Ja, woran denken wir eigentlich, wenn wir an unser Land denken? Welche Bilder kommen uns vor Augen, wenn wir nachdenken über das Land, das wir unsere Heimat nennen, in dem wir groß geworden sind, in dem wir leben, arbeiten, lieben, trauern, feiern? Rainer Sülflow, Fotograf, hat sich auf seinen Reisen durch Deutschland ein Bild gemacht von begrünten Vorgärten, Marktständen und Currywurstbuden, Sonnenuntergängen und Straßenschildern, Kaugummiautomaten und Hausverzierungen. Bestsellerautor Jan Weiler hat sich beim Betrachten der Bilder Gedanken gemacht und diese zu Papier gebracht: Hintersinnige, humorvolle, nachdenkliche und liebevolle Geschichten sind so entstanden. "Land in Sicht" zeigt, wie es wirklich und wahrhaftig bei uns allen um die Ecke in Deutschland aussieht.
Jan Weiler, geb. 1967 in Düsseldorf, arbeitete als Texter in der Werbung, absolvierte dann die Deutsche Journalistenschule in München und war viele Jahre Chefredakteur des 'Süddeutsche Zeitung Magazins'. Heute lebt er als Autor mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in der Nähe von München.
© Daniel Josefsohn
Es liegt in der Natur der Fotografie, dass sie die Wirklichkeit zeigt, und manchmal könnte man glauben, dass sich ein fotografisches Länderporträt gar nicht anders darstellen lässt als in der Aneinanderreihung architektonischer Attraktionen und naturgeschützter Landschaften, ausgefallener Trachten, markanter Gesichter und Schnappschüssen aus dem Gewusel des Alltags - all dem eben, was das empirisch ausgerichtete Auge so sieht. Rainer Sülflow hat es anders gemacht. Sein großartiges Buch einer Deutschlandreise, "Land in Sicht", versucht, fern der vertrauten Motive eine Stimmung zu dokumentieren. Monatelang mit dem Auto unterwegs, sammelte Sülflow vor allem in ländlichen Regionen Momente, die überzogen sind von Wehmut, Lakonie und einem zarten Hauch der Verzweiflung. So entstand ein trauriges Bild, dem nicht einmal die Faschingsdekoration einer Bäckerei etwas Frohsinn entgegenzusetzen hat. Und doch ist es kein vernichtendes Urteil, dass Sülflow über einzelne Männer am Biertresen oder Betonblumenkübel auf Parkplätzen fällt. Immer bleibt vielmehr inmitten der provinziellen Tristesse ein Rest von Wärme und Heimatgefühl erhalten, geradeso, als hätten die Menschen den Kampf um Zufriedenheit keineswegs aufgegeben. Solcherart Annäherung ist Jan Weiler in seinen knochentrockenen Bildkommentaren fremd. Zu unserer Abbildung schreibt er: "Es geht hier überhaupt nicht um die Katze und erst recht nicht um den Mann. Es geht nur um das Kabel. Das Kabel ist wie unser Land. Ein bisschen umständlich geführt, aber alles in allem vollkommen korrekt und keine Gefahr für die anderen." - Weitere Fotos aus dem Band sind auf der Schlussseite dieses Reiseblatts zu sehen. (F.L.)
"Land in Sicht - Eine Deutschlandreise" von Rainer Sülflow (Fotografien) und Jan Weiler (Texte). Collection Rolf Heyne, München 2007. 208 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 29,90 Euro.
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