Hat der Psychotherapeut Konrad Schnittweg ein Attentat geplant? Das lässt der Brief vermuten, der in seinem Namen an die Presse ging, bevor er verschwand. Der ermittelnde Beamte Schnok versucht, das Leben des Untergetauchten zu rekonstruieren, um ihm auf die Spur zu kommen. Aber die Befragten, egal ob Ehefrau, Freunde, frühere Kameraden beim Bund oder der recherchierende Journalist, widersprechen sich grundlegend. Für die einen ist Schnittweg der reflektierte, hilfsbereite Zeitgenosse, für die anderen die Wiederbelebung des politischen Terrors. Hat Schnittweg, dieser Mann des Wortes, für den das Gespräch immer Teil der Lösung war, sich über die Jahre durch die politischen Verhältnisse in Europa radikalisiert? Oder stand er einem der Befragten im Weg? Ein Motiv hätten einige.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Jerome Jaminet trifft auf brennende Fragen, epistemische, politische, moralische, in Guy Helmingers literarischem Vexierspiel um einen verschollenen Psychotherapeuten und seine gesammelten Patientenakten. Die "Causa Schnittweg" setzt sich im Text aus verschiedenen, mehr oder weniger glauwürdigen Dokumenten, Zeitungsartikeln, Therapieprotokollen, Notizen und Audio-Files zusammen, aus Ideen- und Realgeschichte über Nationalismus, Wirtschaftsliberalismus und Diktaturen. Eine Stimmenkakofonie, die der Rezensent selbst entschlüsseln muss, um hinter die Identität des Verschwundenen zu kommen. Für Jaminet ein spannendes Puzzle, an dessen Ende u. a. die Erkenntnis steht, dass alles mit allem zu tun hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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