Die französische Armee stellt für die Franzosen ein besonderes Phänomen dar. Sie ist stumm und bedingungslos gehorsam gegenüber dem Armeechef, einem gewählten Zivilisten. Man ist froh, nicht allzu viel über sie zu wissen, außer dass die großen Militärbasen sich im Süden des Landes befinden, von wo aus sie ihre Aktivitäten auf weit entfernte Territorien richtet. Victorien Salagnon ist einer von ihnen, die im Blut gebadet haben müssen. Er lehrt den Erzähler das Malen, der im Gegenzug Salagnons Geschichte aufschreibt, 50 Jahre französische Militärgeschichte und Kunst des Krieges. Prix Goncourt 2011.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2013Der Geruch von Fleisch
Alexis Jenni zu Gast im Hessischen Literaturforum
Er hat einen Roman geschrieben, aber viele seiner Leser wollen ihm das nicht glauben. Für "Die französische Kunst des Krieges" hat Alexis Jenni zeitgenössische Dokumente ausgewertet, Personen und Dialoge aber frei erfunden. Viele von denen, die dabei waren, wundern sich über das detailreiche Bild, mit dem Jenni die Zeit vom Kampf der Résistance im Zweiten Weltkrieg über den Indochina-Konflikt bis hin zum Algerien-Krieg nachzeichnet. Sie glauben, er wolle nur seine Quellen schützen. Aber Jenni hat bewusst die Form des Abenteuerromans gewählt.
Im Hessischen Literaturforum im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm berichtet er, wie er mit seinem Erstlingswerk vor zwei Jahren den wichtigsten französischen Literaturpreis gewann, den Prix Goncourt, obwohl die Verlage zuvor zahlreiche von ihm verfasste Romane abgelehnt hatten: "Dieses Buch war einfach besser als die, die ich vorher geschrieben hatte." Im Gespräch mit Ruthard Stäblein, Kulturredakteur im Hessischen Rundfunk, erläuterte Jenni, dass die literarische Form des Abenteuerromans ihm die Möglichkeit gegeben habe, sich mit dem notwendigen Abstand und auf einer eher gefühlten Ebene mit seinem Thema auseinanderzusetzen.
Der Überraschungserfolg hat ihm gutgetan, er spricht gerne und intensiv über sein Werk. Vor seinem Wochenendauftritt in Frankfurt ist er auf der Leipziger Buchmesse zu Gast gewesen, das Interesse an seinem Erstling, der voriges Jahr auf Deutsch im Luchterhand Verlag erschien, ist noch immer groß. Aber Jenni weiß, dass das manchmal nicht viel heißt. Ein Mann habe ihn auf der Straße angesprochen, um ihm zu sagen, dass er sein Buch gekauft habe, aber sogleich nachgesetzt: "Ich werde es verschenken, wovon handelt es?" Das mache bescheiden, sagt Jenni.
Schon der Titel des Romans mag für viele provokant klingen - und die Provokation endet nicht hier. So vergleicht Jenni, der noch immer als Biologielehrer in Lyon arbeitet, den Algerien-Krieg mit ethnischen Konflikten in den französischen Vorstädten unserer Zeit, Blutrünstigkeit und Gewalt an der Front mit unserem alltäglichen Fleischkonsum, der Wert darauf legt, jegliche tierische Abstammung zu verbergen. Quadratische Stücke in sauberer Plastikverpackung, nirgendwo Blut: "Warum ertragen wir den Anblick von Fleisch nicht mehr? Was haben wir getan?", heißt es schon zu Beginn des Romans. Ein vom namenlosen Ich-Erzähler präpariertes Dinner mit Hammelköpfen, Hahnenkämmen und Kaldaunen gerät zum Desaster.
