Verliebt, feige und doch ganz mutig
Amanda liebt Adam, der in ihre Klasse geht, aber Adam liebt Amanda nicht. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, bekommt Amanda von ihrer Lehrerin eine ganz besondere Aufgabe zugeteilt: Sie soll sich ab sofort um den neuen Mitschüler Lars kümmern, der das Downsyndrom hat. Furchtbar findet Amanda das. Nicht weil Vorurteile sie quälen, nicht weil Lars ihr etwa unsympathisch wäre. Nein, sie hat Angst bei den anderen anzuecken und nicht mehr beliebt zu sein. Aber mit Lars ist es nett, vor allem nach dem Unterricht bei ihm zu Hause amüsiert sich Amanda wie Bolle. Und trotzdem schwelt ein Brand in der Klasse, der Lars betrifft. Als die Katastrophe fast unausweichlich scheint, muss Amanda Position beziehen - und stellt sich gegen Lars. Ob er ihr je verzeihen kann?
Amanda liebt Adam, der in ihre Klasse geht, aber Adam liebt Amanda nicht. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, bekommt Amanda von ihrer Lehrerin eine ganz besondere Aufgabe zugeteilt: Sie soll sich ab sofort um den neuen Mitschüler Lars kümmern, der das Downsyndrom hat. Furchtbar findet Amanda das. Nicht weil Vorurteile sie quälen, nicht weil Lars ihr etwa unsympathisch wäre. Nein, sie hat Angst bei den anderen anzuecken und nicht mehr beliebt zu sein. Aber mit Lars ist es nett, vor allem nach dem Unterricht bei ihm zu Hause amüsiert sich Amanda wie Bolle. Und trotzdem schwelt ein Brand in der Klasse, der Lars betrifft. Als die Katastrophe fast unausweichlich scheint, muss Amanda Position beziehen - und stellt sich gegen Lars. Ob er ihr je verzeihen kann?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2018Mit Trisomie und Phantasie
Iben Akerlies Debütroman "Lars, mein Freund"
"Aus der Ferne sieht es so aus, als würde er um sich selbst kreisen, sich aber am Rand der anderen aufhalten, ob sie Fußball spielen oder Basketball." Das ungewöhnliche Debüt der norwegischen Schauspielerin Iben Akerlie ist ein Inklusionsroman rund um das Down-Syndrom. Die Klassenlehrerin weist nach den Sommerferien der nichtsahnenden Heldin Amanda einen neuen Mitschüler mit Chromosom-Anomalie als "Patenkind" zu, um ihm bei Hausaufgaben und dem Erlernen sozialer Spielregeln zu helfen. Ein Schuljahr lang begleitet Akerlies Buch "Lars, mein Freund" Amanda und ihren Schützling.
Der Roman nähert sich als eine Art Relativitätstheorie der Normalität dem Kind mit Down-Syndrom - nicht als Problemkind, sondern in seinem emotionalen Exil als phantasiebegabtes Spiegelbild der Normgesellschaft. Es zeigt, wie Inklusion im Furor des Optimierens und Bewertens ein Fremdwort geblieben ist. Amanda, die bisher "alle Absonderlichkeiten der Welt" von sich fernhielt und der die Rolle der Fürsorglichen missfällt, freundet sich mit dem "Zögling wider Willen" an. Nach anfänglicher Ablehnung macht sie - ähnlich der Trauerphase von Eltern nach der Diagnose - Prozesse der Reifung durch: ausgerechnet durch einen vermeintlich bildungsfernen Menschen.
Die Autorin, die Sozialkitsch umschifft, indem sie pädagogisches Vokabular sanft ironisiert, findet einen Mittelweg zwischen Förderoptimismus und unbeschönigter Darstellung. Ihre Sozialreportagen und Kontaktgeschichten mit kognitiv oder kulturell anderen kritisieren Wohlwollen statt Teilhabe und fürsorgende Ausgrenzung statt Ebenbürtigkeit. Symptomatisch für die Paralyse und emotionale Prekarität in den gesellschaftlichen Rollenspielen ist das festgefrorene Bild, wenn die Schüler wie in einem Skulpturenpark über den Sportplatz verteilt stehen.
