Welche Bedeutung haben komprimierte Fassungen für den Umgang mit Literatur? Carlos Spoerhase zeigt, dass unsere literarische Kultur nie ohne diese kontroverse Gattung auskamWem ein literarischer oder akademischer Text zu umfangreich ist, kann seit Kurzem auf Künstliche Intelligenz zurückgreifen und automatisiert eine Kurzfassung erstellen lassen. Die Komprimierung von Literatur ist aber nicht erst ein Phänomen der Gegenwart. Seit der Antike werden komprimierte Fassungen von umfangreicheren Werken hergestellt - und erfreuen sich häufig großer Beliebtheit, nicht zuletzt in Bildungsinstitutionen. In der Kulturgeschichte wurden immer wieder energische Einwände gegen Kurzfassungen vorgebracht: diese würden ein Werk unzulässig vereinfachen, seine Qualität empfindlich beeinträchtigen oder gar seine Aussage grundlegend verfälschen. Carlos Spoerhase erkundet die vielfältigen Eigenschaften des Genres »Kurzfassung« und skizziert anhand von Beispielen aus der deutschen Literaturgeschichte, warum wir diese Gattung brauchen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Oliver Weber lernt bei Carlos Spoerhase Wissenswertes über den Wert und die Geschichte von Kurzfassungen literarischer Texte. Dass mit KI und Apps Inhalte unzulässig verkürzt und der Leser der Erkenntnis beraubt werde, will Spoerhase in seiner Abhandlung widerlegen. Dazu liefert er laut Weber Beispiele von durchaus gelungenen "Verkleinerungen" von Klopstocks Messias bis zu Marx' Kapital und stellt deren (pragmatische) Vorzüge dar. Weber versteht es so: Sofern ein Abstract seine eigene Funktion und auch seine Unzulänglichkeit mit reflektiert, ist er ein legitimes Mittel Kenntnis, Überblick und Zugang zu einem Werk zu verschaffen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Spoerhase erachtet Abstracts oder Konzentrate nicht als defizient im Verhältnis zum Ganztext, sondern als Kulturtechnik eigenen Ranges. (...) Dass ein Philologe mal so argumentiert, ist kurzum: überzeugend.« (Marc Reichwein, Die Welt, 12.08.2024) »Synopsen, Abstracts, Pitches sind ubiquitär. Verschrien sind sie nicht erst seit ChatGPT. Das hat eine Geschichte, die hier klug (und kurz) erzählt wird.« (Mladen Gladic, Welt am Sonntag, 13.10.2024)