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Mit Skorpionen als Kabinengefährten segelt Sophia Raffles Anfang des 19. Jahrhunderts hochschwanger von Bengulu nach Kalkutta. Sie begleitet ihren Mann, der im Auftrag der East India Company arbeitet, auf zahlreiche Expeditionen und entdeckt das sagenhafte Reich der Minangkabau im Zentrum der Vulkankette Sumatras - wohin kein Europäer je einen Fuß gesetzt hatte. Doch sie blieb im Schatten des frühverstorbenen Gründers von Singapur, bis Susanne Knecht in spannender Annäherung dieses Leben einer wagemutigen Frau ans Licht brachte. - "Ein faszinierendes Buch, das ungewöhnliche Einblicke in eine…mehr

Produktbeschreibung
Mit Skorpionen als Kabinengefährten segelt Sophia Raffles Anfang des 19. Jahrhunderts hochschwanger von Bengulu nach Kalkutta. Sie begleitet ihren Mann, der im Auftrag der East India Company arbeitet, auf zahlreiche Expeditionen und entdeckt das sagenhafte Reich der Minangkabau im Zentrum der Vulkankette Sumatras - wohin kein Europäer je einen Fuß gesetzt hatte. Doch sie blieb im Schatten des frühverstorbenen Gründers von Singapur, bis Susanne Knecht in spannender Annäherung dieses Leben einer wagemutigen Frau ans Licht brachte. - "Ein faszinierendes Buch, das ungewöhnliche Einblicke in eine Zeit gibt, die oft durch Kolonialromantik verklärt wird und in der die Reise zwischen London und Singapur ein halbes Jahr dauern konnte. "Neue Zürcher Zeitung
Autorenporträt
Susanne Knecht, geboren in Basel, ist Journalistin mit Studium der Ethnologie und Religionswissenschaften. Nach Aufbau eines Migrationsinstitutes an der Universität Neuchâtel Rückkehr zum Journalismus. Susanne Knecht lebt in Basel und Italien. Von ihr erschienen "Lady Sophia Raffles auf Sumatra" und "Eliza Fraser. Schiffbruch vor Australiens Küste".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2001

Am Rockzipfel der Biographie
Damenopfer: Susanne Knecht auf den Spuren von Sophia Raffles

Botaniker gedenken Sir Thomas Stamford Raffles' wegen einer ziegelroten Blüte mit hellen Tupfen, die in Sumatra als Parasit auf Palmen wächst. "Rafflesia arnoldi" ist endemisch und bekannt für ihre Größe und für ihren Gestank. Kolonialhistoriker verbinden mit Raffles' Namen eher die Gründung Singapurs, wo er 1819 die englische Fahne hißte und seinem Land den Seeweg nach China sicherte. Raffles' zwischen Wirtschaftsliberalismus, Aufklärung und Aufsteigertum schillerndes Draufgängertum polarisierte Zeitgenossen und Nachwelt, daß ihm sein Arbeitgeber, die hochmögende East India Company, am Ende nicht einmal eine Pension zahlte.

Fünf Biographen haben Sir Stamfords Leben beschrieben. Mit Lady Sophia Raffles hat sich bislang noch keiner recht befaßt. Dabei schrieb Raffles' zweite Frau die "Memoir of the Life and Public Services of Sir Thomas Stamford Raffles", eine Abrechnung mit der "Company", eine glühende Rehabilitationsschrift für ihren Gatten, aber auch eine historische Dokumentation der Jahre auf Sumatra, deren Titel nur insofern ungewöhnlich war, als man gemeinhin die eigenen "Memoiren" und nicht die eines anderen schreibt. Ohne Sophias Hagiographie, so die These der Schweizer Journalistin und Ethnologin Susanne Knecht, hinge Raffles' Porträt heute kaum im britischen Parlament. Ohne Sophia hätte er die sechs Jahre in den Tropen kaum durchgehalten. Mit ihrem kurzweiligen Buch "Lady Sophia Raffles auf Sumatra" legt Knecht nun eine Chronik der Chronistin vor.

Als Sir Stamford nach dem Tod seiner ersten Frau und dem Scheitern seines Java-Abenteuers Sophia 1817 in England heiratete, war sie nicht mehr jung und keine Schönheit. Aber sie war ihm "verehrungsvoll ergeben", wie Raffles schreibt, und das schien dem Egomanen genug. Hochschwanger und halb tot vor Seekrankheit reist Sophia dreiundzwanzigtausend Kilometer mit dem Schiff nach Bengkulu an der Westküste Sumatras, "ganz ohne jeden Zweifel das Erbärmlichste, was ich je erblickte". Von dort gehen sie gemeinsam auf Expeditionen ins Inselinnere, sogar über die Vulkanketten des Barisan-Gebirges, wohin kein Europäer je einen Fuß setzte. Sophia erträgt Blutegel, reißende Flüsse, steile Aufstiege, Sturzregen und Strapazen, größer als "alles, was ich mir vorstellen konnte".

