Since the Euromaidan, Kyiv has been the place where Europe's future is decided between East and West. Meanwhile, the hybrid war in eastern Ukraine and on the Crimean peninsula has escalated into an open Russian war of aggression. Significant buildings in the capital Kyiv and vital infrastructure has come under fire. The Kyiv Architectural Guide presents over 100 buildings worth seeing from 100 years of the city's history, compiled by Ukrainian architectural historian Semen Shyrochyn. The typical residential complexes of avant-garde architecture, the imposing palaces of the Stalin era, the iconic designs of Soviet modernism, as well as the most significant construction projects built since independence are also expertly presented. In over 300 pages, this architectural guide proves that Kyiv is much more than the capital of Ukraine. Kyiv is an inseparable part of the European community of nations, where mutual respect of values counts more than the power of the strongest. This title is part of the Histories of Ukrainian Architecture programme initiated by DOM publishers in response to Russia's attack on Ukraine's sovereignty on 24 February 2022.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
"Archiv und Reiseführer zugleich" ist dieser Architekturband, der hundert Kiewer Gebäude zeigt, stellt Rezensent Jan Heidtmann fest. Der Historiker Semen Shyrochyn stellt hier seit 1925 entstandene Gebäude wie das Bauhaus-Kino "Zhovten" vor, aber auch die Achtziger-Jahre-Wohnfabriken der T- und KT-Serien, erfahren wir. Sein Anliegen ist dabei, die Gebäude für die Nachwelt zu bewahren, sollten sie dem russischen Angriffskrieg zum Opfer fallen - oder der schonungslosen Bauindustrie, wie Heidtmann im Gespräch mit dem Autor erfährt. Die Geschichte dieser Architektur möchte Shyrochyn bewahren, unabhängig davon, ob ihm vorgeworfen wird, er sei "pro-russischer Agent", wenn er sich der sowjetischen Nachkriegsarchitektur widmet. Auch sie ist für ihn ganz klar schützenswerter Teil der ukrainischen Geschichte ist. Der Kritiker ist froh, dass sich der Acrhitekturverlag DOM dieses Projekts angenommen hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.10.2023Erste Hilfe
Dem architektonischen Erbe Kiews
droht Gefahr durch russische Raketen
und eine skrupellose Bauindustrie.
Ein neuer Architekturführer versucht,
die Schätze für die Nachwelt zu dokumentieren
VON JAN HEIDTMANN
Es gibt derzeit Tausende drängende Geschichten aus Kiew zu erzählen. Über die Raketen der Russen, von denen trotz Patriot-Abwehrsystem immer wieder mal eine einschlägt. Von den jungen Menschen, die gerade wegen dieser Angriffe in den Techno-Clubs heftig feiern. Von dem ganzen beeindruckenden Widerstandswillen der Frauen und Männer in Kiew. Warum also bringt man dann noch einen Architekturführer über die ukrainische Hauptstadt auf den Markt? „100 ikonografische Gebäude seit 1925“ lautet der Untertitel des Buches. In jedem Moment könnte eines davon zerstört werden.
Zugleich kommt der Krieg auf den gut 300 Seiten nur einmal sehr kurz vor – als Foto eines beschädigten Hochhauses. Das sei Absicht, heißt es beim Verlag DOM publishers. Der „Architectural Guide Kyiv“, geschrieben auf Ukrainisch und Englisch, soll Bestand haben, auch nach dem Krieg. Und tatsächlich ist es tröstlich wieder einmal zu erfahren: Es gibt ein sehr mächtiges Davor. Dann kann es auch ein Danach geben. Auf den ersten Blick, von einer der hochgelegen Hotelterrassen geschaut, ist Kiew keine Stadt, eher eine wilde Agglomeration. Struktur geben vor allem der Fluss Dnepr und die Magistralen. Daneben beginnt die Konfusion. Mächtige Häuserfronten von der Länge eines Straßenzugs, gebaut im Zuckerbäckerstil, dann wieder ein Gebäude aus den 1920erJahren. Es steht da, wie ein kleiner, alter Mann.
