Produktdetails
- Verlag: Holzhausen
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 310
- Deutsch
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 756g
- ISBN-13: 9783854930617
- ISBN-10: 3854930615
- Artikelnr.: 12579671
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2002Lächeln als Kampfmittel
Benita Ferrero-Waldner über ihre Amtszeit und Österreichs Rolle in der veränderten Welt
Benita Ferrero-Waldner: Kurs setzen in einer veränderten Welt. Holzhausen-Verlag, Wien 2002. 318 Seiten, 25,- Euro.
Anfang Februar 2000 vollzog sich die Regierungsbildung in Wien unter seit 1945 dort nie gekannten dramatischen und für ihre Mitglieder entwürdigenden Umständen. Wegen der "unbotmäßigen" ÖVP/FPÖ-Regierung sah sich das EU-Mitglied Österreich durch bilaterale "Maßnahmen" - wie die Sanktionen euphemistisch genannt wurden - seiner 14 EU-"Partner" gedemütigt. Obschon die Initiatoren behaupteten, sie wollten damit die Regierungsbeteiligung der FPÖ treffen, wurden Land und Volk politisch wie publizistisch auf die Stufe von Außenseitern der Staatengemeinschaft herabgewürdigt. Wie dem mitunter sehr persönlich gehaltenen Buch zu entnehmen ist, ließen die schroffe Kontaktsperre derer aus den europäischen Hauptstädten, mit denen die langjährige Diplomatin zuvor auf vertrautem Fuße verkehrte, und vor allem die heimischen Begleiterscheinungen die Außenministerin Benita Ferrero-Waldner nicht unberührt: Um dem zu erwartenden "Spießrutenlauf" über den Ballhausplatz wenigstens physisch zu entgehen, mußten die Mitglieder der Regierung Schüssel/Riess-Passer in einem unter dem Ballhausplatz zwischen Bundeskanzleramt und Hofburg verlaufenden Verbindungsgang das Staatsoberhaupt aufsuchen. In beispiellos frostiger Atmosphäre nahm Bundespräsident Klestil sodann die "Angelobung" vor: Durch seine versteinerte Miene zeigte er, daß er die von ihm ungeliebte und im Formalakt demonstrativ geächtete Regierung nicht verhindern konnte.
Schon von daher ergab sich ein alles andere als von Spannungen freies Verhältnis der Ministerin zu dem Bundespräsidenten, der sogar vornehmlich außenpolitisch aktiv sein will. Benita Ferrero-Waldner streift dies beiläufig, indem sie auf ein nirgendwo sonst in der Welt anzutreffendes Spezifikum eingeht: Zwar habe sie grundsätzlich kein Problem damit, daß die Frau des Bundespräsidenten eine ihrer Mitarbeiterinnen sei; dennoch ergebe sich daraus eine nicht immer einfache Situation. Man muß nicht auf Wiener Amtstubenparkett ausgerutscht oder in Sachen Etikette sonderlich bewandert sein, um sich Verletzlichkeiten und Eitelkeiten ausmalen zu können, die aus der Konstellation herrühren, daß Margot Klestil-Löffler die Untergebene der Außenministerin, zu protokollarischen Anlässen jedoch als Gattin des Staatsoberhaupts derselben Ministerin "übergeordnet" ist.
An Ferrero-Waldners Buch sind die anhand der EU-"Sanktionen" gewährten persönlich eingefärbten, unmittelbaren Einblicke in Interessenssphären und Nachbarschaftsverhältnisse erhellend. Sie beschreibt die Geschehnisse nach dem Ursache-Wirkung-Prinzip und analysiert deren Auswirkungen auf den EU-Erweiterungsprozeß und die davon involvierten Beitrittskandidaten, insbesondere auf die unmittelbaren Nachbarstaaten. Sie betrachtet daher auch das Verhältnis der "Großen" zu den "Kleinen" in der Union sowie das Verhältnis zu den (Noch-)Nicht-Mitgliedstaaten. Sie geht auf die Beziehungen Wien-Paris ein und nicht zuletzt auch auf das österreichisch-deutsche Verhältnis, soweit es sich um die politischen Entscheidungsträger handelt. Die Ausleuchtung der "Torheit der Regierenden" bietet Aufschluß über manchen verborgen gebliebenen Aspekt der "Causa Austriae" als eines europäischen Sündenfalls - unter der Besonderheit eines die "Antifaschismus-Keule" schwingenden rot-grünen deutschen Einpeitschers.