Neben Lars ist Kay, der seine Familie in Gambia vermisst, in Amandas Universum wichtig - und ihr Schwarm Adam, wobei Adam und Amanda ihre Gefühle füreinander nicht zu erklären trauen. Während das pädagogische Rettungsangebot für das Integrationskind die sympathisch-hysterische Klassenlehrerin Frau Nielsen überfordert, genießt Amanda die nachmittäglichen Besuche bei Lars und dessen alleinerziehendem Vater in deren wohlig-chaotischer Wohnung. Mit dem Harry-Potter-Adepten erprobt sie Zauberformeln, erfährt Phantasiewelten als alternative Realität. Der gesprungene allegorische Wandspiegel, der Amandas Körperteile lustig multipliziert, parodiert Menschen, die Chromosomen zählen. Ihr wird klar, dass sie nur bei Hausbesuchen bei Lars Freiheit und Narrenfreiheit von der Gesellschaft erfährt.
Der Teufelskreis des Mobbings auf sozialen Netzwerken beginnt, als Lars sich beim Zirkeltraining in der Turnhalle in einen Derwisch-artigen Tanz steigert und Mitschülerinnen wie Anna und Christina Handykameras zücken. Noch schwerer aber als die Sorge, ihr Patenkind könnte Mobbing-Opfer werden, wiegt Amandas Angst, selbst ausgegrenzt zu werden, weshalb sie dem intriganten Duo in einem Blackout Fotos von Lars zuschanzt, die von den beiden prompt in einen Powerpoint-Vortrag des Naturkundelehrers geschmuggelt werden. Auf der Weihnachtsfeier leistet Amanda in einer filmreifen Szene samt selbstgedrehtem Video "Bekenntnisse einer Mobberin" vor versammelter Schulgemeinde Abbitte.
Ob der natürlichen Soziabilität und kalkülfreien Kommunikation von Menschen mit Down-Syndrom mündet das Buch in der philosophischen Frage, wer wirklich Hilfe nötig hat, wenn die Menschen nicht mit Lars, sondern über ihn lachen. Jenseits des Befunds erkennt Amanda Lars' wahres Humankapital. Ihr gelingt die Dekodierung der Gebärden, devianten Denkwelten und Zauberformeln: Schließlich werde, so sieht es Lars, Harry Potters Freundin Hermine gemobbt, weil sie eigentlich keine richtige Hexe, aber "besonders" sei und am besten zaubern könne. So ist Akerlies Buch, das die soziale Konstruktion von Bildung und Behinderung kindgerecht zeigt, nicht nur voller Magie, nicht nur Enthinderung der Normalität und eine Feier der Phantasie, sondern auch ein wunderbarer Entwicklungsroman der Empathie.
STEFFEN GNAM
Iben Akerlie: "Lars, mein Freund". Roman.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Dtv Reihe Hanser, München 2018. 256 S., geb., 12,95[Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Iben Akerlies Debütroman "Lars, mein Freund"
"Aus der Ferne sieht es so aus, als würde er um sich selbst kreisen, sich aber am Rand der anderen aufhalten, ob sie Fußball spielen oder Basketball." Das ungewöhnliche Debüt der norwegischen Schauspielerin Iben Akerlie ist ein Inklusionsroman rund um das Down-Syndrom. Die Klassenlehrerin weist nach den Sommerferien der nichtsahnenden Heldin Amanda einen neuen Mitschüler mit Chromosom-Anomalie als "Patenkind" zu, um ihm bei Hausaufgaben und dem Erlernen sozialer Spielregeln zu helfen. Ein Schuljahr lang begleitet Akerlies Buch "Lars, mein Freund" Amanda und ihren Schützling.
Der Roman nähert sich als eine Art Relativitätstheorie der Normalität dem Kind mit Down-Syndrom - nicht als Problemkind, sondern in seinem emotionalen Exil als phantasiebegabtes Spiegelbild der Normgesellschaft. Es zeigt, wie Inklusion im Furor des Optimierens und Bewertens ein Fremdwort geblieben ist. Amanda, die bisher "alle Absonderlichkeiten der Welt" von sich fernhielt und der die Rolle der Fürsorglichen missfällt, freundet sich mit dem "Zögling wider Willen" an. Nach anfänglicher Ablehnung macht sie - ähnlich der Trauerphase von Eltern nach der Diagnose - Prozesse der Reifung durch: ausgerechnet durch einen vermeintlich bildungsfernen Menschen.
