Venise, cité sinueuse, est un labyrinthe imprévisible. Et Catherine Parrish, jeune New-Yorkaise angoissée par son mariage imminent, entend bien s'y perdre. Au prétexte d'une thèse en histoire de l'art, la voilà débarquée dans la Sérénissime, goûtant chaque ruelle, chaque canal, chaque campo reculé avec émerveillement. La découverte d'une synagogue secrète et oubliée, ainsi que la rencontre de Marco, gondolier tourmenté, vont l'initier aux arcanes de la ville jaillie de la mer, la forçant à sortir des sentiers touristiques et rebattus. Ainsi que des routes trop balisées de sa propre existence... « Sous la plume avenante de Lauren Elkin, Venise n'a plus rien d'une ville-musée. Des vertus de l'errance pour faire connaissance avec soi-même. » Jeanne de Ménibus - ELLE « À la fois romance, enquête et découverte de soi, c'est une ¿uvre d'une douceur et d'une réalité superbes. » Lire
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.06.2000Vom jungen Offizier, der sein Gesicht verlor
Der Franzose Marc Dugain erzählt die Geschichte seines Großvaters, der zu Beginn des Ersten Weltkriegs schwer verletzt wurde
Der Erste Weltkrieg hat kaum begonnen. Mit fast übermütiger Zuversicht zieht Adrien Fournier, ein junger Offizier aus der Dordogne, ins Feld. Sein Kopf ist noch voll mit Erinnerungen an die schöne Frau, die ihm das Schicksal für eine Nacht zugespielt hat. Es ist warm, ein Wetter wie am Ende der Sommerferien. Er stellt sich vor, mit Clémence (immerhin kennt er ihren Namen) am Ufer eines Flusses zu liegen. Nur kurz steigt er vom Pferd, um seine Blase zu entleeren. Da ertönt ein Knall. Eine Granate detoniert ganz in der Nähe. Es ist ein Gefühl, als ob eine Axt direkt unter der Nase einschlüge. Dann wird alles dunkel.
Für Adrien Fournier ist der Krieg zu Ende, noch bevor er richtig angefangen hat. Die Granate hat ihm das Gesicht zerfetzt. In dessen Mitte klafft ein Loch. Seine Verletzungen sind so schwer, dass man ihn ins Hinterland schafft. Die nächsten fünf Jahre wird er in einem Pariser Militärhospital verbringen.
„Die Offizierskammer” („La Chambre des officiers”) ist ein Romandebüt von seltener Unaufgeregtheit. Man merkt, dass sich der Autor seiner Sache ganz sicher ist. Marc Dugain, Jahrgang 1957, erzählt die Geschichte seines Großvaters. Ohne erkennbare Anstrengung, zurückhaltend, in einem nüchternen Stil, der niemals kalt wirkt. Als sei es das Normalste von der Welt, spricht er in der ersten Person. So entsteht die Innenansicht eines Versehrten. Sie ist auch das Porträt einer Epoche.
Das ist vielleicht das Erstaunlichste an diesem Roman: wie genau er, ohne sich in historischem Material zu verlieren, den Bruch nachzeichnet, den der Erste Weltkrieg bedeutete. Er schmuggelt sich in ein Bewusstsein ein, das, trotz der Individualität des Porträtierten, exemplarisch ist. In nuce ist dort versammelt, was ansonsten in extenso ausgebreitet werden müsste.
Adrien liegt zunächst allein in dem Zimmer, das für Offiziere vorgesehen ist. Doch bald füllt sich der Raum mit weiteren schwer Verletzten. Dem einen fehlen die Beine, dem anderen die Arme, die meisten aber haben ein völlig entstelltes Gesicht. Der Fortschritt des Krieges lässt sich an der Art der Defekte ablesen. Immer schwieriger werden die chirurgischen Eingriffe, weil durch den Einsatz von Gas auch die Lungen und Bronchien der Verletzten in Mitleidenschaft gezogen sind. Manch einer bringt sich um, nicht selten nach dem Besuch von Verwandten, die das entstellte Familienmitglied nicht mehr als einen der ihren anzusehen vermögen.
Rituale der Verständigung
Im Kommen und Gehen aber bildet sich eine Gruppe von Freunden heraus, ein „Club der Versehrten”: ein jüdischer Pilot, dessen Gesicht derart verschmort und verbrannt ist, dass es aussieht wie ein „großer, dunkler Karamelbonbon”, ein frömmelnder bretonischer Adliger, dem die Hälfte des Kinns und ein Auge fehlen und der atheistische Republikaner Adrien Fournier. Später stößt die einzige Frau hinzu, Marguerite, deren Lächeln die frühere Schönheit immerhin noch ahnen lässt.
