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"Land der Bäume" ist der Roman einer Landschaft: des rauen Kap Breton an der kanadischen Atlantikküste. In dieser kargen Wildnis leben Menschen - sie werden Leuchtturmwärter, Minenarbeiter am Rand des Polarkreises oder ziehen mit ein wenig Glück in die Stadt. Doch für alle bleibt das Kap das wahre Zuhause. Mit Fabulierlust und Humor, einem Ohr für Gefühle und einem Auge für die kleinen Dinge, in denen Gott die Welt gerade sein lässt, gelingt ihm ein bestechender Roman, der die einfache Antwort weiß auf die Frage, was Familien zusammenhält: Geschichten.

Produktbeschreibung
"Land der Bäume" ist der Roman einer Landschaft: des rauen Kap Breton an der kanadischen Atlantikküste. In dieser kargen Wildnis leben Menschen - sie werden Leuchtturmwärter, Minenarbeiter am Rand des Polarkreises oder ziehen mit ein wenig Glück in die Stadt. Doch für alle bleibt das Kap das wahre Zuhause. Mit Fabulierlust und Humor, einem Ohr für Gefühle und einem Auge für die kleinen Dinge, in denen Gott die Welt gerade sein lässt, gelingt ihm ein bestechender Roman, der die einfache Antwort weiß auf die Frage, was Familien zusammenhält: Geschichten.
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Autorenporträt
Alistair Macleod wurde 1936 in North Battleford, Saskatchewan, geboren und wuchs inmitten einer vielköpfigen Familie auf Cape Breton auf. Im Sommer schrieb er in einer Hütte am St-Lawrence-Strom, im Winter war er Professor für Englische Literatur in Windsor, Ontario. Um seine Ausbildung zu finanzieren, arbeitete er als Holzfäller, Minenarbeiter und Fischer. Seine Kurzgeschichtensammlungen sind legendär. Im S. FISCHER Verlag erschienen der Erzählband »Die Insel« (2003) sowie der Roman »Land der Bäume« (2001). Alistair Macleod verstarb am 20. April 2014 in Windsor, Ontario.Literaturpreise:Für "Land der Bäume": Trillium Award und International IMPAC Dublin Literary Award 2001
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2001

Brandy aus der Plastikschale
Der Clan hat immer recht: Alistair MacLeods Wurzelbehandlung

Als Opa am Heiligabend volltrunken nach Hause kommt und bewußtlos auf dem Küchenboden zusammensackt, holt Oma die Schachtel mit dem übriggebliebenen Christbaumschmuck, dekoriert die Schnapsleiche mit Lametta, Kugeln, Sternen und Eiszapfengirlanden und besprüht sie mit künstlichem Schnee. Auch ein Foto wird gemacht, das der Rausch-Goldengel wider Willen, unter dem Gelächter von Ehefrau und Enkeln noch rechtzeitig zum Gottesdienst erwacht, später bis zum Zerbröseln in seiner Brieftasche mit sich herumträgt, um es sodann als Souvenir für die vielköpfige Nachkommenschaft neu abziehen zu lassen.

Die Weihnachtsszene zählt zu den humoristischen Glanzlichtern des Romans, mit dem Alistair MacLeod, Literaturprofessor in Windsor, Ontario, und als Verfasser von Kurzgeschichten im angelsächsischen Sprachraum längst bekannt, das unsterbliche Genre des Auswanderer-Epos um eine schottische Variante bereichert hat. Sein Ich-Erzähler Alexander MacDonald, ein Kieferorthopäde in den Fünfzigern, ist Abkömmling eines Clans, der im späten achtzehnten Jahrhundert aus den kargen Highlands nach Kanada emigrierte, um dem Hunger zu entgehen. Auf dem waldreichen Cape Breton in Nova Scotia fand die Sippe ein Auskommen, brachte Holzfäller, Leuchtturmwärter und Minenarbeiter, aber auch Musiker, Schauspielerinnen und Zahnärzte hervor und überlieferte von Generation zu Generation die Legenden um Calum Ruadh, den rothaarigen Urururgroßvater, der mit seiner kranken Frau und zwölf Kindern in eine ungewisse Zukunft aufgebrochen war. Wie einen Talisman hütet man die Geschichte der Hündin, die damals in der Obhut von Nachbarn zurückbleiben sollte, doch aus treuer Ergebenheit dem Auswandererboot nachschwamm, bis sie liebevoll an Bord genommen und fortan aufs höchste respektiert wurde.

Zusammenhalt, Treue, das Bewahren von Erinnerungen, der unablässige Rückbezug, sowohl im Gespräch als auch in der individuellen Phantasie, auf die familiären Ursprünge und ihren historischen Hintergrund - das sind die altmodischen Werte, die Alistair MacLeods Erzählgestus bestimmen und die, so darf gemutmaßt werden, für den enormen Erfolg des Romans bei kanadischen Lesern ausschlaggebend waren. In einer Gegenwart, deren Sinnleere und Verwirrung der Autor mit Seitenblicken auf das moderne Toronto oder auf den verzweifelten Schönheitswillen seiner Zahnkorrektur-Patienten andeutet, wächst offenbar das Bedürfnis, der couragierten Vorfahren zu gedenken, ihr heroisch entbehrungsreiches Leben mit der eigenen Bequemlichkeit zu konfrontieren und die moralischen Maßstäbe ihres Handelns, wenn sie sich schon in der Praxis nicht mehr nachvollziehen lassen, wenigstens sentimental zu verklären. "Meine Hoffnung ruht fest in dir, Clan Donald" lautet die Losung, die feierlich oder auch ironisch-verschämt immer dann ausgesprochen wird, wenn ein Mitglied der weitverzweigten Sippe sich der gemeinsamen Wurzeln und der wechselseitigen Loyalität vergewissern will: Solche Parolen aus einer Vergangenheit, die von unauflöslichen Bindungen und Verantwortungen geprägt war, üben auf das monadische, nomadische Individuum der Jetztzeit eine eigenartige Faszination aus.