Die Ministerin legt aus ihrer Sicht dar, wie die vierzehn auf das Zusammengehen von ÖVP und FPÖ überreagierten und daß die vierzehn sich in ihrem Verhängungsdilettantismus keinerlei Entkommensstrategie zurechtgelegt hatten. Gänzlich verfehlten sie ihr Ziel, die Wirkung der "besonderen Maßnahmen" verpuffte, der Solidarisierungseffekt im Innern wirkte sich für die Regierung Schüssel/Riess-Passer wie ein "Schutzschirm" aus. Erst nach Aufhebung der Sanktionen im September 2000 wurde der Blick auf "Wesen" oder "Natur" der FPÖ frei, dem der Bericht der "Drei Weisen" unter Vorgabe des "Faschismusverdachts" eigentlich hatte "politisch korrekt" auf die Spur kommen sollen. Und soeben erst bestätigte sich, daß das Experiment einer Regierungsbeteiligung wenn, dann allein an den inneren Widersprüchen der FPÖ scheitern mußte.
Indem Frau Ferrero-Waldner minutiös ihr eigenes unermüdliches Engagement und ihre Haltung beschreibt - "ich kämpfte mit vollem Einsatz" -, läßt sie den Leser teilhaben an ihrer "Offensive des Lächelns und des Charmes", die das Eis brach. Das sichert(e) ihr in der österreichischen Bevölkerung höchste Sympathiewerte und in künftigen Geschichtsbüchern mehr als nur eine Fußnote.
Verbittern ließ sie sich von den Erfahrungen während der Sanktionszeit nicht. Im Gegenteil: Der EU gesteht sie unzweifelhaft "größte außenpolitische Priorität" zu. In ihrem flüssig, mitunter sogar spannend zu lesenden Buch kommt das in drei Kapiteln zum Ausdruck. Hinsichtlich der Institutionen-Reformdebatte bekräftigt die Außenamtschefin die Wiener Position, die Ämter des EU-Außenkommissars und des Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zusammenzulegen, um einen "starken Außenminister der EU" zu schaffen. Im veränderten weltpolitischen Beziehungsgeflecht, insbesondere zwischen den Vereinigten Staaten, Rußland und China, müsse die Union eine stabilisierende Rolle finden. Zur außenpolitischen Kursbestimmung und -bekräftigung gehört sodann die nicht in allen politischen Lagern ihrer Heimat wohlmeinend oder unvoreingenommen aufgenommene These, daß Österreich "letztendlich die Nato-Mitgliedschaft brauchen wird". Die einstige Büro-Chefin des vormaligen UN-Generalsekretärs Boutros-Ghali schließt sich nach einer kritischen Analyse der - allenfalls noch für die innenpolitische Instrumentalisierung brauchbaren - österreichischen Neutralität dem Rat des Nato-Generalsekretärs Robertson an, daß es sich empfehle, ein Berufsheer zu unterhalten, das für den "Kampf gegen die neuen Bedrohungen" gerüstet sei.
Benita Ferrero-Waldners Buch enthält neben Angaben zum biographischem Hintergrund (Tochter eines Zahnarztes aus dem Salzburger Land) und zum Werdegang schließlich das Bekenntnis, warum sie jetzt in die Tasten griff: als Ausfluß von Selbstreflexion sowie zur Demonstration und zur Motivation für (außen-)politisches Handeln in gar nicht so engen Grenzen und Spielräumen. Es ist das Verdienst der Autorin, dies plastisch und detailreich zu veranschaulichen.
REINHARD OLT
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Benita Ferrero-Waldner über ihre Amtszeit und Österreichs Rolle in der veränderten Welt
Benita Ferrero-Waldner: Kurs setzen in einer veränderten Welt. Holzhausen-Verlag, Wien 2002. 318 Seiten, 25,- Euro.