Marguerite ist taub. Nur Einer der Drei kann sich deshalb mit ihr unterhalten. Denn nur von seinem Mund lässt sich überhaupt etwas ablesen. Manche Szenen sind beinahe skurril. Da muss sich Adrien erst einen künstlichen Gaumen einsetzen, um einigermaßen verständlich zu sein, während sein Gesprächspartner ein Hörrohr hervorkramt. Durch Handzeichen gibt man den Verständigungswunsch zu erkennen. Wie kann man so etwas aushalten: die Zerstörung des Gesichts, den Verlust der Identität, die unaufhörlichen Schmerzen? Alleine vermutlich nicht. Und das ist sicher ein wesentliches Problem bei individuellen Schicksalsschlägen: Der Einzelne wird isoliert, er ist mit seinem Schmerz, seiner Verletzung, seinem Defekt allein. In Marc Dugains Roman ist das anders. Da steht eine Gruppe den Anderen gegenüber, da findet man zahlreiche kleine Rituale der Zusammengehörigkeit.
Und da ist auch noch etwas Anderes, die heute altmodisch erscheinende Geisteshaltung, „auf jegliche Form der Nabelschau zu verzichten, nie der Versuchung zu erliegen, über unser zerstörtes Leben nachzusinnen, keine Verbitterung aufkommen zu lassen und uns vor jenem Wechselbad der Gefühle zu hüten, das sich aus der Resignation einerseits und der Egozentrik von Märtyrern andererseits speist. ”
Die drei Männer aber haben natürlich noch einen weiteren Vorteil. Sie gelten als Kriegshelden. Und so nehmen sie nicht nur als leibhaftige Anschauungsobjekte an den Versailler Friedensverhandlungen teil, sondern finden auch eine Frau. Sie gründen Familien und kehren allmählich zurück in die Normalität. Nur Marguerite bleibt allein.
Alle aber dachten, es sei der letzte Krieg gewesen, die Deutschen würden nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags zu keinem weiteren Krieg im Stande sein. Es kam bekanntermaßen anders. Weil, der jüdische Pilot taucht mit Frau und Kindern bei seinem bretonischen Freund unter. „Ein siebenjähriges Drama in zwei Akten: Der erste spielt im Zimmer eines Militärkrankenhauses und der zweite im Keller eines alten, halb verfallen Bauernhauses in der Bretagne. ”
Marc Dugain braucht keine 140 Seiten, um seine Geschichte zu erzählen. Und doch ist ihm ein Roman geglückt, der einen schweren Stoff leicht bewältigt. Das erinnert an Camus. Da liegt nichts herum, da bleibt nichts übrig, alles ist im Erzählen aufgelöst und steuert auf eine einzige Frage zu: Was ist der Mensch?
MEIKE FESSMANN
MICHEL DUGAIN: Die Offizierskammer. Roman. Aus dem Französischen von Marianne Schönbach. Edition Postskriptum, Verlag zu Klampen, Lüneburg 2000. 138 Seiten, 28 Mark.
Marcel Dugain. „Die Offizierskammer” ist sein Debütroman.
Foto: I. Jung
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Der Franzose Marc Dugain erzählt die Geschichte seines Großvaters, der zu Beginn des Ersten Weltkriegs schwer verletzt wurde
Der Erste Weltkrieg hat kaum begonnen. Mit fast übermütiger Zuversicht zieht Adrien Fournier, ein junger Offizier aus der Dordogne, ins Feld. Sein Kopf ist noch voll mit Erinnerungen an die schöne Frau, die ihm das Schicksal für eine Nacht zugespielt hat. Es ist warm, ein Wetter wie am Ende der Sommerferien. Er stellt sich vor, mit Clémence (immerhin kennt er ihren Namen) am Ufer eines Flusses zu liegen. Nur kurz steigt er vom Pferd, um seine Blase zu entleeren. Da ertönt ein Knall. Eine Granate detoniert ganz in der Nähe. Es ist ein Gefühl, als ob eine Axt direkt unter der Nase einschlüge. Dann wird alles dunkel.
Für Adrien Fournier ist der Krieg zu Ende, noch bevor er richtig angefangen hat. Die Granate hat ihm das Gesicht zerfetzt. In dessen Mitte klafft ein Loch. Seine Verletzungen sind so schwer, dass man ihn ins Hinterland schafft. Die nächsten fünf Jahre wird er in einem Pariser Militärhospital verbringen.
„Die Offizierskammer” („La Chambre des officiers”) ist ein Romandebüt von seltener Unaufgeregtheit. Man merkt, dass sich der Autor seiner Sache ganz sicher ist. Marc Dugain, Jahrgang 1957, erzählt die Geschichte seines Großvaters. Ohne erkennbare Anstrengung, zurückhaltend, in einem nüchternen Stil, der niemals kalt wirkt. Als sei es das Normalste von der Welt, spricht er in der ersten Person. So entsteht die Innenansicht eines Versehrten. Sie ist auch das Porträt einer Epoche.