Ein Hochhaus mit 30 Stockwerken, es könnte aus Dubai importiert sein, sein Schatten verschluckt eine orthodoxe Kirche mit goldener Kuppel. Sie sieht aus wie frisch geputzt. Nach den Nullerjahren habe es in Kiew kaum mehr Stadtplanung gegeben, ist in der Einführung zu lesen. „Diese neue Architektur berücksichtigt den Kontext nicht, sie hat auch keinen Sinn für die zukünftige Entwicklung.“
Der „Architectural Guide Kyiv“ gibt dem Unstrukturierten eine Struktur. Er ist Archiv und Reiseführer zugleich; man blickt anders auf die Stadt, wenn man diese 100 kurzen Geschichten gelesen hat. Die schroffe und teils unnahbare Fassade wird porös. Zum Beispiel beim wuchtigen Zentralbahnhof, fertiggestellt 1932. Erst deutliche Budgetkürzungen haben ihm das kulissenhafte Aussehen geben, das ihn heute ausmacht.
Oder bei majestätischen Gebäuden wie dem Sitz der Regierung und dem Außenministerium. Sie wurden kurz nach 1934 erreichtet, als Kiew die ostukrainische Metropole Charkiw als Hauptstadt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik abgelöst hatte. Auch der Präsidentenpalast, derzeit aus Sicherheitsgründen weiträumig abgesperrt, ist zu sehen. Doch es sind eher die Geschichten der erst einmal unbedeutend wirkenden Gebäude, die dieses Buch spannend machen. Da ist das Kino „Zhovten“, heute einer der wenigen Orte in Kiew, um Filme in der Originalfassung zu sehen. Fertiggestellt 1930 im Stil des Bauhauses, musste es schon sieben Jahre später wegen politischer Kritik an diesem Architekturstil umgestaltet werden. Ein Vorbau mit Säulen wurde errichtet, nachträglich Gesimse angebracht und große Vasen aufgestellt. Erst 1989 wurde die alte Fassade wieder herausgearbeitet.
Erhellend sind die auch Passagen zu den Wohnsilos, die ab den 1980er Jahren in immensen Größen gebaut wurden und bis heute das Bild der Stadt jenseits des Zentrums prägen. Bezeichnungen wie „T-Serie“ oder „KT-Serie“ erklären ihr graue Gesichtslosigkeit. Dazu liefert dieser Führer eine bislang einzigartige Sammlung und Beschreibung der Architektur der sowjetischen Nachkriegsmoderne. Sie begann in Kiew mit dem Bau des neuen Busbahnhofes und brachte so beeindruckende Gebäude wie die Nationalbibliothek, das Hotel Saliut oder auch ein wunderbar futuristisches Krematorium hervor.
In dieser Phase zwischen 1959 bis 1991 wurden mehr Gebäude gebaut als in jeder Phase zuvor, sagt der Historiker und Autor Semen Shyrochyn am Telefon in Kiew. Sie bildet nicht nur das Zentrum des Buches, sie ist auch Shyrochyns Spezialgebiet. „Ich bin in dieser Architektur aufgewachsen“, sagt der 34-Jährige. Kindergarten, Schule, Universität. Doch es gebe keinerlei gesammelte Würdigung dieser Epoche. Mit dem Aufstand vom Euromaidan zum Jahreswechsel 2013/2014 gegen die russischfreundliche Regierung unter Präsidenten Wiktor Janukowytsch sei sie vielmehr vollends in Verruf geraten. „Das Narrativ war, dass das sowjetische Erbe nicht zum ukrainischen Erbe gehört.“
Eine Haltung, die sich seit dem Überfall der Russen 2022 nur verstärkt habe. Dabei, so Shyrochyn, „sind diese Gebäude von Ukrainern für Ukrainer gebaut worden. Es ist Teil unsere Geschichte.“ Deshalb sei es wichtig, dieses Erbe zu schützen. Selbst wenn man immer wieder als „pro-russischer Agent“ bezeichnet werde. Vor diesem Hintergrund ist es dann interessant, zu lesen, dass in den 1930er Jahren schon einmal eine ähnliche Auseinandersetzung geführt wurde: Damals verfügten die sowjetischen Herrscher, als Architekturstil sei nur der Konstruktivismus zu dulden. Das Festhalten an historischen Gebäuden wurde als ukrainischer Nationalismus verfemt. Der Architekturführer ist Teil der Serie „Histories of Ukrainian Architecture“, die seit dem Angriff der Russen bei DOM publishers erschienen ist. Teils in Zusammenarbeit mit der ukrainischen NGO Roßkvit werden hier Konzepte für die Architektur in einer Nachkriegs-Ukraine entworfen. So haben in „A Vision for Mariupol“ acht Experten den Wiederaufbau der zerstörten und derzeit von Russland besetzten Stadt geplant.
