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Früher oder später begegnet jeder seinem Feind. Saïd Sayrafiezadeh erzählt von den täglichen Kämpfen um Anerkennung, Liebe und einen sinnvollen Platz auf dieser Welt. Kellner, Lehrer, Soldaten, Angestellte im Supermarkt - das ist das Personal dieser Geschichten aus einer namenlosen Stadt in den USA. Sayrafiezadeh interessiert sich für das soziale Gefüge, in dem Menschen zusammenleben, zusammenarbeiten, für die Unüberwindlichkeit der Klassen. Die Figuren, die er in seiner klaren, direkten Sprache mit ihren Sehnsüchten und ihrer Verletzlichkeit zum Leben erweckt, kommen einem sehr nah. In…mehr

Produktbeschreibung
Früher oder später begegnet jeder seinem Feind. Saïd Sayrafiezadeh erzählt von den täglichen Kämpfen um Anerkennung, Liebe und einen sinnvollen Platz auf dieser Welt. Kellner, Lehrer, Soldaten, Angestellte im Supermarkt - das ist das Personal dieser Geschichten aus einer namenlosen Stadt in den USA. Sayrafiezadeh interessiert sich für das soziale Gefüge, in dem Menschen zusammenleben, zusammenarbeiten, für die Unüberwindlichkeit der Klassen. Die Figuren, die er in seiner klaren, direkten Sprache mit ihren Sehnsüchten und ihrer Verletzlichkeit zum Leben erweckt, kommen einem sehr nah. In Geschichten voll schmerzlicher Komik eröffnet er uns einen ungewöhnlichen Einblick in den inneren Zustand Amerikas.
Autorenporträt
Sayrafiezadeh, Saïd
Saïd Sayrafiezadeh wurde 1968 in Brooklyn geboren und wuchs in Pittsburgh auf. Seine Kurzgeschichten und Essays wurden u. a. im New Yorker, der Paris Review, in Granta, McSweeney's und der New York Times veröffentlicht. Auf Deutsch erschien 2010 sein autobiografischer Roman Eis essen mit Che. Sayrafiezadeh lebt in New York.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Lena Bopp macht sich besser keine Illusion, was das Glück der Figuren in Said Sayrafiezadehs Erzählungen angeht. Sie schaffen es einfach nicht, innere und äußere Welt, ihre Möglichkeiten und die Verheißungen des Systems zur Deckung zu bringen, erklärt sie. Worum es dem Autor mit seinen Geschichten über Menschen in deprimierenden Arbeits- und Beziehungsverhältnissen zu tun ist, ahnt Bopp daher auch: es geht um die gesellschaftlichen Zustände, weniger um Einzelschicksale. Stilistisch sieht Bopp das ebenfalls ausgedrückt - durch das planmäßige Fehlen von Orts- und Zeitangaben etwa, das laut Bopp übrigens einem angenehm tragikomischen Ton Platz schafft.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014

Lappwischmann Max und seine Kollegen

Unsere schöne alte Arbeitswelt bleibt eine Klassengesellschaft: In Said Sayrafiezadehs Erzählungen zeigt sich der amerikanische Traum als Schimäre.

Von Lena Bopp

Wenn jemand im Walmart arbeitet und von der Reinigungskraft, die den Tag über mit Eimer und Lappen die Gänge durchquert, zum Mitarbeiter an der Supermarkt-Bar, der den Kaffee ausschenkt, befördert wird, soll man diese Beförderung dann als sozialen Aufstieg betrachten? Max jedenfalls empfindet sie so. Anders als seine Kollegen in den acht Erzählungen von Said Sayrafiezadeh, die unter dem Titel "Kurze Berührungen mit dem Feind" erschienen sind, hat er sich somit im weitem Feld zwischen Erfolg und Scheitern einen Platz erobert. Mehr noch: Als Einziger hat er sogar die Frau bekommen, die er wollte.

Amanda ist Anfang zwanzig, aus gutem Haus und eine mittelmäßig talentierte Diebin. Im Walmart hat sie sich vom Supermarktdetektiv erwischen lassen, was Max die Gelegenheit gab, ihr beim Davonlaufen zu helfen. So wurden Amanda, deren Gesicht von einer üblen Akne-Erkrankung entstellt ist, und Max, der sich vor allem wegen eines verkrüppelten Arms im Walmart gut aufgehoben fühlt, ein Paar. Das freut den Leser. Und es beklemmt ihn zugleich. Denn im Grunde weiß er doch, dass er dem bemerkenswerten Autor Sayrafiezadeh mit dieser Freude in eine gut gestellte Falle geht.

