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"Dehnel ist eine Ausnahmeerscheinung -'Lala' ein unkonventionelles Meisterwerk." - Gazeta Wyborcza
Eine schillernde Frauenfigur, die Geschichte einer zärtlichen Freundschaft zwischen Enkel und Großmutter - und eine große Familiensaga, die vom Kiew des Jahres 1875 bis ins Polen unserer Tage reicht. "Einmal ist Großmama Wanda, stellt euch vor, da war sie schon gut neunzig, einfach aus Lisöw verschwunden. Mitten im Krieg, überall Deutsche. Wir suchen hier, wir suchen da, machen uns Sorgen ... Was guckt ihr so?" "Das kennen wir." "Das kennt ihr?", fragt Großmutter misstrauisch, lässt sich aber…mehr

Produktbeschreibung
"Dehnel ist eine Ausnahmeerscheinung -'Lala' ein unkonventionelles Meisterwerk." - Gazeta Wyborcza
Eine schillernde Frauenfigur, die Geschichte einer zärtlichen Freundschaft zwischen Enkel und Großmutter - und eine große Familiensaga, die vom Kiew des Jahres 1875 bis ins Polen unserer Tage reicht.
"Einmal ist Großmama Wanda, stellt euch vor, da war sie schon gut neunzig, einfach aus Lisöw verschwunden. Mitten im Krieg, überall Deutsche. Wir suchen hier, wir suchen da, machen uns Sorgen ... Was guckt ihr so?"
"Das kennen wir."
"Das kennt ihr?", fragt Großmutter misstrauisch, lässt sich aber kein bisschen aus dem Konzept bringen. "Und wie geht's aus?"
"Sie kam vom Friseur zurück ..."
"Ihr kennt es tatsächlich." Großmutters Miene verfinstert sich einen Moment, aber dann fängt sie sich wieder. "Das macht nichts. Einmal, stellt euch vor, ist Großmama, sie war schon neunzig ... Und sie ist wieder zurückgekommen. Mit einer Dauerwelle. , sagte sie, "
Autorenporträt
Jacek Dehnel, geb. 1980 in Danzig, hat bereits mehrere Gedicht- und Erzählbände veröffentlicht. 2005 war er Preisträger der Koscielski-Stiftung, der renommiertesten Auszeichnung für polnische Autoren unter vierzig. Dehnel lebt als Autor und Übersetzer in Warschau.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2008

Wer mit sieben Descartes nicht kennt, wird nie ein Schnösel

Erzähl's noch mal, Puppe! Mit dem ambitionierten Debütroman "Lala" setzt Jacek Dehnel, der Dandy unter Polens Jungautoren, seiner Großmutter ein Denkmal.

In der polnischen Literaturszene reüssieren zurzeit die Jungtalente - noch vor wenigen Jahren nahezu undenkbar. Ein hervorragendes Beispiel ist die flippige Abiturientin Dorota Maslowska, die mit ihrem Erstling über Nacht zum literarischen Shootingstar avancierte und mit ihrem zweiten Roman den wichtigsten Literaturpreis des Landes einheimste. Auch der heute achtundzwanzigjährige Autor Jacek Dehnel, dessen Roman "Lala" vor zwei Jahren erschien, kann sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Die geht nicht zuletzt darauf zurück, dass er das Image eines mit allen Wassern gewaschenen Intellektuellen, bekennenden Homosexuellen und stilbewussten Ästheten pflegt. Man denkt an Oscar Wilde und Tom Wolfe, wenn Dehnel in seiner sorgsam durchdachten, eine Vorliebe für die Mode des 19. Jahrhunderts verratenden Garderobe das Parkett betritt. Das bewusst antiquierte Äußere, diese kunstvolle Komposition aus Gehrock, Spazierstock und Siegelring, passt in der Tat viel besser zu seinen feinen Gesichtszügen und tadellosen Manieren als Jeans und Turnschuhe.