Der kleine Architekturverlag wurde 2005 von Natascha und Philipp Meuser gegründet. Seitdem richtet das Architektenehepaar aus Berlin mit ihren Führern immer wieder den Blick auf architektonisch wenig beachtete und auch gefährdete Regionen. So wie Chişinău, Kabul oder Nordkorea. Das Opus Magnum des Verlags bildet eine Architekturführung in sieben Bänden durch Subsahara-Afrika.
Für den Autoren Semen Shyrochyn ist der Kiew-Führer sein erstes Buch, das auf Englisch und auch im Ausland erscheint. Es ist ihm nicht nur wegen des Krieges gegen seine Heimatstadt wichtig. Zwar hat die UNESCO gerade die Sophienkathedrale und das Höhlenkloster Lawra Petschersk in Kiew aufgrund der russischen Angriffe als gefährdetes Weltkulturerbe eingestuft. Doch bislang sei der Krieg noch die geringere Bedrohung für die historischen Gebäude der Stadt. Gefährlicher sei die Bauindustrie, die das architektonische Erbe Kiews von jeher rücksichtlos einreiße. „Das war schon ein Problem vor dem Krieg“, sagt Shyrochyn. „Jetzt ist es noch viel schlimmer.“
Denn seit Kriegsbeginn dürften Baustellen aus Gründen der Datensicherheit nicht mehr durch Kameras geschützt werden, öffentliche Proteste gegen einen Abriss sind kaum mehr möglich. Hinzu komme, dass Abstimmungsergebnisse nach Sitzungen des Stadtrats aus Sicherheitsgründen nicht mehr bekannt gemacht würden. So brauche sich kein Abgeordneter zu scheuen, für die Interessen der Bauindustrie einzutreten. „Wir müssen für jedes Gebäude kämpfen“, sagt Semen Shyrochyn. „Wegen der Drohnen der Russen und wegen der Bauindustrie.“ Zumindest in diesem Architekturführer sind 100 von ihnen gerettet.
Gefahr drohe auch
von Seiten einer
skrupellosen Bauindustrie
Oft heiße es, dass sowjetische Architektur nicht zur Ukraine gehöre, Semen Shyrochyn aber findet, dass viele dieser Gebäude „von Ukrainern für Ukrainer“ gebaut wurden: hier die Landwirtschaftliche Universität in Kiew
Foto: © Semen Shyrochyn
Semen Shyrochyn:
Kyiv. Architectural Guide:
100 Iconic Buildings
since 1925.
DOM publishers, Berlin 2023.
304 Seiten, 38 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Dem architektonischen Erbe Kiews
droht Gefahr durch russische Raketen
und eine skrupellose Bauindustrie.
Ein neuer Architekturführer versucht,
die Schätze für die Nachwelt zu dokumentieren
VON JAN HEIDTMANN
Es gibt derzeit Tausende drängende Geschichten aus Kiew zu erzählen. Über die Raketen der Russen, von denen trotz Patriot-Abwehrsystem immer wieder mal eine einschlägt. Von den jungen Menschen, die gerade wegen dieser Angriffe in den Techno-Clubs heftig feiern. Von dem ganzen beeindruckenden Widerstandswillen der Frauen und Männer in Kiew. Warum also bringt man dann noch einen Architekturführer über die ukrainische Hauptstadt auf den Markt? „100 ikonografische Gebäude seit 1925“ lautet der Untertitel des Buches. In jedem Moment könnte eines davon zerstört werden.