Den sieben anderen jungen Männern, die der Amerikaner iranischer Herkunft in seinen Erzählungen jeweils aus der Ich-Perspektive berichten lässt, gelingt nämlich weder die Karriere noch die Eroberung der Herzdame. Andererseits wissen auch Amanda und Max sehr gut, dass Makellosigkeit eine Illusion ist. Wen immer man in diesem Buch also genauer betrachtet, wo immer man hinblättert - es gibt nicht viel in den Leben dieser Erzähler, was ihnen zur Selbststilisierung gereichen könnte. In den Vereinigten Staaten gehören sie somit zu jenen Menschen, die zwar zahlreich sein mögen, aber nur wenig von sich reden machen: Sie sind einfache Angestellte in niederen, schlechtbezahlten Jobs.

Dass die Figuren keine auffälligen Charaktere sind, sondern allesamt Männer um die dreißig, die nach ein paar Fehlentscheidungen in frühen Jahren gelernt haben, ihre Erwartungen den Umständen anzupassen, ist dabei kein Zufall. Mehr als um Einzelschicksale geht es Sayrafiezadeh um die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen seine Figuren leben. Deren Codes sind ihnen allen bekannt, und die jungen Männer tun viel, sich ihnen entsprechend zu verhalten. Doch gleichzeitig achtet ihr Schöpfer streng darauf, dass ihre tatsächlichen Möglichkeiten stets im Widerspruch zu den kapitalistisch-liberalen Verheißungen des Landes stehen, dessen pathetische Parolen - ohne dass sie allzu exzessiv geäußert würden - den Resonanzraum für diese Erzählungen bilden.

Für manche bietet nur der Krieg einen vermeintlichen Ausweg. Die Armee braucht Soldaten. Diejenigen, die ihrem Ruf folgen, tun dies wissentlich aus den falschen Gründen: Der eine sucht ein Abenteuer, der andere die Anerkennung seiner Kollegen, dem Dritten geht es um die bewundernden Blicke der Frauen. Selbst dort aber, und darauf kommt es dem Autor an, wo der Krieg die Figuren in extreme Situationen führt, ändert sich an dem sie auszeichnenden stupenden Gleichmut nichts.

Diese sich ständig selbst beschränkende Wahrnehmungsfähigkeit, die Sayrafiezadeh seinen Männern zugesteht, sorgt dafür, dass ihre Berichte stets um ein Leben im Mittelmaß kreisen, dessen Fundament eine gewohnheitsmäßige Gleichgültigkeit und zahllose unbestimmte Wünsche bilden. "Bestimmt würde ein Wunder geschehen, meine Situation verändern und mich in jemand Neuen verwandeln, da war ich mir sicher", heißt es einmal. Selten sind es also die Umstände, an denen die Männer scheitern. Es ist vielmehr ihre Unfähigkeit, die äußere mit ihrer inneren Welt in Deckung zu bringen.

Diese Lebensunschärfe schlägt sich bei Sayrafiezadeh stilistisch in einer Unbestimmtheit nieder, die ihn einerseits eine Reihe von normalerweise wichtigen Informationen unterschlagen lässt. Neben dem fehlenden Namen der Stadt, in der die Geschichten angesiedelt sind, und des Feindes, gegen den die Vereinigten Staaten Krieg führen, muss man sich auch mit vagen Hinweisen auf die Zeit begnügen, in der das Ganze spielt - in der zwar E-Mails geschrieben, aber auch Schreibmaschinenkurse gegeben werden. Andererseits hebt der Autor diese Unbestimmtheit immer wieder auf, indem er seine Männer Blicke auf verräterische Details werfen lässt. Diese Stilbrüche öffnen den Raum für jenen tragikomischen Ton, der die Erzählungen durchzieht und ihre sozialkritische Färbung auf wohltuende Weise abschwächt.

So blickt sich etwa ein Callcenter-Angestellter kurz vor dem Abmarsch an die ferne Front etwas wehmütig in seiner Telefonistenkabine um: "Ich würde meinen Stuhl vermissen. Ich würde meinen Schreibtisch und mein Headset vermissen. Mein Headset roch leicht nach Schweiß, weil ich es zehntausend Stunden lang auf dem Kopf gehabt hatte. Ich hielt es mir vors Gesicht und atmete ein." Es überrascht natürlich niemanden mehr, wenn er sich, und zwar freiwillig, nach seiner Rückkehr aus dem Krieg genau hier wiederfindet: an seinem so geliebten wie gehassten alten Arbeitsplatz.

Said Sayrafiezadeh: "Kurze Berührungen mit dem Feind". Storys.

Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2014. 253 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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