Wichtiger für Raffles' Karriere war ihr psychologisches Geschick. Sophia lenkt und leitet den sprunghaften Gatten und tröstet ihn, als die "Company" nach dem Prosperieren des Freihafens Singapur seine hochfliegenden Pläne für eine koloniale Neuordnung "Ostindiens" ignoriert. Auch Susanne Knecht fuhr nach Sumatra. Mit lesbarem Vergnügen folgte sie Lady Sophias Spuren nach Bengkulen, Palembang und Penang, besuchte sogar die kultivierten Batak-Stämme, die Verbrecher zu Raffles' Zeiten noch lebendig aufaßen. Ihr Reisebericht ist zwar nur halb so atemraubend wie der Sophias, aber ethnologisch um so lehrreicher.

Auf der Suche nach "Rafflesiana" reiste die Autorin überdies ins Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin und sogar in den Vatikan. Der Aufwand lohnt, denn nur in ihren Schreiben an die Schwägerin Mary Anne Flint und die Familie von Bunsen zeigt sich Sophia als die beherzte, humorvolle, sogar ironische Frau, die sie tatsächlich war. In Raffles' Memoiren, der Hauptquelle Knechts, ist sie dagegen schwerer zu greifen als ein Chamäleon. Stets schreibt sie über sich in der dritten Person, als "editor", als "Herausgeberin" in Anführungszeichen.

Selten nur erhascht der Leser einen Zipfel vom schmutzstarrenden Rock jener tollkühnen Abenteurerin, die wieder eine Schwangerschaft verschweigt, damit ihr Mann sie nicht zu Hause läßt, wenn es gefährlich wird: "Das Davonjagen des Floßes übers Wasser, der tosende Lärm, die sprühende Gischt, die Gefahrenmomente, die Anstrengung, die vollkommene Ruhe jeder einzelnen Person - das alles zusammen schuf einen Grad von Erregung, die nicht leicht beschrieben werden kann." Intimer wird Sophia kaum. Selbst als vier ihrer fünf Kinder in den Tropen sterben, drei innerhalb eines halben Jahres, tritt Sophia nicht als Mutter vor ihre Leser, sondern trauert in den Worten ihres Mannes: Sophias "Lebensgeister wie auch die meinen sind völlig gebrochen", zitiert sie ihn. "Wir sind begierig, von diesem Leichenhaus fortzukommen."

Wie porträtiert man jemanden, der nicht porträtiert werden will? Susanne Knecht löst das Problem durch Verzicht und versagt sich jede Deutung. Das ist redlich, aber Sophias Schweigen klingt dadurch nur lauter. Die Konzentration auf die Ehejahre und die unausgewogene Quellenlage verwandeln die Biographie in eine Doppelbiographie. Das Material über ihre Heldin allein hätte kaum ein Drittel des Bandes gefüllt. So wirkt der heißblütige Sir Stamford zusehends extravaganter, doch seine Dame verschwindet.

Am Ende kann man das sogar wörtlich nehmen. Als nach der Rückkehr nach England Sophias Mann und auch ihr letztes Kind sterben, ist dies mehr, als sie ertragen kann. Den Rest ihres Lebens verbringt sie in Frömmigkeit und seelischer Düsternis. Zweiunddreißig Jahre Einsamkeit sind der bittere Epilog neun aufregender Ehejahre. Es ist Susanne Knecht nicht anzulasten und es tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch, daß das Porträt unvollständig bleibt. Lady Raffles wußte mit Publicity umzugehen, und so geschickt sie ihren Mann als Lichtgestalt inszenierte, so sehr achtete sie darauf, daß sie selbst im Schatten blieb. Erstaunlicher ist, daß Susanne Knecht zwar den Mut ihrer Heldin würdigt, ihren Optimismus und ihre Klugheit, eine ihrer augenfälligsten Eigenschaften, aber nur zwischen den Zeilen nennt. Lady Raffles war in allem, was sie tat, eine große Liebende.

SONJA ZEKRI.

Susanne Knecht: "Lady Sophia Raffles auf Sumatra". Ein wagemutiges Leben. Wiederentdeckt und aufgeschrieben in Sumatra, London, Berlin. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2000. 276 S., geb., 38,- DM.

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