Zugleich kommt der Krieg auf den gut 300 Seiten nur einmal sehr kurz vor – als Foto eines beschädigten Hochhauses. Das sei Absicht, heißt es beim Verlag DOM publishers. Der „Architectural Guide Kyiv“, geschrieben auf Ukrainisch und Englisch, soll Bestand haben, auch nach dem Krieg. Und tatsächlich ist es tröstlich wieder einmal zu erfahren: Es gibt ein sehr mächtiges Davor. Dann kann es auch ein Danach geben. Auf den ersten Blick, von einer der hochgelegen Hotelterrassen geschaut, ist Kiew keine Stadt, eher eine wilde Agglomeration. Struktur geben vor allem der Fluss Dnepr und die Magistralen. Daneben beginnt die Konfusion. Mächtige Häuserfronten von der Länge eines Straßenzugs, gebaut im Zuckerbäckerstil, dann wieder ein Gebäude aus den 1920erJahren. Es steht da, wie ein kleiner, alter Mann.
Ein Hochhaus mit 30 Stockwerken, es könnte aus Dubai importiert sein, sein Schatten verschluckt eine orthodoxe Kirche mit goldener Kuppel. Sie sieht aus wie frisch geputzt. Nach den Nullerjahren habe es in Kiew kaum mehr Stadtplanung gegeben, ist in der Einführung zu lesen. „Diese neue Architektur berücksichtigt den Kontext nicht, sie hat auch keinen Sinn für die zukünftige Entwicklung.“
Der „Architectural Guide Kyiv“ gibt dem Unstrukturierten eine Struktur. Er ist Archiv und Reiseführer zugleich; man blickt anders auf die Stadt, wenn man diese 100 kurzen Geschichten gelesen hat. Die schroffe und teils unnahbare Fassade wird porös. Zum Beispiel beim wuchtigen Zentralbahnhof, fertiggestellt 1932. Erst deutliche Budgetkürzungen haben ihm das kulissenhafte Aussehen geben, das ihn heute ausmacht.
Oder bei majestätischen Gebäuden wie dem Sitz der Regierung und dem Außenministerium. Sie wurden kurz nach 1934 erreichtet, als Kiew die ostukrainische Metropole Charkiw als Hauptstadt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik abgelöst hatte. Auch der Präsidentenpalast, derzeit aus Sicherheitsgründen weiträumig abgesperrt, ist zu sehen. Doch es sind eher die Geschichten der erst einmal unbedeutend wirkenden Gebäude, die dieses Buch spannend machen. Da ist das Kino „Zhovten“, heute einer der wenigen Orte in Kiew, um Filme in der Originalfassung zu sehen. Fertiggestellt 1930 im Stil des Bauhauses, musste es schon sieben Jahre später wegen politischer Kritik an diesem Architekturstil umgestaltet werden. Ein Vorbau mit Säulen wurde errichtet, nachträglich Gesimse angebracht und große Vasen aufgestellt. Erst 1989 wurde die alte Fassade wieder herausgearbeitet.
Erhellend sind die auch Passagen zu den Wohnsilos, die ab den 1980er Jahren in immensen Größen gebaut wurden und bis heute das Bild der Stadt jenseits des Zentrums prägen. Bezeichnungen wie „T-Serie“ oder „KT-Serie“ erklären ihr graue Gesichtslosigkeit. Dazu liefert dieser Führer eine bislang einzigartige Sammlung und Beschreibung der Architektur der sowjetischen Nachkriegsmoderne. Sie begann in Kiew mit dem Bau des neuen Busbahnhofes und brachte so beeindruckende Gebäude wie die Nationalbibliothek, das Hotel Saliut oder auch ein wunderbar futuristisches Krematorium hervor.
