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Der nach Anspruch, Umfang und Wirkung beispiellose mittelalterliche Romanzyklus um Lancelot und den Gral ist in seiner mittelhochdeutschen Fassung zugleich auch der erste deutsche Prosaroman. Mit einem bis dahin unerhörten Aufwand an epischer Phantasie führt er die episodische Welt der klassischen Artus-Romane zu einem enzyklopädischen Ganzen zusammen und interpretiert sie neu. Der Prosalancelot ist ein überaus farbiges Werk von labyrinthischer Stoffülle und thematischer Komplexität, ein faszinierendes Epos von der Macht der höfischen Liebe und vom Glanz und Untergang der mittelalterlichen…mehr

Produktbeschreibung
Der nach Anspruch, Umfang und Wirkung beispiellose mittelalterliche Romanzyklus um Lancelot und den Gral ist in seiner mittelhochdeutschen Fassung zugleich auch der erste deutsche Prosaroman. Mit einem bis dahin unerhörten Aufwand an epischer Phantasie führt er die episodische Welt der klassischen Artus-Romane zu einem enzyklopädischen Ganzen zusammen und interpretiert sie neu. Der Prosalancelot ist ein überaus farbiges Werk von labyrinthischer Stoffülle und thematischer Komplexität, ein faszinierendes Epos von der Macht der höfischen Liebe und vom Glanz und Untergang der mittelalterlichen Ritterwelt, dessen Figurenreichtum und Handlungsvielfalt mit einem bewunderungswürdigen Maß an konstruktiver Energie bewältigt wird.
Die Wirkung des Prosalancelot auf die europäische Literatur ist schwerlich zu überschätzen: Zu Anfang des 13. Jahrhunderts in Frankreich entstanden, wurde er in zahlreichen, kostbar illuminierten Abschriften, Übersetzungen und Bearbeitungen in alle Literatursprachen des Spätmittelalters verbreitet. Unmittelbar nach dem französischen Original begonnen, entstand die ganz eigenständige mittelhochdeutsche Fassung in einem äußerst langwierigen Prozeß.

Die Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlages, hier nun endlich in preisgünstiger, doch schöner Ausstattung, bot die erste vollständige, zugleich erstmals übersetzte und kommentierte Edition dieses Werks: Grundlage und zugleich schon Gipfelwerk einer Literatur, die als Fantasy auch die Moderne geprägt hat. Die beiden ersten Bände des Prosalancelot erzählen von Lancelots Herkunft und Aufnahme in die Tafelrunde und die Geschichte seiner Liebe zu Ginover und bieten eine in sich abgeschlossene Handlung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.2006

Ein großes Herz braucht einen Ritter mit breiter Brust
Mittelalter-Liebe II: Noch blinkt die Rüstung prächtig, doch die Tafelrunde ist schon morsch, wenn der "Prosalancelot" die Geschichte der Artusdämmerung erzählt

Daß zuviel Nähe blind macht, kennt man vom Spielplatz: So viele Kinder auch die Sandkiste bevölkern, jede Mutter und jeder Vater wird das eigene für ganz besonders wohlgeraten halten. Ein ähnliches Verhältnis entwickeln die Autoren mittelhochdeutscher Epik gern zu ihren Figuren: Kaum einer spart an Superlativen, der jeweilige Held ist ausdrücklich der schönste, beste, stärkste; "nie wurde prächtiger gefeiert", heißt es immer wieder, wenn König Artus jährlich am Pfingsttag hofhält, und auch im Turnier treffen gern derart kühne Helden zusammen, daß "niemals besser gekämpft" wurde.

Bei dieser Inflation des Qualitätsrittertums sind die Zwischentöne um so spannender: Der junge Lancelot etwa, Sohn des entmachteten König Ban, der als Säugling von einer Fee geraubt und anschließend überaus höfisch erzogen wird, heißt bei seiner Umgebung nur "schöner Knabe", "Königskind" oder "edler Waise", weil sein Name geheimgehalten wird. Tatsächlich schwelgt dann auch der Autor in der Schönheit des Knaben: Stirn, Augen, Nase - alles wohlgeformt, auch sein Teint ist so vollkommen, "daß Gott im Himmel nie schönere Farben gemischt hat als die, die sich in Lancelots Antlitz vermengten". Der Körper des Helden ist "wohlgestalt, von angemessener Größe und weder zu schlank noch zu schwer", und dabei könnte man es belassen und wieder zur Aventiure übergehen, käme nicht noch ein Nachsatz: Lancelots "Brust war sehr groß, breit und kräftig, das störte als einziges an seiner Gestalt".

Natürlich ist diese offensichtliche Abkehr vom Heldenprogramm ein deutliches Signal an die Leser, kein Auge von Lancelots breiter Brust zu lassen. Hier verbirgt sich offenbar, was ihn aus der Schar der durchweg allerschönsten Artusritter heraushebt, gleichzeitig aber auch seine Unvollkommenheit festschreibt, seinen Makel, an dem er, so ahnt man, letztlich scheitern wird.

Nachzulesen ist Lancelots Geschichte, seine Herkunft, die tragische Liebe zu König Artus' Gattin Ginover, seine vergebliche Suche nach dem Gral und schließlich der Untergang der Tafelrunde, in einem Großroman, den man heute den "Prosalancelot" nennt: eine mittelhochdeutsche Übersetzung eines ursprünglich französischen Werks, die nach 1250 und wohl über den Umweg einer niederländischen Fassung entstanden ist. Im deutschen Klassiker Verlag ist seit 1995 sukzessive eine fünfbändige, vorzüglich kommentierte (und angemessen teure) neuhochdeutsche Übersetzung erschienen, deren erste beiden Bände jetzt in einer erschwinglicheren Ausgabe bei Insel neu aufgelegt worden sind.

