Lachen darf man nicht, lachen muss man. Doch nicht jedes Lachen ist gleich. Worüber lacht wer, wenn der Holocaust zum Gegenstand absurder Geschichten, schwarzen Humors und komischer Narrative wird? Stoßen filmische Komödien und Satiren an eine Grenze, hinter der sich Entlarvungsabsicht und Versöhnungsutopien als Verharmlosung erweisen? Oder liegt gerade im anarchischen Impuls des Komischen eine Chance, sich dem Ungeheuerlichen des Holocaust und seinen Folgen provokativ anzunähern? Waren es nach Filmen von Lubitsch und Chaplin auch osteuropäische Filmautoren, die mit den Mitteln der Groteske und des Absurden die Massenverbrechen des Nationalsozialismus unter die Lupe nahmen, so löste Roberto Benignis Film "Das Leben ist schön" 1997 eine weltweite Debatte aus. Der Band "Lachen über Hitler - Auschwitz-Gelächter?" diskutiert Benignis traurige Komödie und andere exemplarische Spielfilme in ihrem jeweiligen historischen Kontext und mit Blick auf die Brüche und Kontinuitäten im Verhältnis der Generationen. Die Autorinnen und Autoren Stephan Braese, Thomas Elsaesser, Lutz Koepnick, Geraldine Kortmann, Kathy Laster, Ruth Liberman, Burkhardt Lindner, Ronny Loewy, Yosefa Loshitzky, Joachim Paech, Christian Schneider, Silke Wenk und die Herausgeber nehmen engagiert und kontrovers Stellung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2006Ruhmsucht
Annäherungen an Hitler
Ein "weiteres Buch über Hitler" - so meint Heinz Schreckenberg - sei nur durch neue Quellen oder neue Ideen gerechtfertigt. Die durch jüngere Editionen zugänglich gewordenen Quellen erlauben tatsächlich, differenziertere Vorstellungen von Hitler zu gewinnen. In Schreckenbergs biographischem Teil findet der Leser aber weder neue Tatsachen noch neue Interpretationen zu Hitlers Lebensweg. Im sachthematischen Teil arbeitet er die Ruhmsucht als Triebfeder eines Großteils der nationalsozialistischen Führungsclique gut heraus. In ihrer Diesseitsbezogenheit sahen sie die einzige Möglichkeit, Unsterblichkeit zu erreichen, also durch ihr Wirken in die Geschichte einzugehen. Ob im Positiven oder im Negativen, war gleichgültig. So können selbst die Ungeheuerlichkeiten der Verbrechen erklärt werden.
Die Wortwahl des Autors ist sehr emotional, es mangelt an Distanz zum Gegenstand. So sind die Charakterisierungen Hitlers als "Schurke" und "Desperado" in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung unbrauchbar. Besser geeignet ist da schon die verwendete Metapher "Schauspieler". Leider unterläßt es Schreckenberg, sie weiter auszureizen: War Hitler auch Autor und Regisseur seiner Inszenierung? Eine geschlossene Weltanschauung spricht der Autor dem "Führer" ab. Er habe lediglich das zeitgenössische "gängige völkische, rassistische und sozialdarwinistische Gedankengut" zusammengefaßt. Warum konnte dann Hitler auf der Weltbühne eine so große Rolle spielen und schon vor 1933 fast die Hälfte der Deutschen für sich begeistern? Er versprach allen alles, so die kurze Erläuterung. Eine solche - für Politiker nicht gerade ungewöhnliche - Methode erklärt jedoch nicht Hitlers Überzeugungskraft sowohl im persönlichen Gespräch als auch vor großem Publikum. Die Untersuchung enthält viele interessante Einzelbeobachtungen. Im eigentlichen Wortsinne originell sind sie nicht.
KLAUS A. LANKHEIT
Heinz Schreckenberg: Hitler. Motive und Methoden einer unwahrscheinlichen Karriere. Eine biographische Studie. Peter Lang - Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt 2006. 214 S., 19,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Annäherungen an Hitler
Ein "weiteres Buch über Hitler" - so meint Heinz Schreckenberg - sei nur durch neue Quellen oder neue Ideen gerechtfertigt. Die durch jüngere Editionen zugänglich gewordenen Quellen erlauben tatsächlich, differenziertere Vorstellungen von Hitler zu gewinnen. In Schreckenbergs biographischem Teil findet der Leser aber weder neue Tatsachen noch neue Interpretationen zu Hitlers Lebensweg. Im sachthematischen Teil arbeitet er die Ruhmsucht als Triebfeder eines Großteils der nationalsozialistischen Führungsclique gut heraus. In ihrer Diesseitsbezogenheit sahen sie die einzige Möglichkeit, Unsterblichkeit zu erreichen, also durch ihr Wirken in die Geschichte einzugehen. Ob im Positiven oder im Negativen, war gleichgültig. So können selbst die Ungeheuerlichkeiten der Verbrechen erklärt werden.
Die Wortwahl des Autors ist sehr emotional, es mangelt an Distanz zum Gegenstand. So sind die Charakterisierungen Hitlers als "Schurke" und "Desperado" in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung unbrauchbar. Besser geeignet ist da schon die verwendete Metapher "Schauspieler". Leider unterläßt es Schreckenberg, sie weiter auszureizen: War Hitler auch Autor und Regisseur seiner Inszenierung? Eine geschlossene Weltanschauung spricht der Autor dem "Führer" ab. Er habe lediglich das zeitgenössische "gängige völkische, rassistische und sozialdarwinistische Gedankengut" zusammengefaßt. Warum konnte dann Hitler auf der Weltbühne eine so große Rolle spielen und schon vor 1933 fast die Hälfte der Deutschen für sich begeistern? Er versprach allen alles, so die kurze Erläuterung. Eine solche - für Politiker nicht gerade ungewöhnliche - Methode erklärt jedoch nicht Hitlers Überzeugungskraft sowohl im persönlichen Gespräch als auch vor großem Publikum. Die Untersuchung enthält viele interessante Einzelbeobachtungen. Im eigentlichen Wortsinne originell sind sie nicht.
KLAUS A. LANKHEIT
Heinz Schreckenberg: Hitler. Motive und Methoden einer unwahrscheinlichen Karriere. Eine biographische Studie. Peter Lang - Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt 2006. 214 S., 19,80 [Euro].
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