Er bekam schon von manchem Journalisten Epitheta wie "Streber" oder "Musterschüler" beigestellt, und in der Tat scheint es in seiner Karriere ebenso wenig Platz für einen Zufall zu geben wie in seinem Outfit. Der gebürtige Danziger, der heute in Warschau lebt, wo er ein sogenanntes "Interdisziplinäres humanistisches Studium" absolvierte, hat sich bereits als Übersetzer englischer Lyrik und als Moderator einer Kulturfernsehsendung einen Namen gemacht, den besagten Roman, vier Gedichtsammlungen und drei Erzählbände publiziert - für den letzten, "Balzaciana", der auf frappierende Weise die Motive der "Menschlichen Komödie" mit den heutigen polnischen Realien verknüpft, wird er soeben von den polnischen Kritikern gefeiert. Und er hat etliche Auszeichnungen, darunter den renommierten Preis der Genfer Koscielski-Stiftung und den Preis der Zeitschrift "Polityka", erhalten.

Die meisten Lorbeeren aber brachte ihm bislang der Roman "Lala" ein, eine schwungvoll erzählte autobiographische Geschichte, in deren Mittelpunkt seine Großmutter steht: eine alte Dame, die erzählend auf ihr bewegtes Leben zurückblickt. Sie war einst eine veritable Schönheit, damals selten bei ihrem Vornamen gerufen, sondern meist "Lala", Puppe, genannt. Eine pejorative Konnotation hatte das Wort hier allerdings nicht. Zwar war die Großmutter auffallend schön, aber anerkanntermaßen auch intelligent, mutig und unternehmungslustig. Da sie sich in hohem Alter auch noch als eine passionierte Erzählerin entpuppt, verwebt sie dieses Leben zu einem riesigen, bunten Geschichtenteppich, dessen raffiniertes Muster der Verworrenheit der polnischen Schicksale im zwanzigsten Jahrhundert entspricht. All das wird eifrig von ihrem Enkel notiert, der jene längst verschwundene Welt, die durch diese Geschichten durchschimmert, wiedererstehen lassen möchte. Er habe dieses Buch geschrieben, so Dehnel in einem Interview, "um die besondere Persönlichkeit dieser unabhängigen Frau festzuhalten, einer sehr interessanten Person, der man gern begegnen würde".

Er selbst hat in seiner Jugend viel Zeit mit ihr verbracht. Ihr verdankt er die Entschlossenheit zur Originalität und Erhabenheit. Früh eingeimpft wurden ihm aber auch intellektuelle Disziplin und ästhetische Wachsamkeit: ",Wer hat das gesagt?', rief sie mir ... zu, während sie Flieder schnitt. ,Na? Wer wohl? Cartesius, das heißt Descartes.' Letzteres ausatmend, entrüstet: wie man das im Alter von sieben Jahren nicht wissen kann." So formte sie ihn über Jahre, bis er den ständigen Umgang mit Shakespeare, Epikur oder Homer als einen natürlichen Zustand ansah: "Manchmal war es schön, was sie mir sagten, manchmal auch langweilig. Aber ich fühlte mich zu Hause."

Dass er schließlich Schriftsteller geworden ist, scheint die Großmutter genauso wenig zu überraschen wie die Tatsache, dass sein erster Roman von ihr handelt. An Selbstbewusstsein hat es der Großmutter nie gemangelt. Doch berichtet er ihr von einem poetologischen Problem: "Entweder muss ich chronologisch vorgehen, und das ist Unsinn, denn du erzählst nie chronologisch, oder in Abschweifungen, und dann begreift niemand, worum es geht." Damit umschreibt er aber auch das Dilemma, vor dem der Leser steht. Die ungefähre Chronologie der Abschweifungen nämlich kommt dem Buch nicht immer zugute: Man erkennt zwar, dass diese Fülle an Personen und Ereignissen sich zu einer Familiensaga zusammenfügt und dass dahinter ein Panorama des ganzen Jahrhunderts hervorlugt. Doch will der Funke der Faszination, die das Erinnern der alten Dame auf den Enkel ausübt, auf den Leser nicht recht überspringen.