Bemerkenswert an diesem Text ist nicht nur der Versuch des Autors (oder Autorenkollektivs), eine Fülle von zuvor getrennten Erzählsträngen zu König Artus und seiner Tafelrunde zu bündeln - nicht einmal hundert Jahre nach Chrétien de Troyes' ersten Artusepen ist der "Prosalancelot" ersichtlich der Roman einer Spätzeit. Die Artuswelt, die frühere Helden noch aus kleinen wie größeren Krisen retten konnten, ist dem Verfall geweiht - schon zu Beginn kann der König seiner wichtigsten Verpflichtung, dem Schutz seines Vasallen, nicht nachkommen. Die Tafelrunde ist morsch, der vorgesehene Erlöser, Lancelots Sohn Galaad, beehrt sie zwar kurz, widmet sich dann aber lieber der Gralssuche als der Stütze des wankenden Reiches.

Mindestens so wichtig wie der Inhalt aber ist die Form des Romans: Er ist in Prosa abgefaßt, die bis dahin im deutschen Sprachraum für Belletristik nicht üblich war. Anders als der gereimte Versroman signalisiert sie - zumal der Verfasser anonym blieb - einen größeren Wahrheitsanspruch und einen geringeren Kunstcharakter. "Ich bin Wolfram von Eschenbach, / unt kan ein teil mit sange", meldet sich dagegen stolz der Parzival-Dichter mitten in seinem Roman zu Wort, während der Autor des Prosalancelot, der ebenfalls nach einer fremdsprachigen Vorlage arbeitet, ganz ungreifbar bleibt und sich im wesentlichen an den Ausgangstext hält.

Der wiederum geht im Kern auf Chrétiens "Karrenritter" zurück, der ebenfalls die Liebe zwischen Lancelot und Ginover beschreibt. Man wird den "Prosalancelot" nicht zuletzt wegen seines erzählerischen Wachsens und Wucherns schätzen, wegen der Lust an der Episode, den Seitenpfaden und Abwegen, den eingeschobenen Abenteuern und schnellen Szenenwechseln. Der mittelalterliche "Wald der Welt" - hier zeigt er sich angemessen verwildert und so ausgeufert, daß man dem Roman einen Platz neben den Erzählungen aus 1001 Nacht zuweisen könnte, wäre er nicht in seiner Großstruktur doch so zielgerichtet: Das traurige Ende deutet sich vielfach an, wenn etwa der namenlose Held, der "schöne Knabe", zu Beginn seiner ritterlichen Laufbahn in schweren Kämpfen eine Burg erobert und dort unverhofft einen Friedhof vorfindet. Eines der Gräber warte schon auf ihn, erfährt er, und auf der bereits angebrachten Inschrift liest er nun endlich seinen Namen: "In diesem Grab wird liegen Lancelot vom See, der Sohn König Bans von Bonewig und seiner Ehefrau Alene."

So wird es kommen, am Ende des fünften Bandes, zuvor aber wird sich Lancelot in Ginover verlieben und sie sich in ihn. Ihr bleibt es vorbehalten, in der breiten Brust des Helden etwas anderes zu sehen als bloß den Makel eines sonst Makellosen: Lancelot, sagt sie, habe eben ein derart großes Herz, daß es einen normalen Brustkorb sprengen würde. Tatsächlich macht sein unbedingtes Liebesvermögen Lancelot zum besten aller Ritter (während Ginover durchaus nicht ohne Wankelmut ist) und schließt ihn gleichzeitig als Ehebrecher von der Teilhabe am Gral aus.

"Die tragische Liebesgeschichte von Lancelot und Ginover" ist diese Teilausgabe des "Prosalancelot" überschrieben, und wenn sich der Verlag entschlösse, die drei übrigen Bände ebenso wohlfeil herauszubringen, wäre das Versprechen dieses Titels eingelöst. Denn natürlich geht die Geschichte des Paares weiter: Lancelot wird beispielsweise in der Gefangenschaft sein Abenteuer mit Ginover an die Wand malen, um täglich ihr Porträt zu küssen. Daß der eifersüchtige Artus dieses Fresko einmal sehen könnte, bedenkt er nicht.

"Die tragische Liebesgeschichte von Lancelot und Ginover" (Prosalancelot I und II). Übersetzt, kommentiert und herausgegeben von Hans-Hugo Steinhoff. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2006. 2 Bde., geb., zus. 2393 S., 49,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Diese beiden Bände basieren auf einer fünfbändigen und recht kostspieligen Ausgabe des Deutschen Klassikerverlags, informiert Tilman Spreckelsen, und sie sind textidentisch mit ihren beiden ersten Bänden - aber wesentlich preiswerter. Spreckelsen hat die 2.400 Seiten offensichtlich mit Gewinn gelesen und erzählt kenntnisreich von dieser Prosaversion der bekannten Lancelot-Sage aus dem 13. Jahrhundert. Es handelt sich um den Roman einer Spätzeit, erläutert Spreckelsen. Das Reich des Artus und seiner Tafelrunde scheint hier schon dem Untergang geweiht. Spreckelsen erfreut sich an den vielen farbigen Episoden und Seitensträngen der hier vorliegenden monumentalen Prosaversion und fordert den Insel-Verlag auf, auch die nächsten drei Bände in einer Volksausgabe herauszubringen. Über die Übersetzung ins Neuhochdeutsche sagt Spreckelsen nichts, ausdrücklich lobt er aber die Kommentare der Ausgabe.

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