In Omas simplerer Sprache heißt das: "Kümmere dich immer um deine Familie." Doch nicht aus Folgsamkeit, sondern aus echter Zuneigung besucht der bürgerlich etablierte Alexander MacDonald regelmäßig seinen Bruder Calum, der als verarmter, trunksüchtiger Außenseiter in den Slums von Toronto lebt. Während jener, in Würde verwahrlost, den mitgebrachten Brandy aus einer Plastikschale schlürft, kreist die Unterhaltung um Eltern, Großeltern und Urahnen. Wenn der Alkohol im Singen gälischer Volkslieder seine erste Wirkung zeitigt, wird beim Erzähler ein Erinnerungsschub ausgelöst, der ihn in seine Kindheit und Jugend zurückversetzt und ihm die wichtigsten Begebenheiten aus der Chronik des Clans ins Bewußtsein ruft. Ähnliches geschieht, unter leicht veränderten Vorzeichen, wenn er bei seiner Zwillingsschwester zu Gast ist, der Schauspielerin, die einen Erdölingenieur geheiratet hat und in einem "modernistischen Haus" in Calgary wohnt. Die Kommunikation unter den MacDonalds kennt, so scheint es, nur ein einziges Thema: die MacDonalds.

Das Familienschicksal, auch in neuerer Zeit, ist durchaus der Rede wert. Als die Zwillinge drei Jahre alt sind, kommen ihre Eltern beim Gang über das Wintereis zwischen Cape Breton und einer vorgelagerten Insel, wo der Vater die Leuchtturmwärterstelle versieht, ums Leben. Die beiden Kinder wachsen bei den Großeltern in der Stadt auf, während ihre drei wesentlich älteren Brüder das einsame Stammhaus des "clann Chalum Ruaidh" am Meer beziehen und dort halb freiwillig, halb notgedrungen ein Leben unter den zivilisatorischen Bedingungen der Vormoderne führen. Später arbeiten sie in einem Uranbergwerk in Ontario, wo auch der Erzähler nach dem Studium der Zahnmedizin vorübergehend schuftet, Seite an Seite mit weiteren Mitgliedern des Clans. Ein Cousin, der rothaarige Alexander, findet den Tod im Förderschacht, und Calum, der Älteste, erschlägt einen Frankokanadier, um die Ehre eines ebenfalls rothaarigen Cousins namens Alexander aus San Francisco zu verteidigen, der den Einsatz in der Mine der Einberufung nach Vietnam vorgezogen hat.

Das alles wird in einem gleichbleibend gelassenen, nüchternen Ton berichtet, der die dramatischen Vorfälle als Stationen einer endlosen Familiensaga relativiert: So werden es einst die Urenkel ihren Nachkommen erzählen, unter denen die Namen Alexander und Calum vermutlich ebenso verbreitet sein werden wie rote Haare. In diesem Licht wirkt der Originaltitel des Romans, "No great mischief", wie eine Beschwörungsformel: Kein großes Unglück hat sich ereignet, kein wirkliches Unheil ist geschehen, solange der Clan fortbesteht, solange das, was einzelnen widerfährt, im kollektiven Gedächtnis aufgehoben bleibt. Der schottische General James Wolfe aber hatte diese Formulierung zweieinhalb Jahrhunderte zuvor in einem ganz anderen Sinn benutzt. An seinen Freund Captain Rickson schrieb er über die Hochländer, die er für den kanadischen Kampf gegen die Franzosen als Soldaten anwerben wollte: "Sie sind zäh, unerschrocken, an rauhes Land gewöhnt, und es ist kein großes Unglück, wenn sie fallen."

Auch diese Marginalie gehört zum Überlieferungsbestand der MacDonalds, nebst manchen Verästelungen der Kolonialgeschichte Kanadas, die den historisch nicht involvierten deutschen Leser eher kaltlassen dürften. Denkt man an eine andere Bedeutung des Wortes "mischief", kann man das Titelzitat getrost auf Alistair MacLeods Erzählweise übertragen: Es mangelt diesem gewissenhaften, redlichen Autor an Schalk und Mutwillen, an Eigenschaften also, aus denen listigere Schriftsteller die Energie beziehen, ihr Publikum zu fesseln und bei der Stange zu halten. Sein Roman ist, genaugenommen, eine Sammlung von Anekdoten, die der Wille zu einem generationsübergreifenden Wertekanon anrührend, aber literarisch nicht ganz überzeugend verbindet. Und wenn der Enkel dann der Oma ein Denkmal setzt mit den Worten: "Wir sind alle bessere Menschen, wenn uns jemand liebt", dann gemahnt das doch fatal an jenes Genre, das unter dem weltumspannenden Wahlspruch "Geh, wohin dein Herz dich trägt" so fröhlich harmlos blüht, wächst und gedeiht.

KRISTINA MAIDT-ZINKE

Alistair MacLeod: "Land der Bäume". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Jakobeit. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001. 286 S., geb., 39,90 DM.

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