Die Autorin, die Sozialkitsch umschifft, indem sie pädagogisches Vokabular sanft ironisiert, findet einen Mittelweg zwischen Förderoptimismus und unbeschönigter Darstellung. Ihre Sozialreportagen und Kontaktgeschichten mit kognitiv oder kulturell anderen kritisieren Wohlwollen statt Teilhabe und fürsorgende Ausgrenzung statt Ebenbürtigkeit. Symptomatisch für die Paralyse und emotionale Prekarität in den gesellschaftlichen Rollenspielen ist das festgefrorene Bild, wenn die Schüler wie in einem Skulpturenpark über den Sportplatz verteilt stehen.
Neben Lars ist Kay, der seine Familie in Gambia vermisst, in Amandas Universum wichtig - und ihr Schwarm Adam, wobei Adam und Amanda ihre Gefühle füreinander nicht zu erklären trauen. Während das pädagogische Rettungsangebot für das Integrationskind die sympathisch-hysterische Klassenlehrerin Frau Nielsen überfordert, genießt Amanda die nachmittäglichen Besuche bei Lars und dessen alleinerziehendem Vater in deren wohlig-chaotischer Wohnung. Mit dem Harry-Potter-Adepten erprobt sie Zauberformeln, erfährt Phantasiewelten als alternative Realität. Der gesprungene allegorische Wandspiegel, der Amandas Körperteile lustig multipliziert, parodiert Menschen, die Chromosomen zählen. Ihr wird klar, dass sie nur bei Hausbesuchen bei Lars Freiheit und Narrenfreiheit von der Gesellschaft erfährt.
Der Teufelskreis des Mobbings auf sozialen Netzwerken beginnt, als Lars sich beim Zirkeltraining in der Turnhalle in einen Derwisch-artigen Tanz steigert und Mitschülerinnen wie Anna und Christina Handykameras zücken. Noch schwerer aber als die Sorge, ihr Patenkind könnte Mobbing-Opfer werden, wiegt Amandas Angst, selbst ausgegrenzt zu werden, weshalb sie dem intriganten Duo in einem Blackout Fotos von Lars zuschanzt, die von den beiden prompt in einen Powerpoint-Vortrag des Naturkundelehrers geschmuggelt werden. Auf der Weihnachtsfeier leistet Amanda in einer filmreifen Szene samt selbstgedrehtem Video "Bekenntnisse einer Mobberin" vor versammelter Schulgemeinde Abbitte.
Ob der natürlichen Soziabilität und kalkülfreien Kommunikation von Menschen mit Down-Syndrom mündet das Buch in der philosophischen Frage, wer wirklich Hilfe nötig hat, wenn die Menschen nicht mit Lars, sondern über ihn lachen. Jenseits des Befunds erkennt Amanda Lars' wahres Humankapital. Ihr gelingt die Dekodierung der Gebärden, devianten Denkwelten und Zauberformeln: Schließlich werde, so sieht es Lars, Harry Potters Freundin Hermine gemobbt, weil sie eigentlich keine richtige Hexe, aber "besonders" sei und am besten zaubern könne. So ist Akerlies Buch, das die soziale Konstruktion von Bildung und Behinderung kindgerecht zeigt, nicht nur voller Magie, nicht nur Enthinderung der Normalität und eine Feier der Phantasie, sondern auch ein wunderbarer Entwicklungsroman der Empathie.
STEFFEN GNAM
Iben Akerlie: "Lars, mein Freund". Roman.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Dtv Reihe Hanser, München 2018. 256 S., geb., 12,95[Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Steffen Gnam entdeckt in Iben Akerlies Kinderbuch über einen Jungen mit Down-Syndrom und seine Schüler-Patin Philosophisches zu den Themen Humankapital, soziale Konstruktion, Inklusion und Mobbing. Das Debüt zeigt laut Gnam Prozesse der Reifung innerhalb eines Klassenverbunds, ohne dem Kitsch zu verfallen. Die Balance zwischen "Förderoptimismus" und ungeschönter Darstellung der Wirklichkeit gelingt Akerie, versichert der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Spannend! Eine Freundschaftsgeschichte für Kinder ab 10 Jahren."
Katharina Mahrenholtz, NDR Info, Bücherwurm 06.05.2018
Katharina Mahrenholtz, NDR Info, Bücherwurm 06.05.2018