Jenni zeichnet in "Die französische Kunst des Krieges" das Bild eines ungerührten, mitleids- und orientierungslosen jungen Mannes, der erst durch die Begegnung mit einem älteren Mann herausgefordert wird, der alle drei Kriege des modernen Frankreichs erlebt hat. Erst als Kämpfer in der Résistance, dann als Folterer in Algier - wie können Menschen sich so verändern? Jenni stellt soziologische Thesen zum zeitgenössischen Frankreich und seiner Bewohner auf, von deren Bedeutung er überzeugt ist, die er aber nur als Romancier verantworten könne. "Da sollen sich die Historiker dann wissenschaftlich mit auseinandersetzen."
JULIA KERN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alexis Jenni zu Gast im Hessischen Literaturforum
Er hat einen Roman geschrieben, aber viele seiner Leser wollen ihm das nicht glauben. Für "Die französische Kunst des Krieges" hat Alexis Jenni zeitgenössische Dokumente ausgewertet, Personen und Dialoge aber frei erfunden. Viele von denen, die dabei waren, wundern sich über das detailreiche Bild, mit dem Jenni die Zeit vom Kampf der Résistance im Zweiten Weltkrieg über den Indochina-Konflikt bis hin zum Algerien-Krieg nachzeichnet. Sie glauben, er wolle nur seine Quellen schützen. Aber Jenni hat bewusst die Form des Abenteuerromans gewählt.
Im Hessischen Literaturforum im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm berichtet er, wie er mit seinem Erstlingswerk vor zwei Jahren den wichtigsten französischen Literaturpreis gewann, den Prix Goncourt, obwohl die Verlage zuvor zahlreiche von ihm verfasste Romane abgelehnt hatten: "Dieses Buch war einfach besser als die, die ich vorher geschrieben hatte." Im Gespräch mit Ruthard Stäblein, Kulturredakteur im Hessischen Rundfunk, erläuterte Jenni, dass die literarische Form des Abenteuerromans ihm die Möglichkeit gegeben habe, sich mit dem notwendigen Abstand und auf einer eher gefühlten Ebene mit seinem Thema auseinanderzusetzen.
Der Überraschungserfolg hat ihm gutgetan, er spricht gerne und intensiv über sein Werk. Vor seinem Wochenendauftritt in Frankfurt ist er auf der Leipziger Buchmesse zu Gast gewesen, das Interesse an seinem Erstling, der voriges Jahr auf Deutsch im Luchterhand Verlag erschien, ist noch immer groß. Aber Jenni weiß, dass das manchmal nicht viel heißt. Ein Mann habe ihn auf der Straße angesprochen, um ihm zu sagen, dass er sein Buch gekauft habe, aber sogleich nachgesetzt: "Ich werde es verschenken, wovon handelt es?" Das mache bescheiden, sagt Jenni.
Schon der Titel des Romans mag für viele provokant klingen - und die Provokation endet nicht hier. So vergleicht Jenni, der noch immer als Biologielehrer in Lyon arbeitet, den Algerien-Krieg mit ethnischen Konflikten in den französischen Vorstädten unserer Zeit, Blutrünstigkeit und Gewalt an der Front mit unserem alltäglichen Fleischkonsum, der Wert darauf legt, jegliche tierische Abstammung zu verbergen. Quadratische Stücke in sauberer Plastikverpackung, nirgendwo Blut: "Warum ertragen wir den Anblick von Fleisch nicht mehr? Was haben wir getan?", heißt es schon zu Beginn des Romans. Ein vom namenlosen Ich-Erzähler präpariertes Dinner mit Hammelköpfen, Hahnenkämmen und Kaldaunen gerät zum Desaster.
Jenni zeichnet in "Die französische Kunst des Krieges" das Bild eines ungerührten, mitleids- und orientierungslosen jungen Mannes, der erst durch die Begegnung mit einem älteren Mann herausgefordert wird, der alle drei Kriege des modernen Frankreichs erlebt hat. Erst als Kämpfer in der Résistance, dann als Folterer in Algier - wie können Menschen sich so verändern? Jenni stellt soziologische Thesen zum zeitgenössischen Frankreich und seiner Bewohner auf, von deren Bedeutung er überzeugt ist, die er aber nur als Romancier verantworten könne. "Da sollen sich die Historiker dann wissenschaftlich mit auseinandersetzen."
JULIA KERN
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