Anfang Februar 2000 vollzog sich die Regierungsbildung in Wien unter seit 1945 dort nie gekannten dramatischen und für ihre Mitglieder entwürdigenden Umständen. Wegen der "unbotmäßigen" ÖVP/FPÖ-Regierung sah sich das EU-Mitglied Österreich durch bilaterale "Maßnahmen" - wie die Sanktionen euphemistisch genannt wurden - seiner 14 EU-"Partner" gedemütigt. Obschon die Initiatoren behaupteten, sie wollten damit die Regierungsbeteiligung der FPÖ treffen, wurden Land und Volk politisch wie publizistisch auf die Stufe von Außenseitern der Staatengemeinschaft herabgewürdigt. Wie dem mitunter sehr persönlich gehaltenen Buch zu entnehmen ist, ließen die schroffe Kontaktsperre derer aus den europäischen Hauptstädten, mit denen die langjährige Diplomatin zuvor auf vertrautem Fuße verkehrte, und vor allem die heimischen Begleiterscheinungen die Außenministerin Benita Ferrero-Waldner nicht unberührt: Um dem zu erwartenden "Spießrutenlauf" über den Ballhausplatz wenigstens physisch zu entgehen, mußten die Mitglieder der Regierung Schüssel/Riess-Passer in einem unter dem Ballhausplatz zwischen Bundeskanzleramt und Hofburg verlaufenden Verbindungsgang das Staatsoberhaupt aufsuchen. In beispiellos frostiger Atmosphäre nahm Bundespräsident Klestil sodann die "Angelobung" vor: Durch seine versteinerte Miene zeigte er, daß er die von ihm ungeliebte und im Formalakt demonstrativ geächtete Regierung nicht verhindern konnte.
Schon von daher ergab sich ein alles andere als von Spannungen freies Verhältnis der Ministerin zu dem Bundespräsidenten, der sogar vornehmlich außenpolitisch aktiv sein will. Benita Ferrero-Waldner streift dies beiläufig, indem sie auf ein nirgendwo sonst in der Welt anzutreffendes Spezifikum eingeht: Zwar habe sie grundsätzlich kein Problem damit, daß die Frau des Bundespräsidenten eine ihrer Mitarbeiterinnen sei; dennoch ergebe sich daraus eine nicht immer einfache Situation. Man muß nicht auf Wiener Amtstubenparkett ausgerutscht oder in Sachen Etikette sonderlich bewandert sein, um sich Verletzlichkeiten und Eitelkeiten ausmalen zu können, die aus der Konstellation herrühren, daß Margot Klestil-Löffler die Untergebene der Außenministerin, zu protokollarischen Anlässen jedoch als Gattin des Staatsoberhaupts derselben Ministerin "übergeordnet" ist.
An Ferrero-Waldners Buch sind die anhand der EU-"Sanktionen" gewährten persönlich eingefärbten, unmittelbaren Einblicke in Interessenssphären und Nachbarschaftsverhältnisse erhellend. Sie beschreibt die Geschehnisse nach dem Ursache-Wirkung-Prinzip und analysiert deren Auswirkungen auf den EU-Erweiterungsprozeß und die davon involvierten Beitrittskandidaten, insbesondere auf die unmittelbaren Nachbarstaaten. Sie betrachtet daher auch das Verhältnis der "Großen" zu den "Kleinen" in der Union sowie das Verhältnis zu den (Noch-)Nicht-Mitgliedstaaten. Sie geht auf die Beziehungen Wien-Paris ein und nicht zuletzt auch auf das österreichisch-deutsche Verhältnis, soweit es sich um die politischen Entscheidungsträger handelt. Die Ausleuchtung der "Torheit der Regierenden" bietet Aufschluß über manchen verborgen gebliebenen Aspekt der "Causa Austriae" als eines europäischen Sündenfalls - unter der Besonderheit eines die "Antifaschismus-Keule" schwingenden rot-grünen deutschen Einpeitschers.
Die Ministerin legt aus ihrer Sicht dar, wie die vierzehn auf das Zusammengehen von ÖVP und FPÖ überreagierten und daß die vierzehn sich in ihrem Verhängungsdilettantismus keinerlei Entkommensstrategie zurechtgelegt hatten. Gänzlich verfehlten sie ihr Ziel, die Wirkung der "besonderen Maßnahmen" verpuffte, der Solidarisierungseffekt im Innern wirkte sich für die Regierung Schüssel/Riess-Passer wie ein "Schutzschirm" aus. Erst nach Aufhebung der Sanktionen im September 2000 wurde der Blick auf "Wesen" oder "Natur" der FPÖ frei, dem der Bericht der "Drei Weisen" unter Vorgabe des "Faschismusverdachts" eigentlich hatte "politisch korrekt" auf die Spur kommen sollen. Und soeben erst bestätigte sich, daß das Experiment einer Regierungsbeteiligung wenn, dann allein an den inneren Widersprüchen der FPÖ scheitern mußte.