In dieser Phase zwischen 1959 bis 1991 wurden mehr Gebäude gebaut als in jeder Phase zuvor, sagt der Historiker und Autor Semen Shyrochyn am Telefon in Kiew. Sie bildet nicht nur das Zentrum des Buches, sie ist auch Shyrochyns Spezialgebiet. „Ich bin in dieser Architektur aufgewachsen“, sagt der 34-Jährige. Kindergarten, Schule, Universität. Doch es gebe keinerlei gesammelte Würdigung dieser Epoche. Mit dem Aufstand vom Euromaidan zum Jahreswechsel 2013/2014 gegen die russischfreundliche Regierung unter Präsidenten Wiktor Janukowytsch sei sie vielmehr vollends in Verruf geraten. „Das Narrativ war, dass das sowjetische Erbe nicht zum ukrainischen Erbe gehört.“
Eine Haltung, die sich seit dem Überfall der Russen 2022 nur verstärkt habe. Dabei, so Shyrochyn, „sind diese Gebäude von Ukrainern für Ukrainer gebaut worden. Es ist Teil unsere Geschichte.“ Deshalb sei es wichtig, dieses Erbe zu schützen. Selbst wenn man immer wieder als „pro-russischer Agent“ bezeichnet werde. Vor diesem Hintergrund ist es dann interessant, zu lesen, dass in den 1930er Jahren schon einmal eine ähnliche Auseinandersetzung geführt wurde: Damals verfügten die sowjetischen Herrscher, als Architekturstil sei nur der Konstruktivismus zu dulden. Das Festhalten an historischen Gebäuden wurde als ukrainischer Nationalismus verfemt. Der Architekturführer ist Teil der Serie „Histories of Ukrainian Architecture“, die seit dem Angriff der Russen bei DOM publishers erschienen ist. Teils in Zusammenarbeit mit der ukrainischen NGO Roßkvit werden hier Konzepte für die Architektur in einer Nachkriegs-Ukraine entworfen. So haben in „A Vision for Mariupol“ acht Experten den Wiederaufbau der zerstörten und derzeit von Russland besetzten Stadt geplant.
Der kleine Architekturverlag wurde 2005 von Natascha und Philipp Meuser gegründet. Seitdem richtet das Architektenehepaar aus Berlin mit ihren Führern immer wieder den Blick auf architektonisch wenig beachtete und auch gefährdete Regionen. So wie Chişinău, Kabul oder Nordkorea. Das Opus Magnum des Verlags bildet eine Architekturführung in sieben Bänden durch Subsahara-Afrika.
Für den Autoren Semen Shyrochyn ist der Kiew-Führer sein erstes Buch, das auf Englisch und auch im Ausland erscheint. Es ist ihm nicht nur wegen des Krieges gegen seine Heimatstadt wichtig. Zwar hat die UNESCO gerade die Sophienkathedrale und das Höhlenkloster Lawra Petschersk in Kiew aufgrund der russischen Angriffe als gefährdetes Weltkulturerbe eingestuft. Doch bislang sei der Krieg noch die geringere Bedrohung für die historischen Gebäude der Stadt. Gefährlicher sei die Bauindustrie, die das architektonische Erbe Kiews von jeher rücksichtlos einreiße. „Das war schon ein Problem vor dem Krieg“, sagt Shyrochyn. „Jetzt ist es noch viel schlimmer.“
Denn seit Kriegsbeginn dürften Baustellen aus Gründen der Datensicherheit nicht mehr durch Kameras geschützt werden, öffentliche Proteste gegen einen Abriss sind kaum mehr möglich. Hinzu komme, dass Abstimmungsergebnisse nach Sitzungen des Stadtrats aus Sicherheitsgründen nicht mehr bekannt gemacht würden. So brauche sich kein Abgeordneter zu scheuen, für die Interessen der Bauindustrie einzutreten. „Wir müssen für jedes Gebäude kämpfen“, sagt Semen Shyrochyn. „Wegen der Drohnen der Russen und wegen der Bauindustrie.“ Zumindest in diesem Architekturführer sind 100 von ihnen gerettet.
Gefahr drohe auch
von Seiten einer
skrupellosen Bauindustrie
Oft heiße es, dass sowjetische Architektur nicht zur Ukraine gehöre, Semen Shyrochyn aber findet, dass viele dieser Gebäude „von Ukrainern für Ukrainer“ gebaut wurden: hier die Landwirtschaftliche Universität in Kiew
Foto: © Semen Shyrochyn
Semen Shyrochyn:
Kyiv. Architectural Guide:
100 Iconic Buildings
since 1925.
DOM publishers, Berlin 2023.
304 Seiten, 38 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de