aktuellen Jahrzehnt eröffnet. Das Geheimnis, das sie um ihre Existenz machen, ist natürlich keine Notwendigkeit mehr, sondern ein Spiel. Dieser Spiel- und Stilwille drückt sich oft schon im Namen aus: In San Diego gibt es in Anspielung auf Hoovers Aussage eben „The Noble Experiment“, der „Rains Law Room“ in New York bezieht sich auf ein Anti-Alkohol-Gesetz, und „PDT“, ebenfalls in New York, ist die Abkürzung für „Please don’t tell“ – verrat’s nicht weiter.
Es geht um Exklusivität, um Nostalgie und darum, die hektische Gegenwart auszublenden in einem stilvollen Ambiente bei ausgezeichneten Cocktails. Wenn es um die Qualität der Getränke und das Können der Barkeeper geht, fallen den beiden Autoren zwar immer nur die stets gleichen schwärmerischen Adjektive ein. Dennoch gelingt es dem Buch, einen neugierig zu machen auf diese charmanten Möglichkeiten des gepflegten Trinkens.
Hinein kommt man in die meisten dieser Bars offenbar, wenn man es nur möchte – es handelt sich nicht um Clubs. Aber sie sind nicht einfach zu entdecken, manchmal benötigt man einen Code, einige der Speakeasy Bars sind getarnt, zum Beispiel als Buchhandlung. Zieht man dann im „Williams & Graham“ in Denver das „Savoy Cocktail Book“ ein wenig aus dem Regal, öffnet sich die Pforte ins eigentliche Lokal. Auch als Gast braucht man einen gewissen Spleen, um an den modernen Speakeasy Bars seinen Gefallen zu finden. Aber genau um diese Kundschaft geht es den Betreibern, die auch in ihrer Getränkeauswahl nach Extravaganz streben.
Maurizio Maestrelli, Samuele Ambrosi: Streng geheim. Die coolsten Speakeasy Bars der Welt. Aus dem Italienischen von Michael Auwers und Anke Wagner-Wolff. Kunth Verlag, München 2018. 208 Seiten, 20 Euro.
Die Speakeasy Bar
„PDT“ tarnt sich als
Hotdog-Restaurant.
Im „Evans and Peel“
kommen Cocktails hinter Gitter, im „Nightjar“ der
Absinth in einen Schrein.
Im „Antiquario“
passen sich die Gäste
dem Stil an.
Fotos: Joshua Lutz / Redux /
Contrasto, Evans and Peel,
Rebecca Little, Paola Tufo
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