Indem Frau Ferrero-Waldner minutiös ihr eigenes unermüdliches Engagement und ihre Haltung beschreibt - "ich kämpfte mit vollem Einsatz" -, läßt sie den Leser teilhaben an ihrer "Offensive des Lächelns und des Charmes", die das Eis brach. Das sichert(e) ihr in der österreichischen Bevölkerung höchste Sympathiewerte und in künftigen Geschichtsbüchern mehr als nur eine Fußnote.
Verbittern ließ sie sich von den Erfahrungen während der Sanktionszeit nicht. Im Gegenteil: Der EU gesteht sie unzweifelhaft "größte außenpolitische Priorität" zu. In ihrem flüssig, mitunter sogar spannend zu lesenden Buch kommt das in drei Kapiteln zum Ausdruck. Hinsichtlich der Institutionen-Reformdebatte bekräftigt die Außenamtschefin die Wiener Position, die Ämter des EU-Außenkommissars und des Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zusammenzulegen, um einen "starken Außenminister der EU" zu schaffen. Im veränderten weltpolitischen Beziehungsgeflecht, insbesondere zwischen den Vereinigten Staaten, Rußland und China, müsse die Union eine stabilisierende Rolle finden. Zur außenpolitischen Kursbestimmung und -bekräftigung gehört sodann die nicht in allen politischen Lagern ihrer Heimat wohlmeinend oder unvoreingenommen aufgenommene These, daß Österreich "letztendlich die Nato-Mitgliedschaft brauchen wird". Die einstige Büro-Chefin des vormaligen UN-Generalsekretärs Boutros-Ghali schließt sich nach einer kritischen Analyse der - allenfalls noch für die innenpolitische Instrumentalisierung brauchbaren - österreichischen Neutralität dem Rat des Nato-Generalsekretärs Robertson an, daß es sich empfehle, ein Berufsheer zu unterhalten, das für den "Kampf gegen die neuen Bedrohungen" gerüstet sei.
Benita Ferrero-Waldners Buch enthält neben Angaben zum biographischem Hintergrund (Tochter eines Zahnarztes aus dem Salzburger Land) und zum Werdegang schließlich das Bekenntnis, warum sie jetzt in die Tasten griff: als Ausfluß von Selbstreflexion sowie zur Demonstration und zur Motivation für (außen-)politisches Handeln in gar nicht so engen Grenzen und Spielräumen. Es ist das Verdienst der Autorin, dies plastisch und detailreich zu veranschaulichen.
REINHARD OLT
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Einfühlsam und respektvoll nähert sich Reinhard Olt dem "mitunter sehr persönlich gehaltenen Buch" der österreichischen Außenministerin. Diese widmet sich besonders den Reaktionen auf die Regierungsübernahme der ÖVP/FPÖ-Regierung in Österreich. Erhellend findet Olt die vor dem Hintergrund der EU-Sanktionen "persönlich eingefärbten, unmittelbaren Einblicke in Interessenssphären und Nachbarschaftsverhältnisse". Ebenso die Analysen der Auswirkungen auf den EU-Erweiterungsprozess oder die Ausleuchtung der von der Autorin als "Torheit der Regierenden" genannten Behandlung Österreichs als einen europäischen Sündenfall sind für den Rezensenten der Beweis für eine "plastische und detailreiche" Veranschaulichung der österreichischen Lage. Er kann sich auch den Hinweis auf die "Antifaschismus-Keule" der deutschen rot-grünen Regierung nicht verkneifen, mit dem er deutlich Position bezieht und der Autorin aufgrund ihres "unermüdlichen Engagements und ihre Haltung" steigende Sympathiewerte in der österreichischen Bevölkerung prophezeit. Ein flüssiges, "mitunter sogar spannend zu lesendes Buch", in dem die einstige Büro-Chefin des vormaligen UN-Generalsekretärs Boutros-Ghali die Wiener Position bekräftigt, und sich für eine Stärkung der europäischen Zusammenarbeit einsetzt, so Olt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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