Das ist vielleicht das Erstaunlichste an diesem Roman: wie genau er, ohne sich in historischem Material zu verlieren, den Bruch nachzeichnet, den der Erste Weltkrieg bedeutete. Er schmuggelt sich in ein Bewusstsein ein, das, trotz der Individualität des Porträtierten, exemplarisch ist. In nuce ist dort versammelt, was ansonsten in extenso ausgebreitet werden müsste.
Adrien liegt zunächst allein in dem Zimmer, das für Offiziere vorgesehen ist. Doch bald füllt sich der Raum mit weiteren schwer Verletzten. Dem einen fehlen die Beine, dem anderen die Arme, die meisten aber haben ein völlig entstelltes Gesicht. Der Fortschritt des Krieges lässt sich an der Art der Defekte ablesen. Immer schwieriger werden die chirurgischen Eingriffe, weil durch den Einsatz von Gas auch die Lungen und Bronchien der Verletzten in Mitleidenschaft gezogen sind. Manch einer bringt sich um, nicht selten nach dem Besuch von Verwandten, die das entstellte Familienmitglied nicht mehr als einen der ihren anzusehen vermögen.
Rituale der Verständigung
Im Kommen und Gehen aber bildet sich eine Gruppe von Freunden heraus, ein „Club der Versehrten”: ein jüdischer Pilot, dessen Gesicht derart verschmort und verbrannt ist, dass es aussieht wie ein „großer, dunkler Karamelbonbon”, ein frömmelnder bretonischer Adliger, dem die Hälfte des Kinns und ein Auge fehlen und der atheistische Republikaner Adrien Fournier. Später stößt die einzige Frau hinzu, Marguerite, deren Lächeln die frühere Schönheit immerhin noch ahnen lässt.
Marguerite ist taub. Nur Einer der Drei kann sich deshalb mit ihr unterhalten. Denn nur von seinem Mund lässt sich überhaupt etwas ablesen. Manche Szenen sind beinahe skurril. Da muss sich Adrien erst einen künstlichen Gaumen einsetzen, um einigermaßen verständlich zu sein, während sein Gesprächspartner ein Hörrohr hervorkramt. Durch Handzeichen gibt man den Verständigungswunsch zu erkennen. Wie kann man so etwas aushalten: die Zerstörung des Gesichts, den Verlust der Identität, die unaufhörlichen Schmerzen? Alleine vermutlich nicht. Und das ist sicher ein wesentliches Problem bei individuellen Schicksalsschlägen: Der Einzelne wird isoliert, er ist mit seinem Schmerz, seiner Verletzung, seinem Defekt allein. In Marc Dugains Roman ist das anders. Da steht eine Gruppe den Anderen gegenüber, da findet man zahlreiche kleine Rituale der Zusammengehörigkeit.
Und da ist auch noch etwas Anderes, die heute altmodisch erscheinende Geisteshaltung, „auf jegliche Form der Nabelschau zu verzichten, nie der Versuchung zu erliegen, über unser zerstörtes Leben nachzusinnen, keine Verbitterung aufkommen zu lassen und uns vor jenem Wechselbad der Gefühle zu hüten, das sich aus der Resignation einerseits und der Egozentrik von Märtyrern andererseits speist. ”
Die drei Männer aber haben natürlich noch einen weiteren Vorteil. Sie gelten als Kriegshelden. Und so nehmen sie nicht nur als leibhaftige Anschauungsobjekte an den Versailler Friedensverhandlungen teil, sondern finden auch eine Frau. Sie gründen Familien und kehren allmählich zurück in die Normalität. Nur Marguerite bleibt allein.
Alle aber dachten, es sei der letzte Krieg gewesen, die Deutschen würden nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags zu keinem weiteren Krieg im Stande sein. Es kam bekanntermaßen anders. Weil, der jüdische Pilot taucht mit Frau und Kindern bei seinem bretonischen Freund unter. „Ein siebenjähriges Drama in zwei Akten: Der erste spielt im Zimmer eines Militärkrankenhauses und der zweite im Keller eines alten, halb verfallen Bauernhauses in der Bretagne. ”
Marc Dugain braucht keine 140 Seiten, um seine Geschichte zu erzählen. Und doch ist ihm ein Roman geglückt, der einen schweren Stoff leicht bewältigt. Das erinnert an Camus. Da liegt nichts herum, da bleibt nichts übrig, alles ist im Erzählen aufgelöst und steuert auf eine einzige Frage zu: Was ist der Mensch?
MEIKE FESSMANN
MICHEL DUGAIN: Die Offizierskammer. Roman. Aus dem Französischen von Marianne Schönbach. Edition Postskriptum, Verlag zu Klampen, Lüneburg 2000. 138 Seiten, 28 Mark.
Marcel Dugain. „Die Offizierskammer” ist sein Debütroman.
Foto: I. Jung
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