Schuld daran ist wohl die Verbindung der besagten Fülle mit Dehnels konsequent fragmentarischer Erzählweise: Es sind meist nur Situations- und Dialogfetzen, mit denen man sich bei der Lektüre dieses Romans begnügen muss. Es ist, als würde man einem alten Erzählritual beiwohnen, deren Teilnehmer sich zum wiederholten Mal blendend amüsieren, während man als Zuhörer mit einem verlegenen Lächeln dasitzt, weil man zwar immer wieder den Ansatz einer interessanten Geschichte erkennt, dabei aber in der Tat nicht recht weiß, worum es eigentlich geht. Der Enkel ist nämlich ein ebenso aktiver Gestalter dieser Erzählséancen wie die Großmutter: Er hilft ihr auf die Sprünge, wenn ihr Gedächtnis sie im Stich lässt, erinnert sie durch eine Frage an das gewünschte Detail, gibt ihr das nächste Stichwort. Selbst seine Freunde haben dieses Wissend-Verschwörerische an sich. "Ist das die, die mit ihrer Mutter im Aufstand in den Trümmern umkam, die erste Frau deines Großvaters?", erkundigt sich einer sofort, als der Erzähler zu einer neuen Episode ansetzt.

Dennoch liest der ausgeschlossene Leser diesen Roman ausgesprochen gern, zumal seine Hauptstärke in der bildhaften Sprache liegt. Großmutters Haus in Oliwa ähnelt einer "Insel, umspült vom Wasser verschiedener Meere, von denen jedes im Laufe der Jahre andere Muscheln, Seesterne und Wasserpflanzen an die Ufer geworfen hat", und sie selbst wirkt wie "eine einsame und erhabene Gottheit". Man merkt, dass Dehnel früher einmal hat Maler werden wollen. Manchmal vergaloppiert er sich vollends, will Philip Larkin, dem englischen Dichter, den er ins Polnische übersetzt und als seinen Meister betrachtet, an Ausdruckskraft nicht nachstehen.

Bei "Lala" handelt es sich aber auch um eine eindrucksvolle und emotionale Chronik des menschlichen Verfalls. Wenn Dehnel beobachtet, wie dieses "wunderschöne Bauwerk in sich zusammenfällt", dann ist er nicht nur der junge Literat, der an Stil und Komposition seines Buches denkt. Dann ist er auch einfach der Enkel, der dieser alten Frau viel Geduld, Zärtlichkeit, Nachsicht und Dankbarkeit entgegenbringt und der keinen Hehl daraus macht, wie schwer ihm der Abschied von ihr fällt. Man ahnt als Leser, dass diese ungewöhnliche, symbiotische Beziehung zweier Menschen, zwischen denen die Worte fielen, als "wären es kleine Elfenbeinwürfel oder Karten mit goldenen Hieroglyphen, deren gezackte Ränder ideal zueinander passen", bald ein Ende haben wird. Und man täuscht sich nicht: Die alte Dame ist vor kurzer Zeit gestorben.

MARTA KIJOWSKA

Jacek Dehnel: "Lala". Roman. Aus dem Polnischen übersetzt von Renate Schmidgall. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2008. 351 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Erfreut zeigt sich Rezensent Ulrich M. Schmid über Jacek Dehnels "kunstvollen" Debütroman, der die Geschichte seiner Familie erzählt. Im Mittelpunkt stehe die Großmutter Lala, eine couragierte Frau, die ihrem Enkel Geschichten vom russischen Vater, vom Landhaus bei Kielce oder von der deutschen Besatzung erzählt. Der Rezensent bescheinigt Dehnel, die zahlreichen, sich wiederholenden und variierenden Erzählungen Lalas im Originalton einzufangen, so dass sich der Leser unvermittelt in der Situation des Enkels wiederfinde. Dabei spiegeln sich für ihn die großen Konflikte der Epoche in kleinen eindringlichen Geschichten wider. Schmid liest in dem Roman auch als eine "Hommage" Dehnels an seine Großmutter und die Frauen aus der älteren Generation Polens.

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